Experten-Interview

Tiroler Ökonom überzeugt: „Werden kürzer arbeiten“

Tirol
10.04.2023 12:00

Seit Wochen wird lautstark über eine Reduktion der Arbeitszeit diskutiert. Im Interview mit der „Tiroler Krone“ nimmt Ökonom Andreas Steinmayr von der Uni Innsbruck Stellung zur Debatte und wagt einen Blick in die Zukunft. Für weniger Arbeit spricht sich der ÖGB aus, die WK erteilt eine Absage.

„Krone“: Wie stehen Sie als Wissenschaftler zur Debatte über die Verkürzung der Arbeitszeit?
Andreas Steinmayr: Wenn wir die langfristigen Daten seit 150 Jahren betrachten, arbeiten wir heute viel weniger als früher. Eine Erklärung dafür ist, dass wir viel produktiver sind. In einer Arbeitsstunde können dank des Fortschritts mehr Güter und Dienstleistungen hergestellt werden als gegen Ende des 19. Jahrhunderts oder vor 30 Jahren. Wir können also gleich viel arbeiten und mehr konsumieren oder gleich viel konsumieren und die Arbeitszeit verringern. Die Menschen wollen etwas von beidem. Dieser Trend ist für uns Ökonomen daher nicht überraschend. Was noch nicht zur Gänze untersucht wurde, ist, ob die Leute aufgrund der Pandemie jetzt eine stärkere Präferenz für mehr Freizeit haben. Es gibt lediglich Anzeichen, dass das so sein könnte. Im internationalen Vergleich ist Österreich ein Land, das im Durchschnitt sehr viel Freizeit hat. Das errechnet sich aus der Anzahl der Feiertage, der Arbeitszeit und wann wir in Pension gehen.

Ökonom Andreas Steinmayr von der Uni Innsbruck (Bild: zeitungsfoto.at/Liebl Daniel)
Ökonom Andreas Steinmayr von der Uni Innsbruck

Vor allem die Vier-Tage-Woche ist in aller Munde. Rein theoretisch: Wenn alle Tiroler nur noch vier Tage arbeiten, ginge sich das aus?
Es gibt das Argument, dass wir viel produktiver werden, wenn wir weniger arbeiten, wodurch sich das ausgleichen würde. In gewissen Bereichen kann ich mir das durchaus vorstellen. Bei anderen Berufen geht das sicher nicht. Einen Busfahrer kann ich nicht produktiver machen, indem er weniger arbeitet. Unterm Strich können wir wahrscheinlich nicht dieselbe Menge an Gütern und Dienstleistungen produzieren, wenn wir die Arbeitszeit um 20 Prozent reduzieren. Hinzu kommt, dass durch die demografische Veränderung das Verhältnis der Älteren zu den Jüngeren steigt, der Anteil an den Erwerbspersonen also zurückgeht. In der Debatte werden übrigens zwei Dinge vermischt. Es heißt ja immer: Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Es geht also gleichzeitig um die Reduktion der Arbeitszeit und um die Erhöhung des Stundenlohns. Das wird nicht sauber auseinander gehalten.

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Wir sehen ja jetzt schon, wie neue Technologien unseren Arbeitsalltag laufend verändern. Da wird sich vieles tun, was sich auch auf unsere Produktivität auswirken wird.

Andreas Steinmayr

Welche Auswirkungen hat das Streben nach mehr „Life“ und weniger „Work“ auf den Wirtschaftsstandort?
Das Angebot an Arbeitskräften wird reduziert. Die bekommt man aufgrund des demografischen Wandels auch immer schwieriger aus Nachbarländern. Eine Alternative ist, Österreich für Arbeitskräfte aus weiter entfernten Ländern attraktiver zu machen.

Was braucht es, um die Leute in der Vollzeitbeschäftigung zu halten bzw. sie dahin zurückzubekommen?
Eine Voraussetzung ist der Ausbau des Kinderbetreuungs- und Pflegeangebots, damit Betroffene überhaupt die Möglichkeit haben, in Vollzeit zu arbeiten. Eine besonders geringe Erwerbsbeteiligung sehen wir bei älteren Personen. Wir haben also viel Freizeit in spätere Lebensabschnitte verschoben.

Andreas Steinmayr (li.) im Gespräch mit dem „Krone“-Redakteur Manuel Schwaiger. (Bild: zeitungsfoto.at/Liebl Daniel)
Andreas Steinmayr (li.) im Gespräch mit dem „Krone“-Redakteur Manuel Schwaiger.

Was glauben Sie, wie die Tirolerinnen und Tiroler im Jahr 2040 arbeiten werden?
Ich denke, dass wir bei noch kürzeren Arbeitszeiten landen werden. Nicht extrem viel kürzer, aber ein bisschen. Es werden sich auch viele Berufsbilder massiv verändern. Wir sehen ja jetzt schon, wie neue Technologien unseren Arbeitsalltag laufend verändern. Da wird sich vieles tun, was sich auch auf unsere Produktivität auswirken wird. Das kann uns erlauben, weniger zu arbeiten.

Immer wieder wird auch über das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Glauben Sie, dass es eines Tages eingeführt wird?
Es gibt viele Ökonomen, die es für eine gute Idee halten, dass man damit ein Mindestmaß an Lebensstandard garantiert. Viele Sozialleistungen würden gebündelt, Bürokratie eingespart. Ich kann mir vorstellen, dass es kommt und halte es für eine gute Idee, aber es wird noch viele Debatten über die Höhe geben.

Symbolbild (Bild: Manuel Schwaiger)
Symbolbild

ÖGB für Vier-Tage-Woche
Als „Arbeitsmodell der Zukunft“ bezeichnet der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) die Vier-Tage-Woche. Lange Arbeitswochen würden bei vielen zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Mit der Vier-Tage-Woche würden Beschäftigte seltener krank und Burnouts könnten vermieden werden. „Weniger Zeit am Arbeitsplatz steigert die Lebensqualität und senkt chronische Zeitnot für andere Dinge.

Es bleibt mehr Zeit für Familie und Freunde“, so das zweite Argument. Die Vier-Tage-Woche sei ein Gewinn für soziale Kontakte. Laut ÖGB sind 85 Prozent der Pendler mit dem Auto unterwegs. Bei einer Vier-Tage-Woche würden jährlich rund 250.000 Tonnen an CO2 eingespart.

WK erteilt Absage 
„Die Rechnung geht nicht auf“, sagt indes die Wirtschaftskammer. Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn würde den Faktor Arbeit massiv verteuern und die Betriebe zwingen, die weniger produktiven Angestellten abzubauen. Durch die Verkürzung würde der Druck auf Arbeitnehmer steigen, in weniger Zeit dasselbe zu leisten. Nicht zuletzt würde sich der schon derzeit dramatische Fach- bzw. Arbeitskräftemangel weiter verschärfen, sind ein paar der WK-Gegenargumente.

Übrigens: In einer Umfrage des Linzer market-Instituts für das Wirtschaftsmagazin „trend“ unter 588 Befragten wünschen sich 27 Prozent „auf jeden Fall“ und 24 Prozent „eher ja“ kürzere Arbeitszeiten. 

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