Nach der beschlossenen Klage Italiens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Österreich wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen hat Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) eine diplomatische Offensive in Rom unternommen. So traf er am Dienstag Regierungsstaatssekretär Alfredo Mantovano, einen engen Mitarbeiter von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d‘Italia).
Der Tiroler Landeshauptmann bezeichnete das Treffen mit Mantovano, der in der Transitfrage als „rechte Hand“ von Ministerpräsidentin Meloni gilt, als „äußerst konstruktiv“. Die Tatsache, dass auch der außenpolitische Berater von Regierungschefin Meloni dabei gewesen sei, habe dem Treffen eine „besondere Bedeutung“ verliehen, betonte der Landeschef. Da Italiens Klage gegen Österreich noch im Initialstadium sei, gebe es noch Spielraum für Gespräche auf der Suche nach technischen Lösungen.
„Slot-System würde Situation verbessern“
„Eine Lösung mit Italien ist noch möglich: Mit dem intelligenten Verkehrsmanagementsystem, das wir gemeinsam mit Bayern und Südtirol vorantreiben, liegt eine Lösung auf dem Tisch. Das ,Slot-System‘ würde dazu beitragen, die Situation für Tirol und für Italien zu verbessern“, betonte Mattle.
Um die Schiene attraktiv zu gestalten, müssen derzeit bestehende Hindernisse abgebaut werden, wie Bremsproben und Personalwechsel beim Grenzübertritt, die Zeit in Anspruch nehmen.
Tirols LH Anton Mattle
Bild: Christof Birbaumer
Leitziel müsse sein, dass Schienengüterverkehr so einfach wie Straßengüterverkehr werde. Dazu brauche es neben ausreichender Infrastruktur den Abbau der nationalen Regeln und Betriebsvorschriften im Eisenbahnverkehr. „Um die Schiene attraktiv zu gestalten, müssen derzeit bestehende Hindernisse abgebaut werden, wie Bremsproben und Personalwechsel beim Grenzübertritt, die Zeit in Anspruch nehmen. Denn sie verursachen einen Zeitverlust für die Logistiker, die die Bahn benutzen“, argumentierte Mattle.
Bedingungen von Salvini für Tirol nicht akzeptabel
Der Landeshauptmann sah Verhandlungsmöglichkeiten mit Italien, auch mit der Unterstützung der EU-Kommission. „EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat immer wieder zu trilateralen Gesprächen eingeladen. Bis jetzt war es schwierig, ins Gespräch zu kommen, weil der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini das Ende aller Transitmaßnahmen als Bedingung für die Aufnahme der Gespräche gestellt hat, was für Tirol eine nicht akzeptable Position ist. Daher ist das heutige Gespräch für mich sehr wichtig, denn darauf aufbauend können wir vielleicht auch trilateral Lösungen erarbeiten“, so Mattle.
„Mega-Belastung für den Brenner entstanden“
Es würden über die Brennerstrecke mehr Güter transportiert, als über die französisch-italienische Grenze, meinte der Landeshauptmann. Beim Handelsaustausch zwischen Italien und Deutschland sei es in den letzten Jahren zu riesigen Steigerungsraten gekommen. Deutschland exportiere nach Italien Waren im Wert von 91 Mrd. Euro, Italiens Handelsvolumen in Richtung Deutschland betrage 76 Mrd. Euro. „Natürlich ist dadurch in den letzten Jahren eine Mega-Belastung für den Brenner entstanden. Dazu kommt, dass der Verkehr auf den Schweizer und französischen Achsen geringer geworden ist, diesen Verkehr musste der Brenner aufnehmen“, so Mattle.
Transitforum: „Der Toni bemüht sich ja“
Lob für Mattle kam indes von Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser: „Der Toni bemüht sich ja.“ Jede Werbung für das Anliegen sei positiv zu bewerten. Einen Schub in Richtung Lösung erwartete sich Gurgiser davon jedoch nicht: „Ehrlicherweise hat diese Werbung seit 30 Jahren keine Wirkung gezeigt.“ Die Fronten seien zu festgefahren. Erfolgsorientierter wäre es, wenn Tirol sich bemühe, gemeinsam mit dem Bund innerhalb der bestehenden rechtlichen Ordnung alles herauszuholen.
Wir haben die Belastung jetzt, nicht erst in zehn oder 20 Jahren.
Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser
Bild: Johanna Birbaumer
Das „Slot-System“ mit buchbaren Lkw-Fahrten ist für Gurgiser jedoch ein „Grundirrtum“, schließlich gehe es dabei darum, den Verkehr umzuleiten, nicht zu reduzieren. „Das Slot-System funktioniert nur, wenn die Autobahn voll ist“, so Gurgiser. Stattdessen schlug der Transitforum-Obmann einmal mehr vor, bereits bestehende digitale Verkehrsmanagementsysteme mit Überkopf-Wegweisern von Italien, Österreich und Deutschland zu nutzen und zusammenzuschalten. Diese wären bereits jetzt praktisch auf Knopfdruck einsatzbereit. „Wir haben die Belastung jetzt, nicht erst in zehn oder 20 Jahren“, erinnerte der Obmann des Transitforum Austria-Tirol.
„Schwierige, aber zwingende Entscheidung“
Die Klage Italiens vor dem EuGH war vergangene Woche im Ministerrat beschlossen worden. Zuvor hatte Salvini monatelang gegen die Tiroler Maßnahmen wie Sektorales Lkw-Fahrverbot oder Nachtfahrverbot mobilisiert und Drohungen ausgestoßen, unter anderem vor kurzem im Zuge eines Besuchs am Brenner. Es handle sich um eine „schwierige, aber zwingende Entscheidung angesichts der Haltung der EU-Kommission und der Unmöglichkeit, eine Verhandlungslösung zu erreichen“, hatte es seitens Italiens geheißen.
„Erstmals in der Geschichte der italienischen Republik hat der Ministerrat den Rekurs beim EuGH in Luxemburg gegen die Transitverbote beschlossen, die die österreichische Regierung einseitig am Brenner aufgezwungen hat“, erklärte Salvini.
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