40 JAHRE „KRONE“

Im Wandel der Zeit: Medizin einst und heute

Kärnten
03.10.2023 06:00

Die Medizin hat in den vergangenen 40 Jahren einen gewaltigen Sprung gemacht. Warum Operationen in der Vergangenheit viel blutiger waren, wieso weniger Demut herrscht - und welche Aussichten die Medizin hat. Fünf Chirurgen sprechen über modernste Technik, innovative Methoden und neue Probleme.

Kaum ein anderer Bereich scheint sich so schnell zu verändern wie die Medizin. In kurzer Zeit entwickelt sich viel. Was heute noch modern ist, kann morgen schon veraltet sein. Einst wurde mit einfachsten Instrumenten operiert, heute assistiert dabei ein Roboter.

Einer, der vor mehr als 44 Jahren den Entschluss gefasst hat, Medizin zu studieren und sich während seiner Karriere als Chirurg bis zum Primarius im LKH Wolfsberg hochgearbeitet hat, ist Dušan Schlapper. „Als sich die laparoskopische Chirurgie Anfang der Neunzigerjahre auch bei uns durchgesetzt hat, fand ein großer Umdenkprozess statt. Anstelle einer großen Bauchöffnung wurde nur über kleine Einschnitte operiert. Wir fuhren für Kurse unter anderem nach Frankreich und übten minimalinvasive Eingriffe an Schweinen in Hamburg“, erzählt Schlapper.

Anfangs wurden vor allem Gallenblasen mit dieser Methode operiert, heute praktisch alles, was auf diese Art und Weise möglich ist. „Die Chirurgie wurde dadurch handelbarer gemacht, sie ist nicht mehr so blutig wie einst, wo man mit den Händen oft schwer im Bauchraum zu etwas dazukam“, erinnert sich Primarius Gerhard Jenic, Vorstand der Abteilung für Allgemein- und Gefäßchirurgie am LKH Villach.

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Das Wort ,Work-Life-Balance‘ hat es zu unserer Zeit noch nicht einmal gegeben.

Prim. Dušan Schlapper

„Auch bei den Instrumenten hat sich viel getan. Damals haben wir beispielsweise manche Spritzen noch ausgewaschen und sterilisieren lassen, heute gibt es viele Einmalprodukte“, ergänzt Schlapper, der seit fünf Jahren in Pension ist und zum Thema Erfahrung eine klaren Standpunkt vertritt: „Für mich kann jemand in der Medizin erst zehn Jahre nach seiner Facharzt-Ausbildung wirklich von Erfahrung sprechen.“

Ohne Digitalisierung nicht mehr vorstellbar
Doch um diese überhaupt zu erhalten, bedarf es neben jeder Menge Praxis auch umfangreiches Wissen, das heutzutage vor allem digital erlangt wird. „Es gibt diverse Operations-Videos, bei denen man sich etwas abschauen kann, sowie Kurse und Kongresse, an denen man online teilnimmt, oder unterschiedliche Simulatoren, an denen man seine Fähigkeiten verbessert“, sagt Bianca Summerer, Assistenzärztin auf der Chirurgie in Villach.

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Wenn es während Operationen zu Komplikationen kommt, verspürt man weder Hunger oder Durst noch den Drang, auf die Toilette zu gehen.

Die Chirurgen

Auch ihr Kollege, Facharzt Andreas Neuschitzer, spricht von einer allgegenwärtigen Digitalisierung, ohne die es heutzutage gar nicht mehr ginge, bemerkt aber auch eine negative Entwicklung. „Es ist schon praktisch, in der elektronischen Krankenakte alles rasch und unkompliziert nachlesen zu können, aber dafür sind der Dokumentationsaufwand und die Bürokratie heute auch um einiges größer“, so der Familienvater, dem eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig ist – eine Bezeichnung, die den Altmediziner Schlapper zum Schmunzeln bringt: „Dieses Wort hat es zu unserer Zeit noch nicht einmal gegeben. Damals war die Einstellung auch eine ganz andere. Wenn man als Assistenzarzt zwei Tage lang im Dienst war, ist man an seinem freien Tag oft nicht heim gegangen, um bei einem spannenden Eingriff dabei zu sein, oder gar mitzuoperieren. Wir waren froh, überhaupt einen Job zu bekommen. Man könnte fast von einer Art Demut sprechen, die wir Vorgesetzten entgegengebracht haben. Das ist heute nicht mehr so – und das ist auch gut so.“

Was sich offenbar nicht geändert hat, ist die Reaktion von Ärzten, wenn es während Operationen zu Komplikationen kommt. „In solchen Momenten ist man so fokussiert, da nimmt man um sich nichts mehr wahr. Man konzentriert sich nur auf das Wesentliche. Selbst wenn der Eingriff stundenlang dauert, verspürt man weder Hunger oder Durst noch den Drang, auf die Toilette zu gehen“, so der Tenor der Chirurgen.

Zukunft der Medizin darf nicht gefährdet werden
Beim Blick in die Zukunft wirken die Primarii jedoch etwas besorgt. Personalmangel, Sparmaßnahmen und oft nicht nachvollziehbare Beschlüsse trüben die Visionen. „Jeder erwartet sich, gut versorgt zu werden, wenn er krank wird. Doch um Patienten richtig betreuen zu können, braucht es viel mehr Personal, vor allem auch in der Pflege. Denn ein Chirurg kann ohne Krankenschwestern nicht arbeiten. Die Ökonomen und Manager schauen nur auf die Kosten, somit werden die Probleme immer schlimmer. Das ist das Resultat, wenn inkompetente Leute gegen die Bedürfnisse der Bevölkerung entscheiden“, ist Schlapper überzeugt.

Jenic ergänzt: „Die Politik soll sich weniger in die Strukturen einmischen, denn wenn sich die Frage einmal stellt, was eine Operation überhaupt kosten darf, wird es gefährlich.“

Roboter-assistierte Chirurgie als optimale Ergänzung bei Operationen 
„Der deutsche Chirurg Erich Mühe führte 1985 die weltweit erste laparoskopische, also schlüsselloch-chirurgische, Entfernung einer Gallenblase durch. Seitdem hat sich in der Chirurgie viel getan“, weiß Primarius Reinhard Mittermair, Abteilungsvorstand der Allgemein- und Viszeralchirurgie im Klinikum Klagenfurt, wo seit Anfang des Jahres der hochmoderne Da-Vinci-Roboter Ärzte beim Operieren unterstützt.

„Das heißt nicht, dass der Roboter den Eingriff übernimmt, sondern er assistiert dabei. Die Fähigkeiten bleiben beim Chirurgen“, so Mittermair, der als einer von vier Medizinern die 2,5 Millionen Euro teure Anlage beherrscht.

Vor allem Eingriffe am Dick- und Mastdarm sowie an der Bauchspeicheldrüse und bei Leistenbrüchen werden mithilfe des Roboters minimalinvasiv durchgeführt. „Der Patient profitiert von kleinsten Schnitten, ist früher wieder mobil und kann schnell in den Alltag zurückkehren. Erfreulich ist auch das kosmetische Resultat, denn meist sind nur winzige Narben sichtbar.“

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