Kinder und Jugendliche mit Problemen und Erkrankungen aller Art haben keine Lobby - das zeigt sich auch in Tirol. Nun wird für sie hierzulande eine neue Hilfseinrichtung ins Leben gerufen. Landesrätin Eva Pawlata (SPÖ) verwirklicht eine Wohngemeinschaft für Mädchen und junge Frauen in Tirol, die an Magersucht und Co. leiden. Die „Krone“ kennt die Details.
Es handelt sich um eine Problematik, auf die vor allem von Seiten der Experten schon über viele Jahre hinweg hingewiesen wird: Auf der einen Seite steigen die Zahlen jener Mädchen und jungen Frauen, die an einer Essstörung erkrankt sind. Auf der anderen Seite gibt es in Tirol keine einzige spezifische Hilfseinrichtung dafür, sodass die jungen Betroffenen in adäquaten Zentren in München oder Linz untergebracht werden müssen. „Im Schnitt beantragen pro Jahr zwölf bis 15 Betroffene Plätze, nicht alle werden genehmigt“, klärte Kathrin Sevecke, Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall und Innsbruck, bei einem Runden Tisch Anfang Juli dieses Jahres auf – auch die „Krone“ war anwesend.
Ganz ideal sei dieser Weg jedoch nicht: „Denn beispielsweise 12-Jährige tun sich extrem schwer, dermaßen weit von Zuhause wegzugehen und sich dort anzupassen“, ergänzte die Ärztin und forderte: „Wir müssen hier neue Wege gehen!“
Dieses Thema wurde politisch immer wieder hin- und hergeschoben. Ich habe es im Jänner dieses Jahres aufgegriffen.
Landesrätin Eva Pawlata (SPÖ)
Bild: Johanna Birbaumer
Knapp 570.000 Euro werden jährlich investiert
Das ist nun genau das, was die zuständige Landesrätin Eva Pawlata (SPÖ) macht. „Dieses Thema wurde politisch immer wieder hin- und hergeschoben. Ich habe es im Jänner dieses Jahres aufgegriffen, führe seither zahlreiche Gespräche, habe den Runden Tisch Anfang Juli initiiert und habe von meiner Abteilung die Umsetzung einer derartigen Wohngemeinschaft prüfen lassen“, schildert Pawlata und verkündet: „Fakt ist, dass ich das Projekt hineinverhandelt habe und wir es im Laufe des Jahres 2024 realisieren werden. Heißt: Es wird eine Wohngemeinschaft für Mädchen und junge Frauen in Tirol geben – und zwar mit insgesamt sechs stationären und zwei ambulanten Plätzen.“
Budgetiert werden knapp 570.000 Euro pro Jahr, finanziert werde es mittels eines sogenannten Tagsatzmodelles. Wichtig zu erwähnen: Das Angebot zielt nicht auf betroffene Burschen oder junge Männer ab.
Wo genau diese Wohngemeinschaft einziehen werde, stehe derzeit noch nicht fest. „Es gibt durchaus schon konkrete Gespräche mit Trägern und die ersten Pläne. Doch um alles in geordneten Bahnen zu haben, werden wir eine Ausschreibung starten. Folglich sehen wir uns an, wer sich bei uns meldet, und dann finalisieren wir das Projekt“, konkretisiert Landesrätin Pawlata.
„Dringend notwendige wohnortnahe Betreuung“
Prinzipiell nehmen psychische Belastungen vor allem unter Kindern und Jugendlichen zu, die Corona-Pandemie samt Lockdowns hat diese bedenkliche Entwicklung angeheizt. Etliche der jungen Betroffenen entwickeln etwa eine Essstörung oder Suchtabhängigkeit - sie flüchten in eine Krankheit. „Die Wohngemeinschaft für Mädchen und junge Frauen mit Essstörungen wird den stationären Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, aber natürlich auch das ganze System entlasten. Zudem stellt sie nicht nur eine dringend notwendige wohnortnahe Betreuung für Betroffene in Tirol dar, sondern bietet auch eine Stütze für Angehörige in dieser herausfordernden Zeit“, ist Pawlata überzeugt.
Kommentar: „Möchte schlank sein wie Models“
Betroffen von Essstörungen sind in Österreich in etwa acht Prozent aller Kinder und Jugendlichen - vor allem Mädchen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren. Die Gründe dafür sind laut Experten vielfältig. Zum einen ist eine hormonelle Veränderung bei Mädchen in der Pubertät deutlich stärker als bei Buben. Zum anderen spielt die Sozialisierung eine Rolle, wo es als ungeschriebenes Gesetz für Frauen gilt, schlank zu sein.
Was es für eine Familie bedeutet, ein Kind mit Essstörung zu haben, zeigt der Fall eines befreundeten Paares, beide sind Ärzte. Sie haben zwei Töchter, die Ältere ist 12 Jahre alt. Diese beschloss plötzlich, nicht mehr zu essen. „Weil ich so schlank sein möchte wie die Models auf Instagram“, sagte sie. Der Kampf gegen die Zeit begann. Die Eltern mussten zusehen, wie ihre Tochter Kilo für Kilo verlor, ihre Knochen am Körper immer sichtbarer wurden. Sie zogen die Reißleine, brachten das Mädchen in die Klinik und überzeugten es, eine Therapie zu machen - in München, die einzige Möglichkeit. Rund 160 Kilometer voneinander distanziert, jedoch gefühlt tausende Kilometer voneinander getrennt - und das in dieser kritischen Situation. Unglaublich, aber wahr.
Umso wichtiger ist es, dass Landesrätin Eva Pawlata das Problem nicht nur erkannt hat, sondern auch aktiv angeht und eine Wohngemeinschaft für betroffene Mädchen und junge Frauen in Tirol realisiert. Eine Hilfestellung auf dem langen und steinigen Weg des Gesundwerdens. Das kann aber nur ein erster Schritt sein.
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