Skandal um SPÖ-Vorsitz

Die rote Pannenshow: Neue Zahlen werfen Fragen auf

Politik
05.06.2023 21:28

Wer hat die Vorsitzwahl der SPÖ gewonnen? Laut Wahlleiterin Michaela Grubesa nicht wie am Wochenende verkündet Hans Peter Doskozil, sondern Andreas Babler. Doch das „neue“ Ergebnis besticht durch drei neue Auffälligkeiten. 

Michaela Grubesas Worte schlagen am Montagnachmittag ein wie ein Blitz. Zuerst in Österreich und dann rundum den Globus. Durch einen „Excel-Fehler“ seien die Namen der Kandidaten vertauscht und die Stimmen dementsprechend falsch zugeordnet worden, erklärt die Wahlleiterin der SPÖ vor Journalisten mit belegter Stimme. Die Konsequenz: Hans Peter Doskozil hat die österreichische Sozialdemokratie ganze 48 Stunden angeführt. Andreas Babler soll gewonnen haben.

Die SPÖ will noch einmal die Köpfe zusammenstecken. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Die SPÖ will noch einmal die Köpfe zusammenstecken.

Grubesas Worten zufolge hat der Traiskirchner Bürgermeister 318 Stimmen erhalten, der burgenländische Landeshauptmann dagegen nur 280. Die Stimmen hat sie offenbar auf eigene Faust neu ausgezählt. Doch warum wurde das Ergebnis von ihr überhaupt noch einmal überprüft? Dem „ORF“-Journalist Martin Thür war aufgefallen, dass beim offiziellen Ergebnis am Sonderparteitag am Samstag eine Stimme fehlte.

Neue Zahlen, neue Fragen
Dieses „verlorene“ Votum sei auch gefunden und für ungültig erklärt worden, berichtete Grubesa. Statt vier gebe es nun fünf ungültige Stimmen. Doch wer die Ergebnisse vom Wochenende und von Montag vergleicht, dem dürften drei Umstände schnell ins Auge stechen:

Drei Auffälligkeiten

  • Erstens: Durch die „neue“ ungültige Stimme hat sich deren Zahl gegenüber dem Wahltag nicht geändert. Es waren immer fünf - nicht vier angegeben. Hier ist ein Versprecher Grubesas nicht ausgeschlossen.
  • Zweitens: Gewinner und Verlierer - wer auch immer das schlussendlich sein mag - haben plötzlich eine Stimme mehr.
  • Drittens: Prozentual ist eine Vollständigkeit noch immer nicht gegeben. Auf Doskozil entfallen laut den neuen SPÖ-Zahlen 46,51 Prozent, auf Babler 52,66. Ergibt: 99,17 Prozent. Hier wurden die fünf ungültigen Stimmen nicht herausgerechnet, wodurch das Ergebnis verfälscht wird.

Selbst bei der Verkündung der wohl größten internen Wahlpanne in der Geschichte der SPÖ, kommen neue Unregelmäßigkeiten ans Licht. Babler verkündete dementsprechend kurz nach Bekanntwerden des grotesken Vorgangs, dass er auf Nummer sicher gehen will. Der vermutliche Sieger lässt neu auszählen. Erst danach will der Hoffnungsträger des linken SPÖ-Lagers, sofern die Wahlkommission ihn bestätigt, sein Amt als Parteichef antreten. Die österreichische Sozialdemokratie befindet sich urplötzlich in einem führungslosen Vakuum. Am Dienstag will der 19-köpfige Ausschuss, der für das Schlamassel verantwortlich ist, die Abstimmung überprüfen und neu auszählen. 

In Plastiksäcken von Linz in die Parteizentrale?
Für Kritik sorgte zudem der Umstand, dass die Stimmen offenbar am Wochenende unverplombt in Plastiksäcken von Linz in die Wiener Löwelstraße gebracht worden waren. Aus der SPÖ heißt es mittlerweile, dass die Wahlzettel auf einer Palette „eingeschweißt“ transportiert wurden. Ob auch der Wahlakt verschlossen war und ob dieser dann entsprechend überwacht wurde, ist nicht bekannt. Laut Grubesa seien am Sonntag keine Mitarbeiter in der Parteizentrale gewesen. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus. 

Sollte Babler bestätigt werden, wird der neue Parteichef die Gremien einberufen lassen, bei denen auch das künftige Spitzenpersonal in Parteizentrale und Klub bestimmt werden soll. Dies war ursprünglich für Mittwoch geplant, könnte sich aber nun bis hinein in die kommende Woche verzögern.

SPÖ am „Tiefpunkt“ - oder geht da noch mehr?
Grubesa hatte auch erklärt, dass sie die Delegierten-Stimmen am Nachmittag nachgezählt habe. Doskozil hatte aber schon davor Termine überraschend abgesagt, weil er am Vormittag von Ungereimtheiten erfahren habe. Babler wurde wiederum erst kurz vor 15 Uhr von der Kommissionsleiterin informiert, nun doch Sieger zu sein. Schockiert erklärte er: „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparate in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen.“

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser nahm stellvertretend für die Partei in der „ZIB 2“ zum Chaos Stellung. Auch er könne sich nicht erklären, wo die zwei zusätzlichen Stimmen herkommen würden. Eine „Sonderkommission“ dem Überprüfungsprozess hinzuzufügen, sei eine Option. Der 64-Jährige schließe nun „gar nichts mehr aus“. Selbst eine Wiederholung des Parteitags sei nach Kaisers Meinung möglich. 

Die Genossinnen und Genossen müssen sich wohl auf harte Zeiten einstellen, bereits jetzt werden sie mit Spott und Häme überzogen. Doskozil wie Babler sprechen im Einklang von einem „Tiefpunkt“ der österreichischen Sozialdemokratie. Politologen wundern sich, was bei einer einfachen Auszählung von rund 600 Stimmen alles schiefgehen kann, und politische Akteure aller Lager grübeln, welche Überraschungen die nächsten 48 Stunden bereithalten. 

Fest steht: In der Causa sind noch einige Fragen offen. 

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