Der Steirer Josef Muchitsch, 56, wird am Dienstag zum Chef der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschaften (FSG) gewählt. Er wird dadurch zu einem noch mächtigeren Player. In seiner Partei SPÖ und generell im innenpolitischen Bereich.
„Krone“: Sind die Turbulenzen in der SPÖ überwunden?
Josef Muchitsch: Es ist gelungen, innerhalb von wenigen Tagen von einem Sturm in ruhige Gewässer zu kommen. Das hätten uns viele nicht zugetraut. Andi Babler hat es geschafft, in wenigen Tagen mit wenig Schlaf und vielen Telefonaten ein Personalpaket zu schnüren, das ein guter Kompromiss ist.
Hätten Sie erwartet, dass durch Babler eine Dynamik entstehen kann?
Dass er begeistern kann, war uns allen bewusst. Schlimm war die Situation für beide Kandidaten. Hans Peter Doskozil war Erster, dann kam die Schubumkehr. Aber Hut ab vor beiden, wie sie sich verhalten haben. Und jetzt geht es vorwärts. Der Anspruch zur Nummer 1 muss jetzt erst recht gelten. Wir haben schon gelernt: Das öffentliche gegenseitige Anpatzen schadet uns nur in der Bevölkerung. Ab sofort müssen und werden Themen intern behandelt werden.
Mit einer 32-Stunden-Woche oder Vermögenssteuern werden Sie die ÖVP nicht locken können?
Wenn man die Praxis kennt, dann ist das ja nicht aufzuhalten. Es gibt Kollektivverträge mit 37, 38,5 Stunden. Das ist jetzt schon mit Arbeitgebern vereinbart. In der IT-Branche gibt es zum Beispiel über Betriebsvereinbarungen bereits eine 30-Stunden-Woche. Wir haben Tischlereien, die auf 35 Stunden verkürzen. Letztlich wird der Gesetzgeber nachziehen. Die SPÖ wird hier bei Koalitionsverhandlungen darauf pochen.
32 Stunden sind aber nicht überall möglich. Etwa Gesundheit …
Hier muss man Rahmenbedingungen schaffen. Die Leute sind so ausgebrannt, dass sie die Branchen verlassen. Hier muss man attraktivieren. Mehr Gehalt und mehr Personal. Mehr tun auch für pflegende Angehörige. Der Pflegebonus bringt drei Euro pro Tag ab Pflegestufe 4. Das ist lächerlich. Außerdem gehören Pflegeberufe in die Schwerarbeiterregelung. Das tut die Regierung nicht, offenbar sind ihnen diese Berufe nicht wichtig genug.
Wir haben unzählige Anträge zu Beratung, Betreuung und Arbeitsbedingungen eingebracht. Wenn die SPÖ etwas vorschlägt, dann gilt das bei den Regierungsparteien nichts. Dabei gäbe es ohne SPÖ in diesem Land kein Pflegegeld, keine Pflegekarenz und den Pflegefonds.
Die ÖVP wirft der SPÖ Blockade vor bei Klimagesetzen …
Wir haben 31 Anträge zur Teuerung eingebracht. Alle abgelehnt. Das Mindeste wäre eine Mietpreisbremse. Nächste Mieterhöhungen stehen an. Und dann herzugehen, uns ein Papier hinzuwerfen mit ,Friss oder stirb´ und verbunden mit Belastungen für die Endverbraucher, dann ist das keine Politik, die man mit uns machen kann. Für vernünftige Gespräche stehen wir weiterhin zur Verfügung.
Braucht es Eingriffe in die Preise?
Natürlich. Es wird ja nichts billiger! Es tut weh als Sozialpartner, dass die Regierung nicht gegen die Teuerung eingegriffen hat. Das wird für die Lohnverhandlungen wieder eine große Herausforderung. Wir sind Europameister mit größter Teuerung. Weil die Regierung nicht eingreift, wird das befeuert. Sogar Experten, die uns nicht nahestehen, fordern Eingriffe wie die Mietpreisbremse. Die Regierung gibt nur Einmalzahlungen, die verpuffen. Die Regierung könnte sagen, wir haben uns verschätzt, aber jetzt korrigieren wir das. Dazu bräuchte man aber Mut. Als Politikberater würde ich ihnen dazu raten.
Sind wir schon mitten im Wahlkampf?
Die Regierung ist bei wichtigen Themen gescheitert. Sie sollten es lassen. Neuwahlen im Frühjahr wären gut. Sie kriegen ja nichts weiter. Weder bei Teuerung, Kinderarmut noch sonst wo. Beim Anker kostet ein Weckerl 3,47 Euro. Für Kinder gibt es zwei Euro täglich. Das würde mit uns nicht gehen. Und dann die Schwächung des Gesundheitssystems. Man hat den Beschäftigten ihr Sozialversicherungssystem gestohlen. Das Gesundheitssystem ist scheibchenweise privatisiert worden. Je länger man wartet mit der Sanierung Österreichs, desto schwieriger wird sie dann.
Thema Mindestlohn: Doskozil will ihn gesetzlich verankern…..
Dort, wo öffentliche Arbeitgeber bereit sind, die 2000 Euro netto zu zahlen, ist alles gut. Überall anders sonst ist das Thema der Sozialpartner. Wenn ich nur vom Gesetzgeber abhängig bin, dann gibt es keine oder nur geringe Erhöhungen. Das zeigt die Erfahrung. Egal, welche Regierung das ist, die Menschen dürfen nicht davon abhängig sein. Es gibt keine bessere Medizin für einen sozialen Frieden als die Sozialpartnerschaft.
Immer wenn die SPÖ am Boden liegt, steht sie stärker wieder auf. Der Anspruch muss jetzt erst recht die Nummer 1 sein.
Josef Muchitsch, Gewerkschaftsboss
Koalitionen: Ampel oder Rot-Schwarz?
Wenn Schwarz wieder Schwarz wäre, aber die rudern noch im türkisen Schatten herum, wenn man sieht, was sich seit 2017 getan hat. Wo Kurz mit gefälschten Meinungsumfragen den ÖVP-Obmann abmontiert hat und dann den Sozialstaat ins Visier genommen hat, dann sind hier viele Scherben zerbrochen. Um das zu kitten, braucht es eine völlig neue ÖVP.
Und die SPÖ?
Wir müssen so stark werden, dass man an einer Koalition mit der SPÖ nicht vorbeikommt. Wir dürfen uns auch nicht mehr bei Verhandlungen über den Tisch ziehen lassen. Wir dürfen nicht mehr so einfach die Hosen runterlassen, wie das früher passiert ist. Die SPÖ darf man nie abschreiben. 2006 mit der BAWAG war die schlimmste Zeit, wo wir uns intern zerfleddert haben. Und siehe da, vier Monate später haben wir die Wahl gewonnen. Wenn die Sozialdemokratie am Boden liegt, dann können wir schnell wieder auf den Beinen sein. Die Synergien zwischen SPÖ und roter Gewerkschaft braucht es aber dazu.
Als FSG-Boss sind Sie der mächtigste Einzelgewerkschafter. Wie legen Sie ihr Amt an?
Es ist eine große Herausforderung, vor allem im Bereich Kommunikation. Wir wollen mehr rote Gewerkschafter haben. Nach außen hin werde ich laut und deutlich auftreten, um unsere Ziele durchzusetzen.
Viele sagen, warum soll nicht einmal ein Typ Gewerkschafter wie Sie oder Wolfgang Katzian die SPÖ leiten. Die reden Klartext und sind definitiv für die „kleinen Leute“ da ...
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich bin jedenfalls mit Leib und Seele Gewerkschafter. Und dieser nächste Schritt ist ein großer in meiner Karriere. Ich bin seit 40 Jahren bei der Gewerkschaft. Als Maurerlehrling habe ich begonnen.
Ich mauere übrigens noch immer. Verwandtschaftshilfe. Ich habe zuletzt daheim im Garten gepflastert. Eine gewisse Zeit kann ich mit den Jungen noch mithalten. Handwerk ist der schönste Beruf. Da bleibt etwas Sichtbares. Außerdem wird mittlerweile auch besser bezahlt. Wenn du anfängst im Maurergewerbe, hast du mindestens 2450 Euro Einstiegslohn und 6 Wochen Urlaub nach 20 Arbeitsjahren. Das schafft keine Regierung. Das schafft nur die Sozialpartnerschaft.
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