Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) steht unter Druck. Die Koalition mit der Kickl-FPÖ schlägt hohe Wellen und gilt als Test für die Bundesebene. Im Interview mit „Krone“-Redakteurin Ida Metzger rechtfertigt die niederösterreichische Landeshauptfrau ihren Schritt.
Entsetzen herrscht über die Koalition der ÖVP mit der Kickl-FPÖ in Niederösterreich. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner kassiert viele Prügel: Sie mache Rechte damit salonfähig, kritisiert das internationale Auschwitz-Komitee. Auch den Corona-Fonds mit 30 Millionen Euro sieht man als Kniefall vor den Blauen.
„Krone“: Die Koalition mit der FPÖ ist ein Imageverlust für die ÖVP. NÖ stoppt nun die Werbung für die Corona-Impfung, richtet einen Corona-Wiedergutmachungsfonds ein. Ist der Machterhalt jeden Preis wert?
Johanna Mikl-Leitner: Jetzt muss man sich dann langsam entscheiden. Vor kurzem habe ich gelesen, dass die ÖVP vom hohen Ross herunterkommen soll. Und wenn wir Kompromisse eingehen, die manchen nicht passen, heißt es, der Preis ist zu hoch. Wir hatten übrigens auch viele Kompromisse zu den Forderungen der SPÖ. Aber Sven Hergovich war seinerseits nicht willens, nachzugeben. Und wir wollten keinen einarmigen Regierungspartner. Und jetzt ernsthaft: Die SPÖ hat Forderungen zu Bedingungen gemacht, die nicht einmal in roten Ländern umgesetzt werden. Und das verlangt bei uns der Drittplatzierte mit 20 Prozent der Stimmen. Die SPÖ wollte, dass die Verhandlungen scheitern. Anders ist ihre Strategie nicht nachvollziehbar. Das Verhalten der SPÖ ist der wahre Skandal.
Hätte man nicht ein Übereinkommen mit den Grünen und den NEOS anstreben können? Wenn gar nichts geht, wären nicht Neuwahlen besser gewesen?
Mit Grünen und NEOS ist eine Zusammenarbeit nur im Landtag möglich. In Niederösterreich und Oberösterreich bestimmen die Wähler direkt, welche Partei wie viele Sitze in der Regierung hat. Grüne und Neos haben zu wenig Stimmen und darum keinen Regierungssitz. Das heißt, in der Landesregierung müssen ÖVP, FPÖ und SPÖ einen Weg der Zusammenarbeit finden. Die SPÖ hat blockiert - daher gibt es jetzt eine stabile Zusammenarbeit mit der FPÖ. Neuwahlen vom Zaun zu brechen, weil einem das Wahlergebnis nicht gefällt? Das entspricht nicht meinem Demokratieverständnis.
Es gibt österreichweit 50 anerkannte Impfschäden. Die Corona-Strafen haben in Niederösterreich 1,4 Millionen Euro ausgemacht. Wofür braucht man einen Corona-Fonds? Ist das Spielgeld für Landbauer?
Ich sehe darin eine Chance, die Gräben zu schließen. Die ÖVP und die FPÖ gehen hier einen gemeinsamen Weg. Aber klar ist auch: Jene, die sich an die Regeln gehalten haben, dürfen nicht die Dummen sein. Die Rückzahlung der Strafen gilt nur für jene Gesetze, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat. Das halte ich auch wirklich für gerecht. Der Fonds soll Schäden der Pandemie abdecken - von Long Covid bis zu anderen psychologischen Schäden.
Video: ÖVP-FPÖ-Pakt in NÖ beschlossen
Die Corona-Impfung wird nicht mehr beworben. Ist dieses Zugeständnis an die Blauen dem Wahlverhalten der Bauern geschuldet? Viele Bauern haben bei der Wahl wegen der Impfpflicht für die FPÖ und nihct mehr für die ÖVP gestimmt …
Die Spaltung der Gesellschaft wird seit drei Jahren immer tiefer. Das beschränkt sich nicht auf einzelne Berufsgruppen. Die Pandemie hat gezeigt, dass niemand immer zu 100 Prozent richtig gelegen ist. Weder die Experten, noch jene, die für strenge Regeln waren, und auch nicht die Gegner. Diese Entfremdung muss man endlich auflösen.
Der Vorwurf der israelischen Kultusgemeinde ist, dass man mit der FPÖ-NÖ den rechten Rand in die Regierung holt. Wie können Sie mit Politikern regieren, die antisemitische Äußerungen tätigten?
Ich stehe mit der Israelitischen Kultusgemeinde seit Jahrzehnten in engem Kontakt. Ich erfahre aus der jüdischen Gemeinschaft auch Verständnis für diese Entscheidung, auch wenn man sich dies nicht öffentlich zu sagen traut. Wir stehen jetzt jedenfalls am Prüfstand, uns hier zu beweisen. Und das tun wir auch - wenn ich an den Chabad Campus für jüdisches Leben denke, der im Schloss Sooß bei Melk eingerichtet ist.
Ist die Mikl-Kickl-Koalition ein Probelauf für den Bund?
Mein Ansprechpartner ist Udo Landbauer und nicht Herbert Kickl. Mit Kickl habe ich während der Verhandlungen kein Wort gesprochen. Und jetzt lassen wir bitte die Kirche im Dorf. Es gab schon mehrere ÖVP-FPÖ-Koalitionen. Es gab auch Koalitionen zwischen SPÖ und FPÖ. Und: Ja, da gab es immer wieder Proteste. Aber das ist eine demokratisch gewählte Partei. Und was auf bundespolitischer Ebene in zwei Jahren passiert, kann heute niemand sagen.
Haben Sie mit Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll über die Koalition mit der FPÖ gesprochen?
Er war über den Stand der Verhandlungen informiert. Und er teilte die Meinung, dass wir zuerst mit der SPÖ verhandeln. Genauso wie die Notwendigkeit, mit der FPÖ zu verhandeln, da sich die SPÖ aus dem Rennen genommen hat.
Wie sehr schmerzt es Sie, dass Sie von der FPÖ nicht zur Landeshauptfrau gewählt werden?
Ich habe schon sehr viele Angriffe und Untergriffe erleben müssen. Meine persönlichen Befindlichkeiten spielen keine Rolle. Bei mir steht das Landesinteresse vor persönlichen Befindlichkeiten.
Es gab viele Gerüchte, dass Sie als Landeshauptfrau ÖVP-intern vor der Ablöse stehen, wenn Sie keine Koalition zustande bringen. War das der Grund für die vielen Kompromisse? Hat Sie das unter Druck gebracht?
Es ist ja mittlerweile bekannt, dass das von anderen Parteien gestreut wurde. ÖVP-intern gab es eigentlich nie eine Diskussion - und für dieses große Vertrauen in dieser schwierigen Situation bin ich ehrlich gesagt auch sehr dankbar
Gottfried Waldhäusl ist jetzt zweiter Landtagspräsident. Sprich, er soll Abgeordneten Ordnungsrufe erteilen, wenn sie sich im Ton vergreifen. Wer soll bitte die Autorität von Waldhäusl anerkennen, der selbst immer wieder Skandale durch seine Aussagen auslöst? Ist das nicht ein Hohn?
Er wird eine sorgsame Sprache an den Tag legen müssen, um sie sich Autorität zu verschaffen.
Wie haben Udo Landbauer und Sie eine Basis nach all den Untergriffen gefunden?
Es waren harte Verhandlungen, aber sie waren professionell im Ton. Wir haben es geschafft, ein Grundvertrauen aufzubauen. Mit dem Corona-Fonds haben wir eine Brücke gefunden, um auch die Gräben in der Gesellschaft zu beenden.
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