Vor dem SPÖ-Parteitag am Wochenende wird intensiv über die roten Inhalte diskutiert: Doskozils Migrationspapier bleibt nach Druck Parteilinie. Die Forderung nach der 32-Stunden-Woche - früher ein Herzensprojekt von Parteichef Babler - wird überraschend aufgeweicht.
Über die Migration wollte die rote Spitze eigentlich nicht sprechen. Viel lieber parlierten SPÖ-Klubvize Julia Herr und Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder wenige Tage vor dem 46. SPÖ-Parteitag in Graz über zwölf Leuchtturm-Leitanträge, die das rote Zukunftsprogramm der nächsten Jahre darstellen soll.
Kaiser/Doskozil-Papier bleibt Parteilinie
Trotzdem stand dann die Migration am Ende im Mittelpunkt. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hatte erst am Vortag die Vermutung ausgesprochen, dass sein Migrationspapier zur Lösung der Flüchtlingskrise, das er gemeinsam mit Peter Kaiser 2019 ausgearbeitet hatte, am „Parteitag ausgehebelt“ werde. Dem ist jetzt nicht so. Es gebe zwar einen Leitantrag für legale Fluchtwege in die EU, aber das Kaiser/Doskozil-Papier mit Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen behält seine Gültigkeit, betonte Herr.
Hinter den Kulissen heißt es, dass einige Bundesländer wie die SPÖ-Niederösterreich Druck gemacht hätten, dass das Kaiser/Doskozil-Migrationspapier weiterhin die offizielle Parteilinie bleiben soll.
Gestreift wurde bei dem Pressegespräch auch die Eskalation im Nahen Osten. Auch in diesem Punkt gibt es gerade von Doskozil Kritik, dass die SPÖ keine klare Pro-Israel-Haltung einnehme. Vize-Klubchefin Herr wählte eine diplomatische Antwort. Sie skizzierte die Linie der SPÖ einerseits in der Tradition Franz Vranitzkys mit dem Selbstbestimmungsrecht Israels, andererseits in jener Bruno Kreiskys, der immer wieder auf das Leiden der Palästinenser hingewiesen habe.
32-Stunden-Woche wird abgeschwächt
Eine Überraschung ist, dass die Forderung nach einer 32-Stunden-Woche, früher das Herzensprojekt von Babler, nun abgeschwächt umgesetzt werden soll.
Stattdessen wirbt man für einen Pilotversuch, die Arbeitszeit zu senken – und das bei vollem Lohnausgleich. Breiteneder verwies auf erfolgreiche Versuche etwa in Irland und Großbritannien. Unternehmen sollen zunächst freiwillig mitmachen und finanziell und organisatorisch unterstützt werden.
Zwei-Drittel-Mehrheit für Statutenänderung nötig
Ein absolutes Herzensprojekt von Babler stellt die Statutenänderung dar, damit künftig mehr Basisdemokratie in der SPÖ herrschen kann. So soll die Basis abstimmen, sollte sich mehr als ein Kandidat für das Amt bewerben. Allerdings: für die Statutenänderung braucht es am Parteitag eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Angesichts der Tatsache, dass die Wiener SPÖ-Fraktion gar nicht glücklich über diese Entwicklung ist, könnte der Ausgang der Abstimmung spannend werden.
Apropos Parteivorsitz, der wird am Samstag in Graz am Parteitag natürlich auch gewählt. Dieses Mal ist Andreas Babler Solokandidat. Ob er mit starkem Rückenwind ins Wahljahr 2024 geht oder nicht, entscheiden rund 600 Delegierte. Der Traiskirchner Bürgermeister muss jedenfalls ein besseres Wahlergebnis als Pamela Rendi-Wagner bei ihrem letzten Antreten liefern. Das waren damals magere 75,3 Prozent. Parteiinsider trauen ihm das locker zu.
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