Die Hallucination Company verabschiedet sich nach knapp 50 Jahren in die wohlverdiente Musikerpension. Gründer und Zampano Ludwig „Wickerl“ Adam erinnert sich im „Krone“-Talk vor dem letzten Konzert im Wiener Jazzclub Porgy & Bess an große Tage, schwerwiegende Momente und legendäre Erlebnisse zurück.
Der letzte Vorhang hätte eigentlich schon vor einem knappen Jahr fallen sollen. Ludwig „Wickerl“ Adam lud eine Heerschar an heimischen musikalischen Legenden ein, um an zwei Abenden im Wiener Jazzclub Porgy & Bess seine legendäre Hallucination Company nach 45 Jahren in die wohlverdiente Pension zu schicken. Doch am 18. Februar gibt es - erneut im Porgy & Bess - ein da Capo. „Es hatten so viele Musiker, die ich gerne dabeigehabt hätte, einfach keine Zeit“, erzählt uns das Mastermind im „Krone“-Interview, „also gehen wir es jetzt halt noch einmal an.“ Beim „Letzten Tanz, Teil 2“ an Bord sind u.a. Andy Baum, Tini Kainrath, Harri Stojka oder Wickerls Sohnemann, Top-Produzent und Wanda-Gitarrist Zebo Adam. Noch einmal heißt es „The Heat Is On - The Beat Goes On!“ Doch ob eines der legendärsten Kapitel der österreichischen Musikgeschichte damit wirklich geschlossen wird, das weiß nur Wickerl selbst.
„Deppater Jesus“
Der 1949 geborene Chef-Dompteur besuchte einst die Wiener Musikakademie, machte eine Körpertheaterausbildung und war Mitglied des „Dramatischen Zentrums Wien“. Für einen bunten Vogel wie Wickerl waren die späten 60er-Jahre in Wien grausam. „Ich ging gerne in Kleidern spazieren und hörte immer wieder Aussagen wie ,Bist a Woama? A Madl oder a Bua?‘ Eine Schaffnerin hat mich ,deppater Jesus‘ geschimpft und Bauarbeiter warfen aus dem fünften Stock Ziegel auf mich. Das war mir aber alles vollkommen egal.“ Der legendäre Camera Club in der Neubaugasse war Szene-Treffpunkt für Musiker und Künstler. „Das war mein Wohnzimmer. Man konnte jede Nacht tanzen und ich habe dort viel über Musik gelernt.“ Rund um Adam entsteht in den 70er-Jahren das Erste Wiener Musiktheater, 1977 formt er daraus die Hallucination Company, die er eigentlich Magic Park nennen wollte.
Die Liebe zum amerikanischen Stilverweigerer Frank Zappa war früh gegeben und prägte das Bild der Company von den frühen Tagen an. Die obszön-genialen Drahdiwaberl waren da bereits in aller Munde, etwa gleichzeitig mit der Company gründete sich knapp 200 Kilometer südlicher in Graz die EAV. Adams Kollektiv betrieb zusammengefasst ein zeitgeistiges Performance-Rockmusiktheater mit politischer Kante und stellte Dramatik, Theatralik und Schauspielkunst genauso ins Zentrum des Tuns, wie die Musik selbst. Die Gründungsmitglieder sind gleichbedeutend mit dem „Who Is Who“ der heimischen Musikszene. Harri Stojka, Thomas Rabitsch, Peter Kolbert, Hansi Lang und nicht zuletzt ein gewisser Hans Hölzel aka Falco waren in den Frühzeiten unter der Leitung Adams am Start. „Jeder Musiker musste vier Stunden pro Tag proben, also körperlich arbeiten. Mir war es immer am wichtigsten, gute Musiker zu haben. Jemand kann gerne sagen, diese Band würde ihm nicht gefallen. Aber in 45 Jahren hat keiner ein Company-Konzert verlassen und gesagt, wir hätten schlecht gespielt.“
Mehr als eine Band
Wickerl Adam merkte früh, dass er lieber im Hintergrund agiert und das Rampenlicht jenen überlässt, deren Trieb an der Bühnenfront enorm ausgeprägt war. Falco und Hansi Lang verdienten sich so ihre ersten Sporen und konnten sich in der freigeistigen Improvisationswelt musikalisch ausleben. „Die Hallucination Company ist viel mehr als eine Band“, beteuert Adam, „sie ist eine Vereinigung von guten Musikern. Die Band veränderte sich immer nach Möglichkeit und Gebrauch, sie ist eine Fläche der Freiheit.“ Als solche findet 1978 mit „Halluzinationen“ die erste länderübergreifende Tour statt. Bis 1985 spielte die Company knapp 1400 Konzerte quer durch Europa und wurde für ihr kulturell breit angelegtes Bühnengebaren von Fans und Kritikern gefeiert. Nach einer zweijährigen Pause Mitte der 80er-Jahre kam die Band 1988 zurück und lieferte vorwiegend legendäre Konzerte im Wiener Metropol, aber auch anderswo ab.
„Das allererste Open-Air-Konzert Österreichs fand einst am Wiener Heumarkt statt und der Ring wurde als Bühne benutzt“, erinnert sich Adam zurück, „das muss 1966 gewesen sein, lange vor der Company. Da gab es eine Band namens Tired People und die suchten einen Sänger. Ich bot mich an, wurde genommen und merkte sehr schnell, dass ich auf der Bühne daheim bin.“ Den politischen Anspruch der frühen Tage hat die Hallucination Company bei ihren Live-Auftritten mittlerweile abgelegt, doch von einer reinen Legendenverwaltung kann trotzdem nicht die Rede sein. Adam muss sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Im Laufe der Jahre überstand er einen Hoden- und einen Lymphdrüsenkrebs, 2011 erlitt er in Folge einer Gehirnblutung einen Schlaganfall, der vergleichsweise glimpflich ausging. „Ich kann nicht mehr tanzen und habe kein Gleichgewicht mehr. Dennoch hatte ich Riesenglück, denn wäre die Gehirnblutung ein bisschen näher an meinem Stammhirn gewesen, hätte die Sache ganz anders ausgehen können.“
Leben auf der Überholspur
Über die Jahre hat Adam viele seine ehemaligen Schützlinge gehen lassen müssen. Falco, Hansi Lang, Peter Kolbert und Co. - sie alle sind viel zu früh verstorben. „Die Company wurde von mir und Michael Jürs gegründet. Er hat sich 1982 mit einer ganz dünnen Nylonschnur aufgehängt, sprang vom Sessel und war sofort tot. Unseren ersten Tontechniker haben wir früh an Drogen verloren. Er mischte Heroin und Kokain, schaffte einen Entzug und erlitt einen Rückfall - innerhalb von sieben Tagen war er tot. Das tut mir natürlich heute noch wahnsinnig leid. Ich denke jeden Tag über den Tod nach und hatte selbst zwei Nahtoderlebnisse. Die waren aber jedes Mal grandios. Der Tod ist wirklich was Leiwandes. Er ist nicht böse oder negativ, sondern einfach eine andere Art des Seins. Ich gebe zu, ich bin schon ganz neugierig darauf, was als Nächstes kommt.“
Die Trennung von der Bühne fällt dem leidenschaftlichen Bühnenmenschen Adam schwer. „Der Glückszustand, den ein Publikum in mir auslöst, ist einfach nur schön. Das nicht mehr erleben zu können ist natürlich hart, aber dafür habe ich meine Kinder. Ich freue mich, wenn sie Erfolg im Leben haben, weil es mir damit automatisch auch gut geht. Der Abschied ist auch insofern nicht wehmütig, weil wir jedes Jahr am 13. Jänner in der Szene Wien ein Tribute an Hansi Langs Geburtstag spielen. Das wird weitergehen, solange es noch irgendwie möglich ist. Natürlich ist das Konzert im Porgy & Bess der Abschied einer Epoche. Wenn ich die Hallucination Company bin, dann nehme ich Abschied.“ Drahdiwaberl war die obszönste, EAV die erfolgreichste, aber die Hallucination Company wohl die prägendste aller Rocktheater-Formationen. Kommen Sie also zahlreich, zum wohl allerletzten Tanz dieser lebenden Musiklegende.
Abschieds-Matinee
Die Hallucination Company gibt es zum wohl wirklich allerletzten Mal am 18. Februar im Wiener Porgy & Bess zu sehen. Unter www.oeticket.com gibt es die Karten und alle weiteren Infos für das endgültige Kult-Konzerthighlight der Wiener Truppe.
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