Um die Finanzierung des ORF ist eine heiße Debatte entbrannt, Generaldirektor Roland Weißmann pocht auf mehr Budget. Bevor mehr Geld fließt, müsse es aber eine Reform geben, die den politischen Einfluss zurückdrängt, fordert NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Im Interview mit krone.at übt sie deutliche Kritik am Stiftungsrat, einer „reformunwilligen“ Koalition und dem sogenannten Landeshauptleute-TV.
krone.at: Der ORF sieht sich ab 2024 in einer Finanzierungskrise, sie haben im Dezember in einem Gastbeitrag für den „Standard“ Reformen gefordert, erst dann soll es Geld geben. Der Stiftungsrat soll aufgelöst werden, stattdessen soll ein Bürgerrat kommen - Ist das realistisch?
Beate Meinl-Reisinger: Ich bin in die Politik gegangen, um wirklich was zu bewegen. Die Finanzierungskrise ist die eine Sache, die Vertrauenskrise ist aber noch eine viel größere Frage. Und aus dieser Vertrauenskrise wird irgendwann eine Daseinsberechtigungskrise, weil der ORF und auch die Regierung schon seit vielen Jahren die Frage nicht beantwortet, was eigentlich der Sinn eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter sein soll.
Was soll denn der Sinn sein?
Wenn wir sagen, wir brauchen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, um gesicherte Information zu haben, auch als Bollwerk gegen Fake News, müssen wir den ORF zuallererst von politischem Einfluss befreien. Weniger als ein Viertel der Österreicher glaubt, dass die Berichterstattung des ORF frei von politischem Einfluss ist. Das ist der Hauptgrund, warum die Menschen kein Vertrauen haben. Das ist Gift in einer Demokratie.
Es gibt bei uns keine Sideletter.
Beate Meinl-Reisinger
Im niederösterreichischen ORF-Landesstudio wurde offenbar sehr ÖVP-freundlich berichtet. Wurden andere Parteien benachteiligt?
Wenn in den Landesstudios Landeshauptleute-TV gemacht wird, offenbar sehr günstig für die jeweils herrschende Partei, hat dies Auswirkungen auf die Berichterstattung. Entsprechend weniger wird über alle anderen Parteien berichtet. Insgesamt erlebe ich in Niederösterreich, dass es keine ausgeprägte Debattenkultur, kein ausgeprägtes Demokratieverständnis gibt. Unsere Spitzenkandidatin Indra Collini hat von der letzten Proporzregierung gefordert, dass das Arbeitsübereinkommen auf den Tisch gelegt wird. Daraufhin wurde ihr aus dem Umfeld von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner einfach das Parteiprogramm der ÖVP Niederösterreich geschickt (lacht). Das sagt sehr viel aus über ein nicht vorhandenes demokratisches Verständnis und vor allem über die völlig abgehobene Haltung: „Das Land sind wir! Wir haben die Macht, was die anderen machen, ist völlig wurscht.“
Apropos Landesstudios: Die SPÖ Salzburg will jetzt die Mitsprache des Landeshauptmanns bei der Bestellung des ORF-Landesdirektors beenden. Stimmen die NEOS bei dem Antrag mit?
(Lacht) Gesetzlich gibt es den Einfluss ja nicht. Es gibt nur ein bloßes Anhörungsrecht. Nach der gelebten Realverfassung dürfte dieses Anhörungsrecht de facto mehr als das sein. Dieses Anhörungsrecht sollte man ersatzlos streichen. Da gebe ich der SPÖ völlig recht, dass das nicht in Ordnung ist. Ich frage mich, ob sie das auch in Wien, im Burgenland und in Kärnten hören.
Werden die NEOS in allen Landtagen, wo sie vertreten sind, auch darauf hinarbeiten, dass es abgeschafft wird?
Zunächst einmal sind wir in Wien und Salzburg in der Landesregierung und mischen uns hier nicht in den ORF ein - es gibt bei uns keine Sideletter. Wir sind die einzige Partei in einer Regierung, wo es so etwas nicht gibt. Die Grünen haben Nebenabsprachen, die Roten, die Schwarzen, die FPÖ hatten nachweislich Sideletter, wo sie sich immer diese Postenbesetzungen ausgemacht haben.
Das frisch renovierte Parlament wurde kürzlich eröffnet, die NEOS haben gleich den ORF kritisiert - er will künftig Sitzungen nur noch auf ORF3 statt auch auf ORF 2 übertragen. Sobotka soll sich dafür einsetzen, dass man das bisherige Vorgehen beibehält. Will Ihre Partei jetzt auch Einfluss auf die Berichterstattung nehmen?
Es ist eher umgekehrt: Ich habe Sorge, dass ORF 3 zum Sobotka-Sender wird, wenn der Herr Nationalratspräsident mit dem Herrn Weißmann ausmacht, wo die Parlamentssitzungen übertragen werden. Ich glaube, dass gerade ORF2 als öffentlich-rechtlicher Sender mit Bildungsauftrag, verpflichtet werden sollte, Parlamentssitzungen zu übertragen. Ich schätze ORF 3, aber wenn man sich die Publikumszahlen anschaut, kommt mir vor, als wenn es dort verräumt würde.
Irgendwo muss die Finanzierung herkommen. Soll es eine Haushaltsabgabe geben, wie es zuletzt NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter gefordert hat? Dann muss jeder zahlen, auch wenn er keine ORF-Angebote nutzt.
Deswegen sehe ich eine Haushaltsabgabe im Moment sehr kritisch - vor allem in Zeiten der Teuerung. Es gibt drei Modelle am Tisch Haushaltsabgabe, Budgetfinanzierung und eine Gebühr auf alle internetfähigen Geräte. Alle haben Schönheitsfehler. Grundsätzlich sind wir gesprächsbereit, aber wir stimmen nur einer Finanzierungsreform zu, wenn es auch eine Gremienreform gibt, die garantiert, dass der politische Einfluss zurückgedrängt wird. Der ORF braucht einen ordentlichen Aufsichtsrat, mit Mitgliedern, die eine Expertise haben. Ansonsten stimmen wir egal welcher Finanzierung nicht zu. Schon gar nicht, wenn es mehr Geld geben soll. Ich lasse nicht die Österreicher mehr Geld für etwas zahlen, dem sie immer weniger vertrauen.
Aber prinzipiell sind die NEOS für eine Haushaltsabgabe?
Ich persönlich finde die Budgetfinanzierung schwierig, weil der ORF immer Spielball der Politik sein kann. Dann ist das Teil der jährlichen Budgetverhandlungen. Ob das so viel unabhängiger macht, wage ich zu bezweifeln.
Die regierenden Parteien haben nur das Interesse, selbst viel Einfluss zu haben. So ruiniert man den ORF.
Die NEOS-Chefin über die aktuelle und vergangene Regierungen
Die Grünen haben deswegen ein ORF-Budget mit automatischer Anpassung an die Inflation vorgeschlagen.
Eine generelle Indexanpassung halte ich für einen Fehler. Das bedeutet, dass das Effizienzpotenzial niemals gehoben werden muss. Ich mache da nicht dem ORF einen Vorwurf, sondern den Regierungen - der jetzigen und den vergangenen. Sie schauen seit Jahrzehnten zu, wie immer mehr Vertrauen in den ORF verloren geht und ihn ruinieren, weil sie nicht reformwillig sind. Man hat den Eindruck, die regierenden Parteien haben nur das Interesse, selbst möglichst viel Einfluss zu haben. Die SPÖ war nicht reformwillig, weil es für sie bequem war, Einfluss zu haben, und hat das Bestreben, wieder möglichst viel Einfluss im Stiftungsrat zu bekommen. Die ÖVP ist nicht reformwillig, sie hat sogar eine absolute Mehrheit im Stiftungsrat, die Grünen haben sich mit der ÖVP arrangiert und die FPÖ in der Vergangenheit auch. So ruiniert man den ORF. Es wird sich also die blanke Existenzberechtigungsfrage stellen. Ich habe große Angst, dass es ein Volksbegehren gibt, nicht um einen ORF unabhängig zu machen, wie das Hugo Portisch wollte, sondern, um den ORF abzuschaffen, und das immer mehr Zuspruch findet, wenn der Vertrauensverlust weitergeht.
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