Immer mehr traditionelle Gasthäuser sperren zu. Tirols Landesregierung versucht mit einer Wirtshausförderung gegenzusteuern. Die Neos sehen das Modell gescheitert und sprechen sich für eine Bonus-Karte aus. Gastronomie-Sprecherin Anna Kurz spricht über den Ärger der Gäste wegen teurer Preise und den Druck auf Familienbetriebe.
Sie heißen Kirchenwirt, Alte Post oder Goldener Hirsch, Adler, Schwan. Früher waren sie Treffpunkt für Einheimische, heute können sie oft nur als Gourmet-Tempel für die Oberschicht und finanzkräftige Urlauber überleben. Das klassische Wirtshaus ist vom Aussterben bedroht. Das belegen Zahlen aus einer Studie der Universität Innsbruck. Demnach sind in Tirol allein zwischen 2012 und 2020 55 Betriebe verschwunden.
Pandemie, Teuerung, Mitarbeitermangel heizen die Entwicklung weiter an. Vor einem dramatischen Rückgang in den nächsten Jahren warnt Neos-Chef Dominik Oberhofer. „Die Mitte bricht weg, Wirtshäuser und andere kleine Lokale, die für die breite Bevölkerung sozialer Treffpunkt sind. Zurück bleiben Fastfood-Ketten und teure Gourmetrestaurants“, lautet dessen Prognose.
Bei zwei Besuchen in einem Wirtshaus und einem Konsum von 30 Euro bekommt man eine Gutschrift für einen dritten Besuch in der Höhe von 30 Euro.
Neos-Klubobmann Dominik Oberhofer
Bild: Birbaumer Christof
Auflagen seien das eigentliche Problem
Für den pinken Klubobmann ist die 2019 eingeführte Wirtshausförderung des Landes kläglich gescheitert: „Die Kampagne zur Förderung hat 150.000 Euro verschlungen, herausgekommen sind 17 Anträge, von denen nur acht mit einer Summe von insgesamt 90.000 Euro genehmigt wurden. Bei einem Zeitraum von vier Jahren ein Rohrkrepierer!“
Zu viele Auflagen und Kontrollen seien das eigentliche Problem, ist Oberhofer überzeugt. So sieht es auch Gastronomie-Sprecherin Anna Kurz (siehe Interview unten). „Auszumisten“ lautet die Forderung an die Landesregierung. Diese hat indessen die Wirtshausförderung neu aufgestellt.
Bonus-Card soll Tiroler ins Gasthaus locken
Eine etwas andere Form der Förderung schwebt Oberhofer – er sitzt als Vertreter der Neos auch in der Wirtschaftskammer – vor. Im ersten Moment denkt man an die umstrittene „Schnitzelprämie“ in Niederösterreich. Damit habe der Neos-Vorschlag aber wenig gemein, so Oberhofer. Sein Konzept: „Bei zwei Besuchen in einem Wirtshaus und einem Konsum von 30 Euro bekommt man eine Gutschrift für einen dritten Besuch in der Höhe von 30 Euro.“ 100.000 zusätzliche Gasthausbesuche könne das im Jahr bringen, ist er überzeugt. 3 Mio. € würde es kosten. Woher das Geld nehmen? „Nicht vom Steuerzahler, sondern jeweils zur Hälfte aus Wirtschaftskammer und Tourismusfonds – dort gibt es Kohle ohne Ende“, sagt Oberhofer.
Die Tiroler Wirtshauskultur ist das Aushängeschild der heimischen Gastronomie. Sie ist Zeichen dafür, dass traditionelle Werte in Tirol nicht nur gedacht, sondern aktiv gelebt werden.
Tourismuslandesrat Mario Gerber (ÖVP)
Bild: HMC Hammann
20.000 Euro als „Mutbonus“ für Junge, die einen Betrieb übernehmen
Acht Antragsteller haben seit Einführung der Wirtshausprämie des Landes im Jahr 2019 für die Übernahme von Betrieben eine Förderung erhalten. Rund 90.000 Euro wurden ausgeschüttet. Neos-Klubobmann Dominik Oberhofer nennt das Modell einen „Rohrkrepierer“. Dem hält Tourismus-LR Mario Gerber (ÖVP) entgegen, dass vom Land seit 2019 insgesamt 1,1 Millionen Euro an Förderungen für Wirtshausprojekte ausgeschüttet wurden. Insgesamt waren es 27 Projekte, wie Gerber vorrechnet. Die Unterstützung gliedere sich in die Förderung für Investitionen und in die Tiroler Wirtshausprämie.
Diese Prämie für die Übernahme eines Betriebes hat das Land heuer aufgestockt und auf jeweils 20.000 Euro verdoppelt. „Die Tiroler Wirtshauskultur ist das Aushängeschild der heimischen Gastronomie. Sie ist Zeichen dafür, dass traditionelle Werte in Tirol nicht nur gedacht, sondern aktiv gelebt werden. Wir setzen alles daran, diese Tradition zu erhalten“, meint der Tourismuslandesrat. Die Infokampagne „du fehlst“ war für Gerber ein Erfolg. Unter anderem seien mit Unterstützung zwölf Betriebe wiedereröffnet worden.
„Kaufen oft teurer ein als Konsumenten“
Gastronomie-Sprecherin Anna Kurz sprach mit der „Krone“ über den Druck in ihrer Branche und über den Ärger der Gäste über teure Speisen und Getränke. Sie stellt auch klare Forderungen.
„Krone“: Frau Kurz, Sie sind Obfrau der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer. Wie dramatisch ist die Situation der Tiroler Wirte?
Anna Kurz: Die Gastronomie - das sind nicht nur klassische Wirtshäuser - ist in Tirol kleinstrukturiert. Viele Familienbetriebe, denen nach der Pandemie die Teuerung zu schaffen macht. Dazu kommen der massive Mitarbeitermangel und bevorstehende Investitionen. Der Druck ist riesig.
Niemand nimmt Preisanpassungen leichtfertig vor, zumal viele Tiroler Wirte von Stammgästen leben. Aber die Kosten sind auf allen Seiten gestiegen.
Gastronomie-Sprecherin Anna Kurz
Viele reagieren mit höheren Preisen. Zum Teil sind diese saftig gestiegen. Verstehen Sie den Ärger der Gäste über teure Speisen und Getränke?
Natürlich verstehe ich das. Aber niemand nimmt Preisanpassungen leichtfertig vor, zumal viele Tiroler Wirte von Stammgästen leben. Aber die Kosten sind auf allen Seiten gestiegen. Ein Beispiel: Gastronomen kaufen oft sogar teurer ein als Konsumenten im Geschäft, weil sie nicht von den Aktionspreisen im Großhandel profitieren.
Helfen Gasthaus-Gutscheine und Wirteprämien?
Alles hilft, aber vieles nur kurzfristig. Was wir seit langer Zeit fordern, ist eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Erleichterung bei den unzähligen Vorschriften.
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