Weil er die Regierung unter Aleksandar Vučić kritisierte, musste Marko Vidojkovic aus seiner Heimat Serbien fliehen. Nun ist er auf der Durchreise in der Steiermark, wo die „Krone“ ihn traf.
Warum mussten Sie Serbien verlassen?
Seit Präsident Aleksandar Vučić 2012 ins Amt kam, habe ich ihn und sein politisches System in meinen Kolumnen, Büchern und einem Podcast immer wieder kritisiert. Ich habe früh geahnt, dass er kein Demokrat ist, sondern in Richtung Autokratie tendiert. Leider hatte ich recht. Weil ich meine Kritik so offen geäußert habe, wurde ich zum Hassobjekt der Medien, die Vučić kontrolliert. Lange Zeit habe ich das ausgehalten, aber ab 2021 wurde es untragbar. Ich bekam täglich bis zu 30 Morddrohungen, mir und meiner Frau wurde vor dem Haus aufgelauert. Ich habe zwei Jahre die Wohnung kaum noch verlassen. Der Schriftstellerverband PEN hat uns dann heuer im Frühjahr ermöglicht, das Land zu verlassen.
Sie sind in Graz nur auf Durchreise, Ihr Aufenthaltsort ist geheim – warum?
Weil die Bedrohung auch im Ausland nicht aufgehört hat. Seit März sind wir bereits viermal umgezogen, die Angst ist unser ständiger Begleiter. Man will an mir ein Exempel statuieren. Ich bin ein Abschreckungsbeispiel für alle Andersdenkende in Serbien, dass sie besser ihren Mund halten sollen.
Sie wurden in Serbien jedoch nie angeklagt, oder?
Ich mache ja nichts Illegales, also gibt es keine Basis für eine Festnahme oder Anklage. Aber ich werde medial zur Zielscheibe gemacht. Gleichzeitig wird die Gewaltbereitschaft in den von Vučić kontrollierten Medien befördert. Anfang Mai gab es in Serbien zwei Amokläufe mit 17 Toten, das ist auch ein trauriges Resultat dieser Gewaltverherrlichung. Das hat auch mir Angst gemacht, weil das bedeutet, dass quasi jeder auf der Straße mein Henker sein könnte.
Sie schreiben aus dem Exil weiter Ihre Kolumne, machen weiter den Podcast – warum tun Sie sich das an?
Es gibt für mich keine andere Option – das ist eine Frage des Anstands. Es gibt in Serbien vielleicht noch 50 Menschen, die sich trauen, offen Kritik zu äußern und zu sagen, was sie sich denken. Wenn wir auch noch verstummen, wird es dunkel.
Seit März sind wir bereits viermal umgezogen, die Angst ist unser ständiger Begleiter.
Marko Vidojkovic
Regt sich kein Widerstand in der Bevölkerung, der Veränderung möglich machen würde?
Die Proteste, die es selten, aber doch gibt, machen Mut, aber sie werden nichts ändern. Auch die Opposition ist schwach und zerstritten. Außerdem haben viele Serben, die das System Vučić kritisch sehen, längst das Land verlassen. Wirkliche Veränderung kann nur von innerhalb des Systems kommen. Es braucht Menschen innerhalb der Regierungspartei, die einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.
Wie kann der Westen, die EU dabei helfen?
Ich glaube nicht, dass Sanktionen der EU gegen Serbien viel bringen würden und eher zu einem trotzigen Widerstand führen könnten. Aber ich glaube schon, dass es sehr wichtig wäre, dass Politiker aus EU-Ländern die Regierung in Belgrad immer wieder kritisieren. Immerhin ist Serbien EU-Beitrittskandidat. Aber meistens sprechen sie nur das Problem im Nordkosovo und die LGBT-Rechte an - beides wichtige Themen, aber wir haben in Serbien ein generelles Demokratie-Problem.
Ihr Kampf geht also weiter, was ist Ihre beste Waffe?
Der Humor. Humor ist der größte Feind der Autokraten. Wann haben Sie Vučić oder Putin das letzte Mal lachen sehen?
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