9 Forderungen gestellt

So steht es heute um das Frauenvolksbegehren 2.0

Politik
23.01.2023 22:51

Mehr als vier Jahre ist es mittlerweile her, dass etwa eine halbe Million Menschen das zweite Frauenvolksbegehren (offizieller Name: Frauen*Volksbegehren 2.0) unterschrieben haben. Sie forderten damit mehr Gewaltschutz, eine verkürzte Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich für alle sowie eine ganztägige und ganzjährige Kinderbetreuung. Wurden diese Anliegen erfüllt und wie steht es unter der türkis-grünen Koalition um Gleichstellung? krone.at hat bei den Obfrauen Lena Jäger und Daniela Diesner nachgefragt.

2018 haben Politikerinnen und Politiker wie der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und die frühere Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) das Frauenvolksbegehren unterschrieben. Bis heute ist keine Forderung umgesetzt. Die Diskussion dazu im Nationalrat sei schrecklich gewesen, sagt Daniela Diesner. Jede Partei habe kurz ihre Position erläutert, vieles habe man ohnehin schon gewusst und mehr als ein paar Lippenbekenntnisse habe es nicht gegeben. Zur Erinnerung: Zu diesem Zeitpunkt hatte Österreich eine schwarz-blaue Koalition unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

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Die Diskussion im Nationalrat war schrecklich.

Daniela Diesner, Vorständin des Frauenvolksbegehrens 2.0

Noch heute Austausch mit der Politik
Mehr als vier Jahre später besteht der Vorstand des Frauenvolksbegehrens noch aus sechs Personen, wobei bei bestimmten Anliegen auf weitere zurückgegriffen werden kann. Eine der Hauptaufgaben ist es nach wie vor, sich mit politischen Vertreterinnen und Vertretern auszutauschen. Außer zur FPÖ würden zu allen Parteien Kontakte bestehen, sagt Lena Jäger. In der Vergangenheit wurden jedoch auch Einladungen dieser Partei angenommen, zum Teil sei der Austausch konstruktiv gewesen.

Lena Jäger, Obfrau des Frauenvolksbegehrens 2.0 (Bild: Carl Dewald)
Lena Jäger, Obfrau des Frauenvolksbegehrens 2.0

Die Aktivistinnen und Aktivisten des Frauenvolksbegehrens fragen bei Landtagswahlen etwa nach, warum nicht 50 Prozent Frauen aufgestellt werden und ob es denn nicht mehr qualifizierte Frauen für das Amt gebe. Darüber hinaus verschicken sie Presseaussendungen zu ihren Anliegen, organisieren Stammtische und andere Veranstaltungen - zum Beispiel rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Vor Kurzem haben sie ein Heft der aep-Informationen zu kostenlosen Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen gestaltet.

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Veränderungen in Gleichstellungsdiskursen sind nie aus der Politik alleine gekommen, eigentlich immer angestoßen worden von verschiedenen gesellschaftlichen Initiativen.

Lena Jäger, Sprecherin des Frauenvolksbegehrens 2.0

Immer wieder Rückfälle
Das Frauenvolksbegehren arbeitet auch mit anderen Projekten aus der Zivilbevölkerung zusammen, etwa dem Klima- und dem Tierschutzvolksbegehren. „Veränderungen in Gleichstellungsdiskursen sind nie aus der Politik alleine gekommen, eigentlich immer angestoßen worden von verschiedenen gesellschaftlichen Initiativen“, sagt Jäger. Sie erinnert daran, dass sich Frauen in den 70er-Jahren zusammenschlossen, um etwa ein eigenes Konto haben zu dürfen und einen Schwangerschaftsabbruch hierzulande möglich zu machen.

(Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Die Initiatoren des Frauenvolksbegehrens: Projektleiterin Lena Jäger, die Sprecherinnen Andrea Hladky und Schifteh Hashemi und Christian Berger (v.l.n.r.) (Bild: APA/FVB/CHRISTOPHER GLANZL)
Die Initiatoren des Frauenvolksbegehrens: Projektleiterin Lena Jäger, die Sprecherinnen Andrea Hladky und Schifteh Hashemi und Christian Berger (v.l.n.r.)

Seit 30 Jahren gebe es jedoch einen Stillstand bei der Gleichstellung von Frauen und Männern. „Das war so eine Hochphase. Seitdem breitet sich zunehmend das Gefühl aus, wir haben schon alles erreicht. Dass dem nicht so ist, sehen wir etwa daran, dass wir einen riesigen Pensionsunterschied haben und einen Gehaltsunterschied.“ Frauen seien beispielsweise mehr von Gewalt, Armut und immer wieder auch von weniger Anerkennung im Beruf betroffen als ihre männlichen Kollegen.

Einerseits habe der Regierungswechsel auf die türkis-grüne Koalition „wahnsinnig viel gebracht“ wie ein höheres Frauenbudget und mehr Arbeit gegen Männergewalt, andererseits kämpften die Aktivistinnen und Aktivisten immer wieder gegen Rückschläge an. Diesner nennt den Sexualunterricht an Schulen als Beispiel, der eingeschränkt werden sollte, den beide aber als wichtig für körperliche Selbstbestimmung finden.

(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)

Keine Forderung wichtiger als die andere
Die neun Forderungen des Frauenvolksbegehrens können in drei Ebenen geteilt werden - eine ökonomische, eine gesellschaftliche und in die der körperlichen Selbstbestimmung. Grundsätzlich ist laut Jäger und Diesner keine wichtiger als die andere, da sie ineinanderwirken. Damit eine Frau ihren gewalttätigen Partner verlassen kann, ist etwa finanzielle Unabhängigkeit wichtig und damit sie berufstätig sein kann, braucht es wiederum eine verlässliche Kinderbetreuung.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Frauenvolksbegehren 2.0 war ein überparteiliches Frauenvolksbegehren, das die Gleichstellung von Frauen fordert. 2016 riefen es Frauen rund um das Netzwerk Sorority, darunter Lena Jäger, ins Leben. Einer der Hauptgründe war das 20-jährige Jubiläum des ersten Frauenvolksbegehrens (1997).
  • Das Volksbegehren wurde von 481.959 Menschen unterschrieben. Damit erhielt es um 160.000 Unterschriften weniger als das erste Frauenvolksbegehren.
  • Die neun Forderungen sind zusammengefasst: Macht teilen, Einkommensunterschiede beseitigen, Arbeit verteilen, Armut bekämpfen, Wahlfreiheit ermöglichen, Vielfalt leben, Selbst bestimmen, Gewalt verhindern und Schutz gewähren.
  • Einige der Aktivistinnen und Aktivisten sind heute noch aktiv. Sie tauschen sich z. B. mit politischen Vertretenden aus, organisieren Veranstaltungen und führen Kampagnen zu ihren Anliegen durch.
  • Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des Frauenvolksbegehrens 2.0.

Derzeit müssten Feministinnen und Feministen auf die Teuerungs-Debatte aufspringen, meint Jäger, zumal Verteilungsthemen feministisch seien. Das sei ein greifbarer Inhalt und ein praktischer Zugang. In der Vergangenheit habe sie Menschen immer wieder gefragt: „Wenn Frauen nur die Hälfte der Pension von Männern bekommen, heißt das dann nicht, dass ihr Arbeitsleben nur die Hälfte wert war?“ oder „Finden Sie, dass Männer und Frauen gleich viel wert sind?“

Emotionen gingen hoch
Die meisten haben vor allem die zweite Frage bejaht und sind dann auch auf der Straße stehen geblieben, als Flyer für das Frauenvolksbegehren verteilt wurden. Jäger kann sich aber noch gut an eine Frau erinnern, die verneinte, da Männer die schwereren Arbeiten machen würden und sie „nur“ Kinder erzogen hätte. Die ältere Frau sei sehr hart zu sich selbst gewesen, sodass Jäger über ihr Selbstbild erschrocken sei und ihr gesagt hätte, dass ihr Beitrag der Kindererziehung doch auch einen Wert hätte. Die Zeit, in der Unterschriften gesammelt wurden, sei überhaupt sehr emotional gewesen.

Heute halten es Jäger und Diesner für denkbar, mehr als eine halbe Million Unterschriften für ihre Anliegen zu erreichen. So sei etwa die ökonomische Situation noch dringender geworden und durch spätere Initiativen hätten sich zudem mehrmals Menschen gemeldet, die das Frauenvolksbegehren noch unterzeichnen wollten.

Das ist zwar nicht mehr möglich, Interessierte können sich aber zur ehrenamtlichen Mitarbeit melden. Für den Vorstand werden zwei Personen gesucht. Voraussetzung sei, anpacken zu wollen, nicht nur Ideen beizusteuern.

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