Als das alte, längst schon spürbar in die Jahre gekommene Parlament im ersten Halbjahr 2017 zum letzten Mal Schauplatz einer Nationalratssitzung war, da leitete Doris Bures von der SPÖ als Präsidentin die Sitzung, auf der Regierungsbank saßen Kanzler Christian Kern und sein Vize Reinhold Mitterlehner. Danach ging es ab in das Ausweichquartier in der Hofburg, wo das Land seither auf der Regierungsbank gleich mehrere Kanzler zu sehen bekam. Fünfeinhalb Jahre lang wurde unterdessen das Parlament am Ring für gut 400 Millionen Euro aufpoliert. Was heißt „aufpoliert“? Für so viel Geld bekam man ein neues Haus, das alle Stückln spielt - und dennoch die eindrucksvolle Architektur des 140 Jahre alten Bauwerks bewahrt. Das Gebäude auf den neuesten Stand zu bringen war ein Hauptziel, das Hohe Haus gleichzeitig zum offenen Haus umzufunktionieren, ein weiteres. Und so präsentiert sich der ehrwürdige Komplex nun nicht nur mit einer neuen Glaskuppel, die Tageslicht in den Nationalrats-Sitzungssaal fluten lässt, sondern vor allem auch mit Rundum-Offenheit für Gäste - vom großzügigen Besucherzentrum bis zum für jedermann offenen Restaurant Kelsen im Dachgeschoß. Das große Bekenntnis am feierlichen Eröffnungstag gestern Nachmittag: Das Volk ist bei seinen Vertretern herzlich willkommen. Darüber herrschte bei den Vertretern aller Parteien Einigkeit. Allerdings schon so ziemlich das einzige, bei dem sich alle einig zeigen.
Donauwalzer. Auch das mit der Offenheit hat seine Grenzen, wie schon beim Einlass zum Festakt zu spüren war. Da wäre etwa ein Landeshauptmann a.D., der noch bis vor kurzem eine entscheidende Rolle in der österreichischen Politik gespielt hatte, am strengen Security gescheitert, weil er keinen Lichtbildausweis vorweisen konnte. Es bedurfte einiger Mühe von drei Gästen, die sich zum Glück ausweisen konnten, um bis zu einer kompetenten Person vorzudringen, die den Alt-Politiker schließlich einließ - bis zur nächsten Schleuse. Jacke, Schlüssel, Handy wie am Flughafen in den Scanner, wenigstens Gürtelentfernung und das Ausziehen der Schuhe blieb den Gästen erspart. Wer es danach bis in den prächtigen, auch aufgefrischten Reichsratssitzungssaal (neudeutsch Bundesversammlungssaal) zum Festakt geschafft hatte, erlebt dort zwar wohlgesittete Parlaments-Präsidiumsmitglieder und Klubobleute (Herbert Kickl fehlte wegen Erkrankung). Aber neben dem Bemühen um einen freundlichen Auftritt versuchte doch jeder auch deutlich Kontur zu zeigen - für sich und seine Partei. Der Applaus als Gradmesser: Freundliches allgemeines Geklatsche jeweils am Ende des Auftritts, Szeneapplaus im Wesentlichen jeweils nur aus dem eigenen Lager. Auch der Applaus für den nicht unumstrittenen Festredner Wolfgang Schäuble, längstdienender deutscher Bundestagsabgeordneter und Ex-Bundestagspräsident, fiel freundlich, aber recht verhalten aus. Den lautesteten und längsten Applaus verdienten sich Musiker der Wiener Philharmoniker mit den Sängerknaben: Für ihre Interpretation von Johann Strauss´ „An der schönen blauen Donau“. Ja, wenigstens beim Donauwalzer (Unkenrufer meinten: nur dabei) - da ist Österreich vereint.
Kommen Sie gut durch den Freitag!
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