Antrittsinterview

„Motor Doskozil“: So will SPÖ näher an Menschen

Politik
03.07.2023 06:00

Der Klagenfurter Philip Kucher ist neuer Klubobmann der SPÖ unter Andreas Babler. Der 41-Jährige spricht im „Krone“-Interview über den bizarren Kampf um die SP-Spitze, über Doskozil, Entfremdung von Menschen, die ÖVP und Koalitionsbedingungen.

„Krone“: Die SPÖ war bis vor kurzem zerrissen, Sie sollen Gräben schließen. Wie soll das gehen? 
Philip Kucher: Das Vertrauen untereinander ist da. Die Zeit der Selbstbeschäftigung ist vorbei. Jetzt sind wir wieder für die Menschen da, die eine starke SPÖ dringend brauchen würden. Es sind so viele, die sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können. Andi Babler wird im Sommer viel unterwegs bei den Menschen sein. Und ich bin froh, dass ich mit so einem starken Team - auch wenn das jetzt pathetisch klingt, ist es so - Seite an Seite kämpfen darf. Gemeinsam mit Evi (Holzleitner) und Julia (Herr) und eben dem Andi. Es ist viel Feuer und Begeisterung da. Wir sind ein Team im besten Sinn des Wortes.

Philip Kucher hat mit der kriselnden SPÖ alle Hände voll zu tun. (Bild: Zwefo)
Philip Kucher hat mit der kriselnden SPÖ alle Hände voll zu tun.

Was ist mit Leuten aus den Bundesländern wie David Egger, sind die alle mit dabei? Da gab es ja durchaus harte Differenzen. Es kann ja nicht sein, dass alle plötzlich sagen: ‘Wir waren für Doskozil, aber jetzt sind wir für Babler und haben uns alle lieb?‘ 
Wenn es eine Lehre gibt, dann die, dass wir zu viel übereinander geredet haben statt miteinander. Als ich neu ins Parlament gekommen bin, war mir klar: Politik darf nicht weg von den Menschen sein. Es geht darum, ob man von der Arbeit leben kann, ob es eine Zweiklassenmedizin gibt. Das muss im Vordergrund stehen. Das tut es jetzt.

War das in den letzten Jahren nicht so? Man hatte den Eindruck, die SPÖ hätte den Draht zu den Menschen verloren…. 
Wir haben das im Rückspiegel reflektiert und hinter uns gelassen. 

Hans Peter Doskozil (re.) besuchte David Egger (li.) in Salzburg (Bild: Tröster Andreas)
Hans Peter Doskozil (re.) besuchte David Egger (li.) in Salzburg

Wird Doskozil auch mitmachen? Er hat verbittert gewirkt…. 
Hans-Peter ist ein Motor in unserer Partei und im Burgenland voller Tatendrang. Ich schätze ihn sehr und habe mit ihm telefoniert, bevor ich Klubobmann wurde. Wir werden uns im Sommer auch treffen. Was mich beeindruckt hat, ist der Umgang mit der Situation. Mit welcher Größe er diese Entscheidung getragen hat.

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Hans-Peter ist im Burgenland voller Tatendrang. Ich schätze ihn sehr.

Philip Kucher

Sie waren im Doskozil-Lager. Da freut man sich über den Sieg, und einen Tag später ist alles anders. Wie war das für Sie? 
Für uns alle war generell klar: Egal, wie es ausgeht, am Ende geht es darum, dass wir wieder zu einer starken Stimme für die Vielen werden, die unter dieser Regierung und ihrem Versagen etwa im Kampf gegen die Teuerung leiden. 

Werden Sie diese Stimmen auch bekommen? 
Klar ist, wir müssen Vertrauen zurückgewinnen. Wieder auf Leute zugehen, sie alle in den Mittelpunkt rücken. Respekt vor jenen, die das Land am Laufen halten. Um die geht es - nicht um all jene, die es sich eh selbst richten können. Es geht uns nicht um die ÖVP-Freunde wie Benko, die sind bei der ÖVP bestens aufgehoben. Für uns ist es eine Frage des Respekts, dass man von seiner Arbeit gut leben können muss. Wir werden das deutlicher machen und für diese Leute da sein. 

von links: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und SPÖ-Chef Andreas Babler (Bild: APA/FLORIAN WIESER)
von links: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und SPÖ-Chef Andreas Babler

Zwischen Benko und den Armen gibt es ja noch etwas dazwischen. Babler gilt als volksnah, war auch im Wahlkampf viel unterwegs, geht auf Menschen zu. Ist das etwas, das in den letzten Jahren unter Rendi-Wagner gefehlt hat? Hat man sich von den Menschen entfernt? 
Ich will nicht rückwirkend bewerten. Wir müssen einfach wieder näher dran sein, näher an die Menschen ran. Mir ist es etwa ungemein wichtig, Hausbesuche zu machen. Menschen zu besuchen, die mir von ihren Sorgen erzählen. Ich will nicht nur über anonyme Zahlen reden. Zahlen sind für uns Gesichter, Personen und Biografien. Um diese zu kennen, braucht es das persönliche Gespräch.

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Es geht uns nicht um die ÖVP-Freunde wie Benko, die sind bei der ÖVP bestens aufgehoben.

Philip Kucher

Babler hat konkrete Forderungen formuliert: 32-Stunden-Woche, Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer. Die ÖVP wird da nicht mitmachen…. 
Die ÖVP ist eine Partei, die Eltern einerseits ausrichtet, dass sie um zwei Euro pro Tag ihren Kindern ja sechs Äpfel zur Jause kaufen können, aber den Konzernen und Großspendern das Geld nachwirft. Das ist nicht unser Menschenbild. Wir als SPÖ stehen für etwas anderes. Möglicherweise haben wir uns manchmal zu sehr über andere Parteien definiert. Das muss vorbei sein.

Babler hat bei Klima und Umweltschutz mehr Interesse gezeigt als zuletzt die SPÖ. 
Klimaschutz ist auch eine soziale Frage. Doch bei der Regierung geht weder beim Klima noch bei Teuerung etwas weiter. In Deutschland sind die Lebensmittel viel billiger. Bei uns bekommt die Regierung die Inflation gar nicht in den Griff. Auch beim Klimaschutz musst du die Menschen mitnehmen. Du kannst einer Verkäuferin, die täglich 25 Kilometer mit ihrem alten Auto zur Arbeit fährt, nicht sagen, sie soll bitte mit ihrem Tesla fahren. Würde sie eh, wenn sie sich einen leisten könnte. Da braucht die Politik echte Lösungen.

Philip Kucher (Bild: SPÖ-Parlamentsklub/Mandl)
Philip Kucher
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Klimaschutz ist auch eine soziale Frage.

Kucher

Die SPÖ blockierte zuletzt wichtige Klimagesetze…. 
Wir wollten den Druck auf die Regierung erhöhen, weil die Regierung bei Teuerung versagt hat. Aber die Regierung hat offenkundig die Arbeit eingestellt. Es liegt bei uns nichts am Tisch, weil sich die Regierungsparteien selbst nicht einig sind. Diese Woche ist Nationalrat. Da muss noch etwas gehen. Es kann nicht sein, dass sich die Regierung in die Sommerpause verabschiedet, während sich die Leute das Leben nicht mehr leisten können. Ein Viertel aller Menschen hat Probleme, sich das Wohnen zu leisten. Wir fordern in der nächsten Sitzung eine Mietpreisbremse und eine Anti-Teuerungs-Kommission. Auch die Übergewinne der Konzerne gehören endlich vernünftig abgeschöpft. Unsere Hand ist ausgestreckt, wir sind gesprächsbereit, aber dafür muss die Regierung erst einmal munter werden.

Der Boden ist bei den Themen aufbereitet für die Sozialdemokratie für die nächsten Wahlen… 
Wenn man endlich wieder spürt, dass wir glaubhaft für die Anliegen der 90 Prozent kämpfen, dann haben wir gute Chancen. 

Die SPÖ will eine Ampel - wie realistisch ist das? Die Neos werden eher nicht bei einer Arbeitszeitverkürzung und Millionärssteuer mitmachen…. 
Wenn für die Neos Leistung mehr ist als nur ein flotter Plakatspruch, dann werden sie auch den nötigen Respekt vor der breiten Masse haben müssen und sich bewegen. Es ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit. 

Wenn die formulierten Forderungen nicht umsetzbar sind, verzichtet die SPÖ aufs Regieren? 
Wir haben unsere zentralen Anliegen auf den Tisch gelegt. Steuern auf Arbeit runter, Steuern auf Vermögen rauf. Das wird ja wohl möglich sein.

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Steuern auf Arbeit runter, Steuern auf Vermögen rauf. Das wird ja wohl möglich sein.

Wie ist das Verhältnis zur ÖVP? 
Wenn sie weiterhin Freunderlwirtschaft und Klientelpolitik betreibt, dann geht das mit uns nicht. 

Gewerkschaftsboss Josef Muchitsch sagt, es braucht eine neue ÖVP. Die derzeitige rudere noch zu sehr im türkisen Fahrwasser. Hat er recht? 
Ja, so kann man es formulieren. Wenngleich türkises Wasser ja auch schön sein kann - etwa beim Wörthersee (lacht).

Josef Muchitsch (Bild: Helmut Fohringer/APA/picturedesk.com)
Josef Muchitsch

Die FPÖ? 
Lächerlich, wenn sie sich als Partei des kleinen Mannes bezeichnen. Ich erinnere an die Spesenaffäre und Geldkoffer von HC Strache und an die Aussage der Frau Hartinger-Klein (ehemalige Sozialministerin, Anm.), dass man von 150 Euro im Monat gut leben kann. Kickl ist daneben gesessen. Dann die Patientenmilliarde, die letztlich viel mehr gekostet hat.

Aber die FPÖ hat viele SPÖ-Wähler abgeworben…. 
Es geht jetzt darum, diese zurückzuholen.

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Es ist lächerlich, wenn sich die FPÖ als Partei des kleinen Mannes bezeichnet.

Kucher

Die Kommunisten haben zuletzt überraschende Erfolge gefeiert - soll sich die SPÖ auf die linken Spektren konzentrieren? 
Es geht nicht um links oder rechts, sondern um Glaubwürdigkeit. Die Menschen spüren, ob du kämpfst und authentisch darin bist. Ich will klar sagen, was Sache ist und für wen wir eintreten. Das müssen wir in Zukunft stärker machen. Denn die Regierung lässt die Leute im Stich. Es geht auch um Empathie. Wenn wie bei Kika/Leiner 1300 Menschen auf der Straße stehen, dann kann man nicht achselzuckend wegschauen. Wir tun das als Sozialdemokraten eben nicht. Wir haben vom ersten Tag an gesagt: So geht man nicht mit Menschen um.

Braucht es Neuwahlen? 
Ich sage nur: Rekordinflation. Es wäre im Sinne der Österreicher, wenn es bald eine Veränderung gibt. Diese Regierung bringt nichts weiter.

Wie ist der neue Job bisher für Sie?
Gefühlt sieben Tage in der Woche reichen nicht. Ich war überrascht, wie viele Kollegen und Kolleginnen - auch von anderen Parteien - mir gratuliert haben. Nicht nur deshalb versuche ich auch, mit allen respektvoll umzugehen. Schön war, als ich daheim in Klagenfurt Zuspruch von so vielen Menschen erhalten habe. Mir ist wichtig, dass man weiß, wo man herkommt. Das gibt mir viel Kraft und Begeisterung. Und das wird es auch brauchen.

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