„Es ist okay so“, sagt die neue Wahlleiterin der SPÖ, als würde es um eine Klassensprecherwahl gehen. Klaudia Frieben legte am Dienstag vor Journalisten einen denkwürdigen Auftritt hin, der symbolisch für eine Partei am Abgrund steht.
Wirklich etwas zu berichten hatte die Gewerkschafterin nicht. Andreas Babler sei bestätigt. In ihren Ausführungen wirkt sie allerdings unsicher und zeitweise unbeholfen. Klar, es kommt nicht alle Tage vor, dass die gesamte Republik auf einen blickt. Doch ihr in Teilen skurril anmutender Auftritt lässt Rückschlüsse auf die Zustände in der SPÖ zu.
Auf die Frage, warum am Parteitag das Ergebnis nicht überprüft worden sei, antwortet Frieben salopp: „Es hat nie Zweifel am Ergebnis“ gegeben. Das hätte sich nun auch bestätigt. Dabei klammert sie aber aus, dass in Linz nicht nur die Namen vertauscht, sondern auch andere Zahlen präsentiert wurden. Später erinnert sie sich an die zwei „neuen“ Stimmen. Ihre Erklärung: „Die waren immer da.“ Aha.
Die bereits dritte (!) Wahlleiterin dieses irren Prozesses hält fest: Die Wahlkommission hätte „jetzt wirklich“ mehrere Stunden getagt, um alle Zweifel auszuräumen. Was ist davor passiert? Frieben sieht den Fehler ähnlich wie ihre Vorgängerin in einem „Übertragungsfehler“ der Teilergebnisse ins Tabellenkalkulationsprogramm Excel - auch wenn dieser „fatal“ gewesen sei. Sie ergänzt: „Es ist ganz einfach so.“ Mittlerweile ist bekannt, dass die Partei eine Formel eines vergangenen Parteitages verwendet hatte. Das hatte zur Folge, dass das Dokument die Differenz zum Gesamtergebnis ausspuckte. Die Konsequenz: Wer mehr Stimmen erhielt, hatte eine kleinere Differenz zu allen abgegeben Stimmen. So wurde alles auf den Kopf gestellt.
Alles geht, nichts funktioniert
Durch die Ausführung des SPÖ-Mitglieds wird klar, dass in der 19-köpfigen Wahlkommission wohl niemand die Teilergebnisse der elf Wahlurnen, wo Babler mehrheitlich vorne lag, mitnotierte. Dem Vernehmen nach sei Bablers Stärke auch mehreren Mitgliedern aufgefallen. Dennoch hätte der Ausschuss Grubesa die Falschmeldung verbreiten lassen und alle seien anschließend nach Hause gefahren. Gemeldet hatte sich offenbar niemand. Zweifel hätte es ja nie gegeben. Verantwortung? Ein Fremdwort.
Darum stellt sich folgende Frage: Hatte etwa nur die Person, die die Excel-Tabelle betreute, einen Gesamtüberblick, will ein Journalist wissen, der Frieben „nicht quälen“ möchte. Ihre Antwort: „Jo!“
Dieser groteske Fakt sei nicht zu beschönigen, sondern zu entschuldigen. Von der Siegerverwechslung hätte der Ausschuss „zeitgerecht“ erfahren. Übersetzt heißt das: am Montagnachmittag von Grubesa im TV.
Wirre Aussagen und verzweifelte Blicke
Was sich genau am Montag in der Löwelstraße zugetragen hat und wer die Stimmzettel zuerst in wessen Auftrag nachgezählt hat, lässt sich nur schwer aus Friebens Antwort herausdestillieren: „Na ja, die Mitglieder selbst, ich muss ja sagen, die Mitarbeiterinnen selbst, ich glaub schon, dass das in Ordnung ist, wenn die Mitarbeiterinnen, hier ich, weil eben auch das veröffentlicht worden ist, dass das Ergebnis offensichtlich nicht stimmen kann, vielleicht auch nachgezählt haben. Aber natürlich sofort, sofort, die Frau Grubesa informiert haben.“ Und wieder: Aha.
Die Mitarbeiter haben also eigeninitiativ gehandelt? Frieben bläst die Backen auf, pustet aus und sagt: „Sie haben von sich aus pro… ja“, und blickt fragend zur Seite, als würde da jemand stehen, der Verantwortung für das Schlamassel übernehmen möchte.
Würde die Wahlkommission geschlossen zurücktreten, hätte die SPÖ keine gewählte Wahlkommission mehr.
Klaudia Frieben
Bild: APA/HELMUT FOHRINGER
Und da ist es schon wieder, dieses Wort: Verantwortung. Frieben ist ein Opfer einer SPÖ, die sich seit Jahren intern abmontiert. Hier wurde jemand vorgeschickt, weil sich sonst niemand mehr getraut hat. Die Szenen erinnern an ein Elfmeterschießen nach anstrengenden 120 Minuten, wo der Zuseher schon vorab weiß, dass der nächste Ball einfach nicht reingehen wird.
SPÖ: Die Partei der Verantwortungslosen
Aber wer hätte schießen sollen? Hans Peter Doskozil hat sich bereits wieder ins Burgenland verabschiedet und will mit der Bundespolitik nichts mehr zu tun haben. Andreas Babler wollte erst Verantwortung übernehmen, wenn er auch fix gewählt ist und der bisherige Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch betrachtete seinen Job mit seiner Eröffnungsrede am Sonderparteitag in Linz als erledigt an. Ein Lehrbeispiel eines Verantwortungsvakuums. Am Ende muss jemand wie Frieben für den Dilettantismus einer Partei herhalten.
Die Folge: Ihre wackeligen Ausführungen legitimieren den neuen SPÖ-Chef Babler keineswegs. Ihm wird der Schwung, den er sich in den vergangenen Wochen zweifelsohne aufgebaut hat, genommen. Darum kündigte er auch umgehend an, sich im Herbst auf einem Parteitag bestätigen lassen zu wollen.
Organversagen einer Partei
In den vergangenen Tagen wurde die Nation Zeuge eines multiplen Organversagens einer traditionsreichen Volkspartei. Frieben fasste es am Schluss ganz gut zusammen: „Würde die Wahlkommission geschlossen zurücktreten, hätte die SPÖ keine gewählte Wahlkommission mehr.“ Und die würde es ja noch brauchen.
Der Ausschuss wolle den Prozess nun „transparent“ machen. Babler will die Partei gar „mit Demokratie durchfluten“. Der SPÖ-Chef von Grubesas und Friebens Gnaden kündigte an, bis Herbst jeden Bezirk in Österreich besuchen zu wollen. Vielleicht findet er auf dem Weg Spenderorgane für einen Parteiapparat, der in Trümmern liegt.
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