Legende Koncilia:

„Mein Pass liegt noch beim Wiener Sportclub“

Fußball National
25.02.2023 06:51

Eine Fußball-Legende feiert am Samstag ihren 75er: Auch dank Friedl Koncilia erlebten Österreichs Fans in den 70er und 80er Jahren viele Sternstunden. „Mein Pass liegt noch beim Wiener Sportclub“ verrät er der „Krone“.

Der gebürtige Kärntner ist mit 84 Einsätzen bis heute unser Rekord-Teamtorhüter, stand bei zwei Weltmeisterschaften (1978 und 1982) im Tor. Mit Innsbruck und Austria Wien feierte er insgesamt acht Meistertitel und sieben ÖFB-Cup-Triumphe, stand 1979 in der Weltauswahl. Die „Krone“ traf das Geburtstagskind im von seiner Frau geführten Hotel Oase in Bad Ischl zum Interview, plauderte mit Koncilia über ...

… sein Befinden. Es geht mir nach meiner Unterschenkel-Amputation im Dezember den Umständen entsprechend sehr gut. Mit Kleinigkeiten an gesundheitlichen Schäden. Mit 75 kannst es Dir eben nicht aussuchen. Ich hab, beginnend bei meiner Frau Jasmin, die mich großartig betreut, und meinen vier Kindern Lavinia, Esteban, Stefan und Martina ein tolles Umfeld, auf das ich sehr stolz bin, hab auch permanent Kontakt zu meinen beiden Brüdern.

Impressionen der großartigen Karriere des 84-fachen ÖFB-Teamspielers Friedl Koncilia. (Bild: Christian Reichel)
Impressionen der großartigen Karriere des 84-fachen ÖFB-Teamspielers Friedl Koncilia.

... die Amputation seines Unterschenkels. Ich bekam vor Jahren Alterszucker, die linke Großzehe war schon länger ein Problemfall. Bis es im vergangenen Herbst hieß, sie müsse amputiert werden. Ich sagte, okay, kein Problem. Bin nach Vöcklabruck ins Krankenhaus, wo die Wunde jedoch immer größer wurde. Meine Tochter Martina vermittelte mich dann zum orthopädischen Chirurgen Dr. Winkler in Wien. Dort vereinbarten wir einen Operations-Termin für 27. Dezember, dann bin ich zurück ins Krankenhaus nach Vöcklabruck zur weiteren Behandlung. Wo der Fuß plötzlich grün wurde, sich die Blutwerte dramatisch verschlechterten, Lebensgefahr drohte, daher am 21. Dezember der Unterschenkel abgenommen werden musste. Der Eingriff verlief sehr gut, die Wunde ist sehr schön verheilt. Nach einem Jahr Schmerzen habe ich nun endlich keine mehr. Die Zehen-Operation in Wien musste ich dann absagen, weil ich ja keinen Fuß mehr hatte.

... seine beiden Karriere-Highlights: Da sind die beiden Spiele mit der Welt- und Europa-Auswahl. Mit Ersterer traf ich 1979 in Buenos Aires auf den regierenden Weltmeister Argentinien mit Diego Maradona. Ich stand in der zweiten Hälfte im Tor, am Ende siegten wir 2:1. Zico zuzusehen, wie er die Argentinier nach Belieben schwindlig spielte, das werde ich nie vergessen. Ebenso wenig Michel Platini, der mir beim Aufwärmen vom 16er die Bälle um die Ohren schoss, ein jeder Schuss ganz einfach unhaltbar.

... den Stellenwert von Cordoba. Das 3:2 gegen Deutschland war für mich der krönende Abschluss der WM 1978. Wir haben die Bedeutung des Erfolgs zunächst gar nicht registriert, die Euphorie in Österreich nicht so mitgekriegt. Aus dem einfachen Grund, weil eine Gruppe von uns mit Pezzey, Jara und mir nach der WMin den Urlaub aufbrach. Wir saßen zunächst noch mit dem deutschen Team im gleichen Flugzeug retour, da habe ich mich mit Sepp Maier angefreundet,hat der deutsche Teamchef Helmut Schön mit uns im Flieger ganz locker geplaudert. Wir tranken gemeinsam ein paar Bier, hatten eine Riesen-Gaudi. Bis Rio: Da stiegen wir mit unseren Frauen aus, machten Urlaub in Brasilien.

Eine Grafik vom erfolgreichen Team der WM 1978, angelehnt an das Gemälde über das Wunderteam der 1930er-Jahre. (Bild: Christian Reichel)
Eine Grafik vom erfolgreichen Team der WM 1978, angelehnt an das Gemälde über das Wunderteam der 1930er-Jahre.

... die WM 1978. Es war nicht Hans Krankl allein. Es war die Mannschaft, die diesen tollen Erfolg mit Platz 7 bei der WM 1978 ermöglichte. Krankl hat natürlich die beiden Tore gegen Deutschland erzielt, er war der Held, hatte eine super Karierre. Doch auch alle anderen haben in Argentinien großartig gespielt. Ob Pezzey, Obermayer, Sara, Strasser, Hickersberger, Kreuz, Prohaska, Jara oder Schachner. Jeder eine Persönlichkeit für sich, in Summe eine unglaubliche Mannschaft.

1979 war Koncilia (3. Reihe, Dritter von rechts) Teil der Weltauswahl - links neben ihm der unvergessene Bruno Pezzey. (Bild: Christian Reichel)
1979 war Koncilia (3. Reihe, Dritter von rechts) Teil der Weltauswahl - links neben ihm der unvergessene Bruno Pezzey.

... sein heutiges Interesse am Fußball. Ich verfolge die heimische Bundesliga, wo es immer wieder Überraschungen gibt. Ebenso schaue ich die deutsche Bundesliga, bin dort Fan von Bayern München und zudem ein begeisterter Zuschauer der Premier League. In Österreich probieren sie in der Bundesliga ansatzweise ähnlich zu spielen. Wenn ich mir aber oft die Ballbehandlung anschaue, schreckt es mich. Wir müssen uns eingestehen, dass wir dieses Tempo nicht spielen können, wir sind technisch und auch taktisch zu schwach.

... seine Lieblingsklubs. Das sind in Österreich jene Klubs, für die ich selbst spielte. Innsbruck gibt es fast nimmer, es ist Wattens, wo ich zwei Jahre spielte bis zur Fusion mit Innsbruck. Es gefällt mir, wie die WSG spielt, mit einem sicher geringeren Budget. Austria Klagenfurt schaue ich mir auch gerne an. Ich möchte Pacult nicht zu nahe treten, doch sie spielen für mich keinen schönen Fußball, aber eben im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Und natürlich Austria Wien. Wobei ich gestehen muss: Ich kenne fast keinen Spieler der Violetten mehr. Mir sagt Fitz was, der ganz gut ist. Und einen, weil er Polster heißt und links außen spielt. Die anderen sagen mir nix. Ich sehe niemanden, der mit seinen Leistungen auf Dauer auffällt.

... unser Nationalteam. Viele unserer Kicker spielen im Ausland im Verein eine herausragende Rolle. Doch sie bringen es, im Gegensatz zu unserer Generation, im Nationalteam nicht auf den Platz. Das ist für mich etwas Unverständliches. Wir haben auch keinen Stürmer mehr vom Format Krankl, Polster oder Janko. Das fehlt uns. Ebenso hatten wir früher Torleute, die waren Euorpa-, zum Teil sogar Weltklasse. Das fehlt mir im Moment ebenso. Wir haben keinen Stamm-Goalie. Einmal spielt der, dann der. Der Einzige, der mir gefällt, weil er auch im Nationalteam stets seine Leistung bringt, ist Konrad Laimer.

Eine Karikatur aus Anlass des 70. Länderspiels von Koncilia. (Bild: Christian Reichel)
Eine Karikatur aus Anlass des 70. Länderspiels von Koncilia.

... seinen geplatzten Wechsel in die USA. Nach meinem unglücklichen Belgien-Abenteuer hatte ich im Herbst 1979 ein Angebot von New York Cosmos. Ich flog hin, unterschrieb den Vertrag, war drauf und dran, ein Teamkollege von Franz Beckenbauer, Oscar oder Johan Neeskens zu werden. Ich bin retour nach Brüssel, erzählte meiner inzwischen schon verstorbenen ersten Frau davon: Sie begann beim Gedanken an die USA, die Hochhäuser und das Lift fahren zu weinen, auch wegen ihrer Klaustrophobie. So habe ich dann bei der Austria Wien, die auch angefragt hatte, angerufen und gefragt, ob sie mich noch haben wollen, bin dann in Favoriten gelandet.

... den besten Torhüter. Wirklich gefallen hat mir in den letzten Jahren Manuel Neuer. Unglaublich, wie viele entscheidende Bälle er für die Bayern pariert hat. Er hatte selten viel zu tun, doch wenn es brannte, war er jedes Mal da. In letzter Zeit hat er immer wieder gesundheitliche Probleme, auch bedingt durch sein Alter. Auch sonst haben sich viele das Prädikat Weltklasse verdient, etwa ein Courtois von Real Madrid. Auch bei der WM in Katar gab es viele ausgezeichnete Goalies. Ich habe noch nie eine WM mit so wenigen Torhüter-Patzern gesehen.Sie waren alle auf den Punkt bereit, auch die Torhüter der kleineren Nationen.

... Fußballer-Freundschaften. Ich habe einen sehr guten Draht zu Franz Wohlfahrt, wir telefonieren regelmäßig und treffen uns auch. Er ist wie mein dritter Bua. Ich habe ihn bei der Austria nach anfänglichen Schwierigkeiten unter meine Fittiche genommen. Wir sind sehr gute Freunde. Ich habe auch eine sehr gute Kommunikation mit Alex Manninger, der sich erst vor wenigen Tagen nach meinem Befinden erkundigt hat. Ebenso telefoniere ich immer wieder mal mit Sepp Maier, Gustl Starek oder Kurt Jara.

… seine Hobbys. Meine große Leidenschaft ist der Garten, wobei ich mir letztes Jahr aufgrund meiner Beschwerden schon schwer tat bei den Arbeiten, mich meine Familie unterstützte. Meine Frau ist im Gegensatz zu mir kein Blumen-Fan, sie verbietet es mir sogar, ihr zum Hochzeits-Tag oder Valentins-Tag Blumen zu schenken. Ich habe es bisher immer so gemacht, dass ich Topf-Blumen gekauft habe, die ich dann eingesetzt habe. Die Garten-Arbeit hat mich schon immer fasziniert. Es ist wunderschön zu sehen, wie etwas blüht und entsteht.

... seinen Tiefpunkt als Spieler. Das war der sicher Disput 1980 mit Werner Gregoritsch. Er hat mich beim Aufwärmen als Ersatzspieler hinter meinem Tor ständig provoziert. Ich kannte ihn überhaupt nicht, wusste nur, dass er einer vom GAK ist. Nach dem Spiel habe ich mich zu einem Kopfstoß gegen ihn verleiten lassen. Ein schwerer Fehler, ein Blackout, so etwas macht man nicht. Das Ganze hat mir eine sechsmonatige Sperre eingebracht, was nicht so schlimm war, weil sie über den Winter lief. Aber es kostete mich auch 200.000 Schilling. Mit Gregoritsch habe ich mich später ausgesöhnt, er ist ein toller Typ.

... seinen Tiefpunkt als Funktionär. Sicher jener Moment bei der Austria, als ich als damaliger Sportdirektor von Frank Stronach den Befehl erhielt, Herbert Prohaska, Erich Obermayer und Robert Sara zu entlassen. Das tut mir heute noch weh. Doch was hätte ich machen sollen - den Befehl verweigern und gleich gehen? Dass ich sechs Monate später selbst gehen musste, war mir klar. Denn die Austria-Familie verzeiht so etwas nicht. Erst recht nicht, wenn du Ikonen wie Prohaska, Sara und Obermayer rauswirfst. Mit Prohaska habe ich mich ausgesprochen, mit Obermayer und Sara konnte ich es leider nicht.

Koncilia wurde bei der 90-Jahr-Feier der Austria natürlich ins beste Team aller Zeiten gewählt. (Bild: Christian Reichel)
Koncilia wurde bei der 90-Jahr-Feier der Austria natürlich ins beste Team aller Zeiten gewählt.

... sein Karriere-Ende. Meine Laufbahn endete im Alter von 38 Jahren bei der Austria. In einem Spiel hatte mich Bozo Bakota von Sturm Graz bei einer Flanke unterlaufen. Ich fiel auf den Rücken, hatte in der Halbzeit Lähmungserscheinungen, nach einer Spritze von unserem Teamarzt spielte ich zweite Halbzeit weiter. Dann lag ich eine Woche in Mödling im Krankenhaus, bekam weitere Infusionen, um am Wochenende wieder auf dem Platz zu stehen. Als ich während des Aufwärmens bei einer Flanke plötzlich mit dem linken Bein einknickte. Am Ende stellten sie im AKH einen Bandscheiben-Vorfall fest. Das war es für mich.

... ein Angebot danach. Nach der Operation im AKH hat mich Erich Hof besucht, er wollte unbedingt, dass ich zum Wiener Sportclub komme. Zugleich sagte mein Arzt, dass wenn ich weiter spiele, ich in einem Jahr wieder bei ihm liege. Hof gab aber keine Ruhe, bis ich zusagte, zum Sportclub-Platz zu kommen. Ich bin hingefahren, unterschrieb den Vertrag, sie wollten noch übers Geld verhandeln, was mich schon nicht mehr interessiert hat. Ich bin dann nie mehr zum Sportclub-Platz gefahren. Hab nie trainiert oder gespielt. Ich wollte, indem ich unterschrieb, einfach meine Ruhe haben, nehme an, dass mein Pass heute noch beim Sportclub liegt.

... die Politik. Ich war mal in Wiener Neudorf politisch tätig, als Stadtrat für Jugend und Sport. Mein Freund und Nachbar, der zugleich Bürgermeister war, fragte mich, ob ich nicht selbst Bürgermeister werden will. Nicht ums Verrecken, antwortete ich. Ich interessiere mich heute noch sehr für die Politik, schaue mir Parlaments-Diskussionen an. Doch mit den heutigen Politikern kann ich nichts mehr anfangen.

... seine Wünsche zum 75er. Dass es gesundheitlich so bleibt, wie es jetzt gerade ist. Ich mit meiner Familie noch ein paar schöne Jahre verbringen kann. Ich habe alles, brauche keine Geschenke. Noch ein paar Jahre, bis zum 80er, vielleicht auch darüber hinaus. Mein größter Wunsch nach der Amputation war, dass ich wieder golfen kann. Den habe ich mir inzwischen mit dem ersten Abschlagen beim Golfclub Salzkammergut erfüllt.

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(Bild: KMM)



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