Einen Hilferuf setzte am Dienstag die Grazer Uniklinik ab: Weil unzählige Ärzte und Pflegekräfte fehlen, können erstmals nicht alle Patienten aufgenommen werden. Am Nachmittag wurden die 7000 Mitarbeiter über die angespannte Situation informiert. Im Hintergrund gab es eine Verstimmung mit dem Spitalsvorstand.
Es war ein Akt der Verzweiflung: Weil das Grazer Uniklinikum aufgrund des massiven Personalengpasses seinem gesetzlich verankerten Versorgungsauftrag nicht mehr im gewohnten Umfang nachkommen kann, wurden am Dienstag um 14.30 Uhr die rund 7000 Mitarbeiter per Livestream von der Spitalsleitung über die „angespannte Situation“ informiert.
Längst könne man nicht mehr alle Patienten versorgen, immer öfter komme es vor, dass Schwerkranke in andere Häuser in andere Bundesländer wie Wr. Neustadt oder Klagenfurt weiter transportiert werden müssen. Lange Wartezeiten für Operationen gehören mittlerweile zum Alltag.
247 Betten im Grazer LKH gesperrt
Konkret fehlen mit Stand 11. Jänner 200 Pflegekräfte nur an der Grazer Uniklinik, 247 Betten bleiben deshalb aktuell gesperrt. „Prognosen zeigen, dass sich die Situation erst im Jahr 2026 wieder entspannen wird“, sagte der ärztliche Direktor, Wolfgang Köle.
Die Wahrheit ist, unsere Pflegekräfte gehen nicht in Pension, sondern in andere Häuser. Eine Attraktivierung des Arbeitgebers ist deshalb unabdingbar.
Grazer Klinikleitung
Hellmut Samonigg, Rektor der Medizinischen Universität Graz, nannte die größten Probleme ungeschönt beim Namen: „Spezialfächer wie etwa eine Neurochirurgie oder eine Herzchirurgie gibt es nur in Graz, es gibt keinen zweiten Standort in der Steiermark, wo solche Patienten hin können. Deshalb ist es unsere Verpflichtung, Öffentlichkeit und Politik zu informieren“.
Der Onkologe verwies aber noch auf einen weiteren Missstand: „Das Klinikum hat die Verpflichtung, die medizinisch-studentische Ausbildung abzuwickeln. In diesem Bereich registrieren wir eine zunehmende Einschränkung - das Gleiche gilt für die Facharzt-Ausbildung.“
Presse ausgeladen
Über das „umfassende Maßnahmenprogramm zur Verbesserung der Arbeitssituation“ wollte die Klinikleitung am Dienstag übrigens auch die Presse informieren. Extra-Boni für stark frequentierte Ambulanzen oder etwa Willkommensprämien für neue Pflegekräfte sind angedachte Lösungsstrategien, auch Pendler-Zuschüsse soll es geben. Darüber hinaus sollen das LKH Graz II und jenes in Weiz künftig enger mit der Uniklinik kooperieren.
Doch dazu kam es nicht: „Krone“, „Kleine Zeitung“ und „ORF“ wurden ganz kurzfristig wieder ausgeladen, Betriebsdirektor Gebhard Falzberger, der ärztliche Direktor, Wolfgang Köle, Pflegedirektorin Gabriele Möstl, Med-Uni-Rektor Hellmut Samonigg und dessen Vize Andreas Leithner in letzter Sekunde vom Vorstand zurückgepfiffen.
Message Control oder politisches Kalkül?
Kages-Vorstand Gerhard Stark (dessen Presseabteilung noch am Dienstagvormittag nichts von dem Termin wusste) begründete diesen ungewöhnlichen Schritt gegenüber der „Krone“ so: „Normalerweise ist die Kages-Unternehmens-Kommunikation in solche Termine eingebunden, diesmal war es anders. Ja, es klemmt an vielen Stellen am Uniklinikum, aber bevor Maßnahmen zur Gegensteuerung groß präsentiert werden, müssen auch sämtliche Details stimmen und abgestimmt sein, damit sich keiner benachteiligt fühlt.“
Noch vor zehn Jahren war ich ein glühender Verfechter der Spitalszentralisierung. Mit dem Wissen von heute würde ich die Frage nach deren Richtigkeit vorsichtiger beantworten.
Kages-Vorstand Gerhard Stark
Die angespannte Situation an der Uniklinik ist nicht nur auf den Personalmangel zurückzuführen, sondern auch Produkt einer seit Jahren verfolgten Zentralisierungspolitik im Spitalswesen. Steirische Landspitäler hat man sukzessive ausgehungert und viele Leistungen ausschließlich in Graz gebündelt.
Zentralisierungspolitik am Prüfstand
Da bekanntlich Landeshauptmann Christopher Drexler, zuvor Gesundheitslandesrat für die ÖVP, diese Mission maßgeblich vorantrieb, gab es rasch auch das Gerücht, dass das Pressegespräch „von ganz oben“ abgedreht wurde. „Stimmt nicht“, hieß es dazu von den Verantwortlichen.
Jenes, wonach die aktuelle Gesundheitslandesrätin Juliana Bogner-Strauß (ÖVP) das Veto aussprach, hielt sich jedoch hartnäckig bis zum Schluss.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.