Unbeabsichtigt ist am Dienstag ein internes SPÖ-Strategiepapier des Meinungsforschungsinstituts SORA an die Öffentlichkeit gelangt. In der Unterlage wird zum Beispiel ein Schattenkabinett für Parteichef Andreas Babler entworfen. Während ÖVP und FPÖ scharfe Kritik an der SPÖ-SORA-Verbindung übten, kommt nun auch eine erste kritische Stimme aus den Reihen der Sozialdemokraten. Wenig überraschend handelt es sich dabei um Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.
Doskozil kritisierte das geleakte Strategiepapier am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz. Im Burgenland brauche man für den nächsten Wahlkampf keine Agentur.
„Können das mit eigenem Personal besser“
„Das, was man so liest, können wir mit eigenem Personal auf jeden Fall besser“, meinte er.
Burgenlands SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst forderte in einem Tweet die Entpolitisierung des ORF.
Ogris legt SORA-Geschäftsführung zurück
Am Donnerstag gab es in Sachen geleaktes SPÖ-Strategiepapier die erste personelle Konsequenz. Günther Ogris legte mit sofortiger Wirkung die Geschäftsführung von SORA zurück, teilte das Meinungsforschungsinstitut mit. Christoph Hofinger soll das Institut ab sofort eigenständig leiten und „nach strengen Transparenzstandards neu aufstellen“.
ORF beendete Wahl-Zusammenarbeit mit SORA
Mit seinem Rückzug ziehe er „die Konsequenz aus einem Fehler, den ich sehr bedaure“, meinte Ogris. Bereits am Mittwoch gab der ORF bekannt, dass er seine Wahl-Zusammenarbeit mit SORA beendet. Insbesondere bei Wahlen seien Glaubwürdigkeit und Objektivität in der ORF-Berichterstattung „von essenzieller Bedeutung“, argumentierte der ORF, auch soll „jeglicher Anschein von Einseitigkeit unterbunden werden“. Ogris zog sich bereits am Mittwoch aus dem Wahlanalyse-Team zurück.
SPÖ-„Freundeskreis“ mit Forderung an ORF-Chef
Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-„Freundeskreis“ im ORF-Stiftungsrat, forderte indes ORF-Chef Roland Weißmann dazu auf, alle Beraterverträge gegenüber dem ORF-Gremium offenzulegen und diese etwa auf parteiliche Nähe und Umfang zu überprüfen. Die Entscheidung von Weißmann, die Zusammenarbeit mit SORA aufzukündigen, akzeptiert Lederer. Doch hätte man „auch einmal die Uhr anhalten und nachdenken können“, zeichnete sich SORA doch bisher durch „tadellose Arbeit“ aus. Jetzt hofft der Stiftungsrat auf ein transparentes Auswahlverfahren zur Nachfolge. „Nichts wäre peinlicher, als wenn die Analysen und Berichterstattung des ORF in dieser Frage herumrumpeln“, sagte Lederer mit Blick auf die großen Wahlen im kommenden Jahr.
„Depressive Stimmung und Erschöpfung“
In dem Strategieentwurf werden unter anderem Ziele für die Nationalratswahl formuliert: Die SPÖ wird stärkste Partei, die SPÖ wird stärkste Partei links der Mitte und eine Ampel-Mehrheit wird erreicht, um eine Regierung ohne ÖVP und FPÖ zu ermöglichen. Als Strategie soll die SPÖ demnach die „Hoffnung auf Erlösung“ schüren, indem die „depressive Stimmung und Erschöpfung“ betont wird und dass „die ÖVP blockiert“.
„Liebe statt Hass = Babler statt Kickl“
Gleichzeitig soll das Kanzler-Image von Babler gestärkt werden. Dabei wird insbesondere auf das „Charisma der Nähe“ des Traiskirchner Bürgermeisters gesetzt: „Er liebt die Menschen, er ist gern unter Menschen, er fühlt sich ihnen nahe und verbunden.“ Der „Story-Frame“ laut dem Papier: „Liebe statt Hass = Babler statt Kickl“.
Kickl: „Silberstein-Methoden“
FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte sich entsetzt über das Papier. In der Alltagssprache bedeuteten die Vorschläge „nichts anderes als einen Aufmarschplan für eine links-linke Bundesregierung“, sagte er in einer Pressekonferenz. SORA schlage die Vernaderung des politischen Mitbewerbers vor. „Das sind Silberstein-Methoden, die im Gewand der Sozialdemokratie daherkommen“, befand der FPÖ-Chef mit Verweis auf den früher für die SPÖ tätigen Berater Tal Silberstein. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sieht auch nach der Aufkündigung der Kooperation „Erklärungsbedarf beim Österreichischen Rundfunk“.
Auch ÖVP fordert Aufklärung
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker warf unterdessen die Frage in den Raum, ob es sich bei dem Papier tatsächlich um ein bloßes Angebot an die SPÖ gehandelt habe, oder bereits eine Beratungsleistung, da immerhin bereits konkrete Vorschläge für „Negative Campaigning“ enthalten seien. Aufklärung will der ÖVP-Generalsekretär außerdem darüber, ob es sich um einen ersten Kontakt gehandelt habe oder die SPÖ schon seit Längerem beraten werde. Zudem spekulierte Stocker über eine mögliche Querfinanzierung der SPÖ-Bundespartei und Vorfeldorganisationen wie den roten Gewerkschaftern von der FSG.
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