„Thermometer falsch“

Des Klimaskeptikers neuer Sündenbock: Der Forscher

Wissenschaft
31.05.2023 14:36

In alten Zeiten glaubten die Menschen, dass mächtige Götter das Wetter machen. Die Anhänger der Verschwörungsmythen von heute haben andere Verantwortliche ausgemacht: Meteorologen und eine angebliche Verschwörung, die mithilfe der Angst vor der Erderwärmung die Menschheit unterjochen will. Auf Twitter und in anderen Online-Netzwerken wurde etwa Spaniens Wetterbehörde beschuldigt, eine Dürre herbeigeführt zu haben.

In Australien werden die staatlichen Meteorologen verdächtigt, die Thermometer falsch eingestellt zu haben. Und in Frankreich wird dem Wetterdienst vorgeworfen, die Messstationen nicht korrekt platziert zu haben und damit die Erderwärmung zu übertreiben.

„Teil des Establishments“ 
„Das Coronavirus ist kein Thema mehr. Verschwörungstheoretiker und Leugner, die früher darüber geredet haben, verbreiten jetzt falsche Informationen über den Klimawandel“, sagt der Kommunikationswissenschafter Alexandre López-Borrull von der Open University von Katalonien. „Wissenschaftliche Institutionen werden als Teil des Establishments gesehen, deshalb wird alles, was sie sagen, in sozialen Netzwerken angezweifelt.“ Und da Meteorologen Fakten lieferten, die die Behauptungen von Klimawandel-Leugnern widerlegen, versuchten Letztere, die Wetter-Experten zu diskreditieren.

Symbolbild (Bild: Copyright (C) Andrey Popov)
Symbolbild

Wüste Drohungen 
Spaniens staatliches Wetteramt (AEMET) ist kürzlich an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem seine Mitarbeiter in Twitter-Nachrichten, Anrufen und E-Mails bedroht wurden. Sie seien unter anderem als Mörder und Verbrecher beschimpft worden.

„Willst du, dass wir deine Kontaktinformationen und die deiner Familie veröffentlichen?“, lautete ein Tweet an einen AEMET-Angestellten. In Spanien herrscht gerade eine schwere Dürre und vor den Regional- und Lokalwahlen vergangenen Sonntag heizte die Stimmung sich weiter auf.

Mythos von den Kondensstreifen 
Die Urheber solcher Drohungen sind Leute, die an den Mythos glauben, dass die Kondensstreifen von Flugzeugen in Wirklichkeit von den Regierungen versprüht werden, um die Menschen zu vergiften oder Wetterkatastrophen herbeizuführen. Die Verschwörungstheoretiker berufen sich auch auf eine mysteriöse „Agenda 2030“, wonach die globalen Eliten sich zusammengetan haben, um die Menschen mithilfe von Coronavirus und Klimapolitik zu unterjochen.

AEMET-Sprecherin Estrella Gutierrez-Marco berichtet, nachdem die Wetterbehörde im April zur Entstehung von Kondensstreifen getwittert habe, sei sie verstärkt das Ziel beleidigender Botschaften geworden. Die Urheber richteten sich damit ausgerechnet gegen eine Institution, „die sich gerade um ihre Interessen kümmert; die für die Sicherheit der Menschen sorgen will“.

(Bild: APA/dpa/Frank Rumpenhorst)

Botschaften zielen auf Gefühle ab 
López-Borrull sieht eine deutliche Zunahme bei der Leugnung des Klimawandels vor allem bei Anhängern rechtsgerichteter Strömungen, die den Klimawandel als linkes Thema sehen und gegen Klimaschutz-Maßnahmen sind. „Die Leute misstrauen Politikern, Richtern und den Medien“, sagt der Kommunikationswissenschafter. „Sie fühlen sich entfremdet und so kommen sie dazu, auf Leute zu hören, denen sie früher nie zugehört haben, deren Botschaften direkt auf die Gefühle abzielen.“

„Wetterdienst übertreibt“ 
Nachdem es im März im Südwesten Frankreichs eine Serie von Hitzerekorden gegeben hatte, behauptete jemand auf Twitter, dass der staatliche Wetterdienst die Hitze übertreibe. Die Meteorologen gäben nur die Temperaturen in städtischen Gebieten weiter, dort sei es aber immer etwas wärmer als auf dem Land. Diese Anschuldigung wurde fast 140.000 Mal angesehen und breitete sich auch auf Facebook aus. Eine Frau schrieb: „Damit wollen sie doch nur erreichen, dass wir uns fürchten und schuldig fühlen.“

Ein weiterer Twitter-Nutzer warf dem niederländischen TV-Sender RTL Nieuws vor, die Hitzewelle in Spanien zu übertreiben. Als Beweis veröffentlichte er ein Bildschirmfoto, das gemäßigte Temperaturen für die Costa Blanca zeigte. Wie ein Faktencheck der Nachrichtenagentur AFP ergab, stammte dieser Messwert allerdings von einem kühlen Morgen - drei Tage nach der Hitzewelle.

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