„Die ÖVP rasselt bei einer Wahl zehn Prozentpunkte nach unten - und dann rollen nicht sofort Köpfe? Das hätte es früher bei uns nie gegeben“, meint einer, der mit den Machtstrukturen und Entscheidungsprozessen in der Volkspartei bestens vertraut ist. Hat sich die ÖVP so sehr geändert, dass man nach so einer Niederlage wie am Sonntag einfach so wieder zur Tagesordnung übergeht, als wäre nichts passiert?
Ganz sicher nicht, aber man behält - wie in der SPÖ - den Kalender im Auge: Landtagswahl Kärnten am 5. März, in Salzburg am 23. April. Bis dahin versucht man, so gut man kann, sich mit Personaldiskussionen nach außen hin zurückzuhalten. Aufzuhalten sind sie ohnedies nicht.
Wackelt Wolfgang Sobotkas Sessel?
Im Zentrum der parteiinternen Debatten - selbst in ihrer Heimat - stehen die schwarz-türkisen Niederösterreicher. Da kommt Karl Nehammer, der Halb-Niederösterreicher an der Parteispitze, gerade noch am besten weg. Auch wenn in der „Frage des Tages“ der „Krone“ mehr als zwei Drittel meinen, er sitze nach der Wahl vom vergangenen Sonntag nicht mehr fest im Sattel. Parteiintern als weit wackeliger gelten die Stühle von Nationalratspräsident und Vertrauensindex-Minusmann Wolfgang Sobotka sowie Innenminister Gerhard Karner, an dem Parteifreunde immer lauter Kritik üben.
„Sebastian Kurz - oder eine Lösung“
Karner lastet man den unglücklichen Umgang mit der Migrations-/Asylfrage in den vergangenen Monaten an. Pointiert formuliert es eine schwarze Größe: „Wenn man so ein Thema aufspielt, dann braucht man auch den zweiten Teil: und zwar entweder Sebastian Kurz oder eine Lösung.“ Und die haben im Auge vieler Wähler (und Parteifreunde) weder Karner noch Nehammer anzubieten - sondern vielmehr Herbert Kickl und seine Blauen. Denen treibe man, so die interne Kritik, in Scharen die Wähler zu. Das hatten viele schon vor der Wahl prognostiziert und sei nun auch voll eingetreten.
Zweifel auch von „Landesvater“ Pröll
Die Kritik an der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wird größtenteils noch hinter vorgehaltener Hand geraunt. In der Öffentlichkeit am weitesten ging dabei ausgerechnet Mikl-Leitners Vorgänger und langjähriger Förderer Erwin Pröll. Der hochgeachtete und im Land weiter außerordentlich beliebte „Landesvater“ hatte gewisse Zweifel an der Eignung Mikl-Leitners für die Führungsaufgabe anklingen lassen. Wiederum hinter vorgehaltener Hand flüstert man, dass das Verhältnis zwischen Pröll und Mikl-Leitner weit bessere Zeiten gesehen habe.
So viel ist klar: Misserfolg schafft Nervosität. Und was auch vielen klar scheint: Das ÖVP-Herz schlägt nicht mehr allein in St. Pölten, die Karten werden auch in der Kräfteverteilung innerhalb der ÖVP (österreichweit) neu gemischt. Derzeit noch unterm Tisch, nach dem Abschluss des Wahlreigens im April werden sie vermutlich auf den Tisch geknallt.
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