Österreichische Europaabgeordnete bemängeln zwar die Wortwahl des EU-Kommissionsvertreters Martin Selmayr, der die milliardenschweren österreichischen Gaszahlungen nach Russland als „Blutgeld“ kritisiert hatte, fordern aber einen Weg aus der Gas-Abhängigkeit. „Die Formulierung war überspitzt, sie war sicher nicht die diplomatisch feine Klinge, aber im Grunde hat er recht“, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Evelyn Regner (SPÖ), am Freitag in Wien.
Ähnlich auch der Erste Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas, von der ÖVP: „Die Wortwahl ist unpassend, das Thema ist wichtig“, sagte er. Die Wortwahl treffe in dieser zugespitzten Form nicht zu. Die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl habe aber nicht nur Österreich, sondern auch Europa erpressbar und angreifbar gemacht. Sie sei auch Teil der Teuerung.
Die Europäische Union und die Mitgliedsstaaten hätten daher alles zu tun, „diese Abhängigkeiten so rasch wie möglich zu reduzieren“. Diese Debatte, auch über die Ursachen der Abhängigkeit, müsse geführt werden. Es gebe keine Rückkehr zum Status quo vor dem Ukraine-Krieg. Man sei „viel zu naiv und viel zu wenig entschlossen“ nach der russischen Krim-Annexion gewesen, kritisierte Karas.
„Österreich hat bisher zu wenig gemacht“
„Das Ziel ist, möglichst schnell aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu kommen, hier hat Österreich bisher wirklich zu wenig gemacht“, sagte Regner. Die österreichische Bundesregierung sollte sich diesbezüglich die Maßnahmen Deutschlands und anderer Länder anschauen und vor allem die Kritik als Aufforderung nehmen, selbst tätig zu werden. Regner zeigte sich verwundert über die Aufregung über den Selmayr-Sager, welche sie als „Ausweichdiskussion bezeichnete“.
Die SPÖ-Politikerin weiter: „Das, worum es geht, ist es, aus der russischen Gas-Abhängigkeit herauszukommen.“ Regner erinnerte an die frühere schwarz-blaue Regierung, als die damalige Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte, „da war die Wahrnehmung eine ganz andere“.
Kogler hat es „auch schon so bezeichnet“
Die grüne Delegationsleiterin Monika Vana sagte am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien, gerade Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) habe einen klugen Weg gewählt, und in den ersten Monaten die Abhängigkeit von russischem Gas drastisch reduzieren können und gleichzeitig Energiesicherheit gewährleistet.
Zu Selmayrs „Blutgeld“-Aussagen verwies Vana auf eine Reaktion von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der gesagt hatte, er habe „das auch schon so bezeichnet“.
Selmayr-Vorladung für SPÖ „völlig übertrieben“
Dass Selmayr für seine Aussagen ins Außenministerium zitiert wird, bezeichnete der SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder am Freitag in einer Aussendung als „völlig übertrieben“. „Seit wann wird man in Österreich ins Außenamt zitiert, wenn man die Wahrheit sagt?“, fragte NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon. „Österreich schickt ja tatsächlich weiterhin Tag für Tag Unsummen nach Russland und finanziert so Putins grausamen Krieg mit. Die immer noch viel zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas ist ein Fakt, den man nicht schönreden kann.“
EU-Vertreter: Wortwahl „unpassend“
Nach seiner drastischen Kritik hatte sich die EU-Kommission von den „bedauerlichen und unangemessenen Aussagen“ Selmayrs distanziert. Die Kommission habe Selmayr aufgefordert, „unverzüglich in Brüssel über den Vorfall Bericht zu erstatten“, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme weiter. Der EU-Kommissionsvertreter war aufgrund seiner Aussagen zuvor ins österreichische Außenamt zitiert worden.
Die EU habe gemeinsam beschlossen, die Gasimporte aus Russland zu reduzieren, betonte ein Sprecher der Kommission am Freitag in Brüssel. Österreich habe sich dieser Initiative angeschlossen. Es gebe „kein Verbot für den Kauf von Gas“ aus Russland. Er bezeichnete den Tonfall Selmayrs als „unpassend“. Die Kommission stehe zu dem Thema auch in Austausch mit der österreichischen Regierung. Details zu diesem Austausch wollte der Sprecher keine nennen.
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