„Eine Schande“. Die komplette Blamage der SPÖ könnte bei den beiden Regierungsparteien zu einem Umdenken und vorzeitigen Wahlen führen. Diese Einschätzung teilen mehrere Politikexperten im Gespräch mit der „Krone“.
„Wenn ich in der ÖVP-Zentrale wäre, würde ich jetzt eine Diskussion über eine vorgezogene Nationalratswahl im Herbst 2023 anstoßen“, so Politikwissenschafter Anton Pelinka. Politikberater Thomas Hofer sieht mit Andreas Babler als SPÖ-Chef eine bessere Ausgangslage für ÖVP und FPÖ.
Andreas Babler bietet mehr Angriffsfläche
Mit seinen Aussagen zur EU und zum Marxismus „bietet Babler viel mehr Angriffsfläche“ als Hans Peter Doskozil. Das sieht auch der Politologe Peter Filzmaier so: „Die Strategiefindung für die ÖVP und die FPÖ ist eine ganz einfache.“ Babler sei ein Linker – und die SPÖ unfähig, den eigenen Parteivorsitzenden unfallfrei zu wählen. „Das ist der Mega-GAU und ein absoluter Tiefpunkt für die SPÖ. Mehr blamieren kann man sich nicht“, sagt Hofer.
Das ist der Mega-GAU und ein absoluter Tiefpunkt für die SPÖ. Mehr blamieren kann man sich nicht. Für ÖVP und FPÖ ist die Ausgangslage nun besser.
Politikberater Thomas Hofer
Bild: Neumayr Fotografie - Christian L
SPÖ keine „staatstragende Partei“ mehr?
Pelinka spricht gar von einer „Schande“. Alle Experten sind sich darin einig, dass sich die Sozialdemokratie mit diesem Debakel als „staatstragende Partei“ disqualifiziert habe. „Jede Klassensprecherwahl ist besser organisiert“, erinnert Filzmaier an ein Zitat von Babler selbst.
Das ist eine Schade für die SPÖ. Wenn ich in der ÖVP-Zentrale wäre, würde ich jetzt eine Diskussion über eine vorgezogene Nationalratswahl im Herbst 2023 anstoßen.
Politikwissenschafter Anton Pelinka
Bild: APA/HANS PUNZ
„Das ist unglaublich und macht einen sprachlos. Es stellt sich schon die Frage, wie eine Partei, die eine Mitgliederbefragung und eine Obmannwahl nicht ordnungsgemäß organisieren kann, Verantwortung in einem Staat übernehmen will“, zeigt sich die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle fassungslos.
Babler braucht mehr Zeit zur Etablierung im Bund
Sie kann sich ebenfalls „gut vorstellen, dass es nun in Richtung Neuwahlen gehen könnte“. Dafür gebe es einige Argumente: Babler braucht viel mehr Zeit als Doskozil, um sich auf Bundesebene zu etablieren, und er ist „unvorsichtig und macht Fehler“. Es werden sich sicher noch viele Videos finden, die ihn unter Druck bringen könnten, ist Stainer-Hämmerle überzeugt.
„Für die Partei ist er das viel größere Risiko als Doskozil.“ Das größte Problem für die SPÖ sehen die Experten aktuell jedoch im Vertrauensverlust, der durch diese Panne entstanden ist. „Es werden einige jetzt sicher auch das Ergebnis der Mitgliederbefragung anzweifeln“, gibt Filzmaier zu bedenken.
Doskozil hat nach Niederlage Größe gezeigt
„In der Partei herrscht ein Klima des Misstrauens. Doskozil hat mit dem Akzeptieren des Ergebnisses Größe gezeigt“, so Filzmaier. Dass der burgenländische Landeshauptmann seine Niederlage akzeptiert und das neue Ergebnis nicht angezweifelt hat, wertet auch Thomas Hofer als „einen richtigen ersten Schritt“.
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