Ein versteckt aufgenommenes Handyvideo von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), in dem er unter anderem McDonald‘s-Burger als Mahlzeit für Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien empfiehlt, wirbelt weiter Staub auf. Die Kritik der politischen Konkurrenz, aber auch von ÖGB und Caritas häuft sich.
Allen voran rückte SPÖ-Chef Andreas Babler mit einer Rüge aus: „Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Bundeskanzler verdient, der die Menschen respektiert, statt sie zu verachten“, schrieb er auf Twitter.
Hergovich: „Eine Schande“
Bablers niederösterreichischer Parteikollege Sven Hergovich spricht von einer „letztklassigen Attacke“: „Als ehemaliger AMS-Landesgeschäftsführer möchte ich mich schützend vor die Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen, die großartige Arbeit leisten. Die Fehler und Stimmungsschwankungen der Politik sind nicht ihre Schuld. Sie müssen sie nur ausbaden und Fehler reparieren.“ Es sei „eine Schande, dass ein Bundeskanzler seine Position nicht dafür nützt, das Land zusammenzuhalten, sondern ganz bewusst auf jene losgeht, die weniger haben“.
Kickl: „Empathielos, menschenverachtend“
FPÖ-Chef Herbert Kickl bezeichnete Nehammer in einer Aussendung als „empathielos, menschenverachtend und abgehoben“: „Immer dann, wenn Nehammer glaubt, unter Seinesgleichen zu sein, bricht bei ihm diese Mentalität durch, die man aus der Führungsmannschaft der ÖVP nur allzu gut kennt - Stichwort Pöbel!“ Kickl weiter: „Was wir auf diesem Video sehen, ist eines Kanzlers unwürdig. Wäre Leopold Figl noch am Leben, würde er sich zu Tode genieren.“
Grüner Koalitionspartner aufgeschreckt
Kritik gibt es auch vom grünen Koalitonspartner. Die Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic rückte auf Twitter aus und sprach von einem „Teil der bürgerlichen Verrohung“. Das sei wenig überraschend, aber auch „erschreckend in dieser Offenheit“: „Die Frage ist auch: Wer sind die Claqueure, die sich auf Kosten von armutsgefährdeten Frauen und Arbeitslosen amüsieren?“
Auch der grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr äußerte sich kritisch zur Nehammer‘schen Brandrede: „Selbstverständliches Ziel dieser Bundesregierung und Koalition muss sein, dass Eltern - egal ob zu zweit oder allein - ihren Kindern täglich warme, gesunde Mahlzeiten zubereiten können, in einem sicheren und warmen Zuhause. DAS ist das absolute Minimum.“
Am Donnerstag äußerte sich auch die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, auf Twitter. Sie könne die Empörung über das Video des Kanzlers gut nachvollziehen, so Maurer. „Wie muss es einer teilzeitarbeitenden Mutter oder einer Alleinerzieherin gehen, die jeden Euro umdrehen muss, wenn sie solche Worte hört!“ Zudem betonte sie in Richtung des türkisen Koalitionspartners, dass „Politik gegen die Armen statt gegen die Armut mit uns nicht möglich ist“.
Empörungsrede über Frauen, Kinderarmut und Gewerkschaften
Nehammer war in einem Lokal bei einer Funktionärsveranstaltung in Salzburg dabei geflimt worden, wie er sich in Sachen Sozialpolitik ziemlich in Rage redete. So empfahl er Teilzeitkräften, besonders Frauen, doch einfach „mehr arbeiten zu gehen“, und meinte zum Thema Kinderarmut, man bekomme ja bereits um 1,40 Euro einen Hamburger bei McDonald‘s als warme Mahlzeit.
Auch die Sozialpartnerschaft kommt in Nehammers Wutrede nicht ungeschoren davon. „Ja, ja, ich bin bei dir, ich komm zu dem“, ruft der Kanzler einem Zuhörer zu, der in die Rede hineinruft und meint, er habe kein Problem damit, wenn jemand nur 30 Stunden arbeite oder 20, aber „ohne Subventionen von uns allen, die fleißig arbeiten“. Nehammers Antwort: „Was ist in Österreich real? Real ist, über all das hab ich mich mit dir gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft her und die Wirtschaftskammer her und sagt: ,He, putz di, Sozialpartnerschaft, Sozialpartnerschaft!‘“
„Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell“
Die Gewerkschaft, die Nehammer im Video auch als größten Bremser bei der Rot-Weiß-Rot-Card bezeichnet, zeigt sich über die Rede des Kanzlers empört. „Die Sozialpartnerschaft hat einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung von Krisen geleistet, insbesondere durch Maßnahmen wie die Kurzarbeit. Die Behauptung des Kanzlers, dass die Sozialpartnerschaft ein Hindernis sei, ist für uns nicht nachvollziehbar. Sie ist ein Erfolgsmodell für unser Land und hat maßgeblich zu unserem Wohlstand beigetragen. Für uns sind die Aussagen des Kanzlers daher absolut unverständlich“, sagte ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann. Die Wirtschaftskammer wollte die Aussagen nicht kommentieren.
Klare Worte kamen am Mittwochabend auch von Caritas-Präsident Michael Landau. „In Österreich muss niemand verhungern oder im Winter erfrieren. Weil wir in der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen haben. Aber wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung“, schrieb er auf Twitter.
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