Der Wahlkampfauftritt von Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini am Brenner am Montag dauerte eine Stunde, dabei wiederholte er seine Forderung nach Aufhebung aller Lkw-Fahrverbote und drohte mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. „Tirol muss sich keine Sorgen machen“, sagt Europarechtsexperte Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer vom Institut für Europarecht und Völkerrecht der Universität Innsbruck.
„Die mögliche Aufhebung der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen würde auch massive Auswirkungen auf die Südtiroler und Trentiner Bevölkerung haben, doch all diese Konsequenzen scheinen keine Rolle zu spielen, wenn es um die Interessen der italienischen Frächterlobby geht. Sollte es tatsächlich zu einem Gerichtsentscheid kommen, dann muss sich die EU entscheiden, ob die Gesundheit einer ganzen Region vom internationalen LKW-Transitverkehr aufs Abstellgleis gestellt werden kann“, erklärt Tirols Verkehrslandesrat René Zumtobel.
Schulterschuss zwischen Land Tirol und Bund
„Wir bauen auf die Alpenkonvention samt Verkehrsprotokoll sowie das Weißbuch ‚Verkehr‘ und den ‚Green Deal‘ der Europäischen Kommission, die allesamt eine Reduktion des Güterverkehrs auf der Straße, eine Verlagerung auf die Schiene und die Verkehrswende vorsehen. Die einschlägigen Verträge hat Italien unterzeichnet, die Maßnahmen der Europäischen Union mitgetragen - darauf sollte sich auch Salvini besinnen“, reagierte LH Mattle auf Salvinis Auftritt auf der Südtiroler Seite der Brennergrenze.
LH Mattle: Kollaps wäre nicht zu verhindern
„Ohne die Aufrechterhaltung der gerechtfertigten Fahrverbote und Verkehrsbeschränkungen wäre ein Verkehrskollaps nicht mehr zu verhindern. Das würde weitreichende Folgen für die Tiroler Bevölkerung und die gesamte europäische Wirtschaft mit sich bringen. Ich danke Ministerin Gewessler, die alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen wird, um die Tiroler Notmaßnahmen zu verteidigen“, sagte LH Mattle.
Verfahren dauert bis zwei Jahre
Europarechts-Experte Walter Obwexer erläuterte die Ausgangslage: „Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist ein Mitgliedstaat berechtigt, bei vermuteten Vertragsverstößen gegen einen anderen Mitgliedstaat Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einzureichen. Zuvor muss Italien aber die Kommission mit formalem Schreiben auffordern, selbst aktiv zu werden. Reagiert die Kommission auf das italienische Schreiben nicht oder lehnt die Klags-Aufforderung ab, kann Italien selbst vor den EuGH ziehen. Im Schnitt dauert ein EuGH-Verfahren eineinhalb bis zwei Jahre.
Wir stehen hier im Bund eng an der Seite Tirols. Die Notmaßnahmen sind gerechtfertigt und sie sind notwendig. Sie schützen die Gesundheit und die Lebensbedingungen der Tirolerinnen und Tiroler.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
Warenverkehr kann eingeschränkt werden
„Grundsätzlich muss sich Tirol keine Sorgen machen. Der freie Warenverkehr gilt nämlich nicht uneingeschränkt, sondern darf aus wichtigen Gründen eingeschränkt werden. Die Tiroler Maßnahmen sind alle EU-konform ausgestaltet. Sie sind auf den Schutz der Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung sowie die Funktionsfähigkeit der Autobahn gestützt und dienen zusätzlich dem Ziel der Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene, wie dies in der Alpenkonvention und auch in den von der Union formulierten Zielen vorgesehen ist“, erläutert Obwexer.
EU plant Luftgüte-Verschärfung
„Bei den Luftgrenzwerten, die aktuell in Tirol größtenteils eingehalten werden, plant die Europäische Union eine Verschärfung der Luftqualitäts-Richtlinie, das spielt Österreich in die Hände. Aber auch kurzfristig wird Österreich der Nachweis gelingen, dass sich im Falle einer Aufhebung der LKW-Fahrverbote die Luftgrenzwerte wieder verschlechtern. Italien wird mit seiner Maximalforderung, nämlich der Aufhebung aller Tiroler Verbote, nicht durchdringen. Im schlimmsten Fall muss es Anpassungen einzelner Maßnahmen geben, gänzlich fallen werden diese aber aus heutiger Sicht nicht“, ist Obwexer überzeugt.
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