Trotz starker Unterstützung von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und einiger roter Altkanzler hat Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner bei der SPÖ-Mitgliederbefragung nur Platz drei erreicht. Fast 70 Prozent der Basis entschieden sich für einen ihrer Gegenkandidaten, eine empfindliche Schlappe für die 52-Jährige, die im Vorfeld zugesichert hatte, sich aus der Politik zurückzuziehen, sollte sie nicht auf Platz eins landen. Erste Rücktrittsaufforderungen werden bereits laut.
In einer schriftlichen Stellungnahme dankte Rendi-Wagner den Mitgliedern für die rege Teilnahme: „Jede Stimme, die abgegeben wurde, war wichtig - weil sie aus der Überzeugung heraus abgegeben wurde, die SPÖ wieder zu einen und stark zu machen.“ Auch wenn es ein sehr knappes Ergebnis sei, sei es aus ihrer Sicht „zu respektieren“.
Tritt Rendi-Wagner am Dienstag offiziell zurück?
Dienstagfrüh werde man zunächst gemeinsam im Präsidium und im Bundesparteivorstand die nächsten Schritte besprechen. Um 9.30 Uhr will Rendi-Wagner dann selbst vor die Presse treten. Gut möglich, dass sie da ihren Rücktritt verkünden wird
Kern-Sohn: „Wort halten und zurücktreten“
Unterdessen gibt es innerhalb der Genossen bereits erste Rücktrittsaufforderungen. „Jetzt heißt es Wort halten und zurücktreten, liebe Liesinger Partie“, schrieb etwa Niko Kern nach Bekanntgabe des Ergebnisses auf Twitter.
Der Sohn des Ex-Kanzlers Christian Kern sieht eine Kampfabstimmung zwischen Hans Peter Doskozil und Andreas Babler am Parteitag am 3. Juni als nächsten Schritt. Christian Kern hatte sich im Vorfeld bekanntlich auf Doskozils Seite geschlagen.
Unterstützung aus Wien nützte Rendi-Wagner wenig
Dass Rendi-Wagner nur auf Platz drei landete, bedeuetet auch eine persönliche Niederlage für Michael Ludwig. Der Wiener Bürgermeister sprach sich vor der Mitgliederbefragung mehrmals vehement für die Amtsinhaberin aus und holte auch sämtliche rote Altkanzler (außer Kern) mit ins Boot.
Nepp: „Der große Verlierer heißt Michael Ludwig“
Die FPÖ Wien stichelt bereits gegen Ludwig. „Der große Verlierer der SPÖ-Mitgliederbefragung heißt Ludwig. Der Wiener SPÖ-Bürgermeister hat monatelang mit massivem personellen und finanziellen Aufwand die Genossin Rendi-Wagner unterstützt. Leidtragende sind die Wiener, da die Arbeit für die Stadt aufgrund der parteiinternen Querelen seit Monaten stillsteht“, schrieb der blaue Landeschef Dominik Nepp. Für ihn sei Ludwig machtlos, kraftlos und zu geschwächt, um Wien weiterhin als Bürgermeister anzuführen. „Er sollte daher auch bald sein Amt los sein. Sein Rücktritt ist unausweichlich“, so Nepp.
SPÖ-Parteichefin Rendi-Wagner: Eine Ära voller Missverständnisse
Die Periode Rendi-Wagners an der Spitze der SPÖ dürfte als ein großes Missverständnis in die Parteigeschichte eingehen. Die Quereinsteigerin griff vor fünf Jahren zu, als niemand wollte, doch wurde die Partei mit der studierten Medizinerin nie so recht warm. Misserfolge bei Wahlen taten ihr Übriges, Rendi-Wagners Sessel ständig am Wackeln zu halten.
Kredit war früh verbraucht
Vor drei Jahren trat sie noch die Flucht nach vorne an und ließ sich von der Basis - damals ohne Gegenkandidaten - deutlich bestätigen. Doch tritt die SPÖ seither bestenfalls auf der Stelle. Man ist weder in der Regierung noch können Wahl-Erfolge bejubelt werden. Historischer Tiefstand bei der EU-Wahl, Debakel bei der Nationalratswahl mit anschließender Ansage, wonach die Richtung stimme, und zuletzt Enttäuschung um Enttäuschung bei Landtagswahlen. Da halfen bei den Mitgliedern weder Appelle an die Frauensolidarität noch Unterstützungsbekundungen des Partei-Establishments. Der Kredit Rendi-Wagners war verbraucht.
Doskozil schoss aus dem Burgenland in regelmäßigen Abständen quer, auch die Parteilinke wurde mit der Chefin nie so recht warm. Dass sie jetzt sowohl von Doskozil als auch vom linken Aushängeschild Babler hinter sich gelassen wurde, muss entsprechend bitter sein.
Rendi-Wagner: Freundlich, aber ohne klare Linie
Rendi-Wagner, die meist freundlich, aber ein wenig distanziert auftritt, schaffte es nie, überzeugend eine klare inhaltliche Linie zu repräsentieren. Die Parteivorsitzende referierte eisern typische gewerkschaftliche Positionen, ohne selbst ein Leitthema gefunden zu haben. Ihr Kurs war jener der Mitte und der scheint aktuell nirgendwo en vogue. Mit Wiener SPÖ und Gewerkschaftern im Rücken gelang es Rendi-Wagner bis heute, jeglichen Sturm zu überstehen. Doch scheint das Establishment nun für die Basis nicht mehr die entscheidende Stimmhilfe zu sein.
Sollte es zum angekündigten Rückzug kommen, steht wohl einer beruflichen Karriere in ihrem angestammten Bereich wenig entgegen. Kontakte von damals sollten wie Kompetenz ausreichend vorhanden sein.
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