Babler zur „Krone“:

„Mir ist wurscht, wo Asylverfahren stattfinden“

Politik
12.11.2023 20:40

Wenige Stunden nach seiner Bestätigung als SPÖ-Parteichef ließ Andreas Babler im „Krone“-Interview den Bundesparteitag Revue passieren. Er sprach dabei auch über FPÖ-Chef Herbert Herbert Kickl, Alfred Gusenbauer und Asylverfahren in Drittstaaten. 

Wie ordnen Sie Ihr Ergebnis von 88,76 Prozent ein? Etwa so: Kein Rückenwind, aber so viel Wind, dass man die Segeln setzen kann?
Das Ergebnis ist unglaublich stark. Ich war sehr überrascht über die Höhe des Ergebnisses.

Haben Sie mit weniger gerechnet?
Weniger wäre möglich gewesen. Wir sind vor fünf Monaten aus einer Kampfabstimmung gestartet, die knapp entschieden worden ist. Einige Wochen später so ein Ergebnis zu bekommen, ist ein gutes Zeichen.

Die FPÖ liegt rund acht Prozent vorne. Sie können in Ihren Reden die Urinstinkte des Sozialdemokraten ansprechen. Wahlen gewinnt man, indem man den Wechselwähler anspricht. Das gelingt noch nicht. Kann man das Match in 10 Monaten überhaupt noch drehen?
Wir haben fünf Prozent in kurzer Zeit zugelegt. Die FPÖ ist je nach Umfrage vier bis fünf Prozent vor uns.

In der aktuellsten Umfrage liegt die SPÖ acht Prozent hinter der FPÖ …
Andere Umfrageinstitute haben uns höher. Was den Kurs anbelangt, muss man ihn in der Breite sehen. In meiner Rede habe ich daran erinnert, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass man einen Arzt- oder einen Operationstermin ohne lange Wartezeiten bekommen hat. Oder auch, dass die Bildungseinrichtungen funktionierten und dass Wohnen leistbar war. Diese Perspektive wollen wir wieder geben. Mit unserer Kernforderung für leistbares Leben und Facharzttermine, die man innerhalb von 14 Tagen bekommen soll, haben wir 75 Prozent der Bevölkerung hinter uns. Das wird unterschätzt.

SPÖ-Chef Andreas Babler (Bild: Christian Jauschowetz)
SPÖ-Chef Andreas Babler

Der Politologe Anton Pelinka, der unverdächtig ist, ein Konservativer zu sein, meinte in der „Kleinen Zeitung“, dass Sie sich die Frage gefallen lassen müssen, was Sie unterscheidet von der Kickl-FPÖ? Wo liegt der Unterschied in der Sozialpolitik zwischen dem FPÖ-Slogan „Unser Geld für unsere Leut“ und Ihrer Politik?
Wir haben am Parteitag 300 Seiten vorgelegt mit durchgerechneten Modellen. Das unterscheidet uns - denn so was gibt es bei Herbert Kickl nicht. Die FPÖ hat keine Konzepte und keine Verbesserungsvorschläge. Die FPÖ ist mitverantwortlich für die Niederschlagung der Sozialeinrichtungen und Krankenkasse. Kickl war in der Regierung, als die FPÖ-Sozialministerin behauptet hat, 150 Euro im Monat reichen zum Leben. Er ist mitverantwortlich für diese Periode der Abrissbirne.

Video: FPÖ liegt in Umfrage auf Platz eins

Bisher nehmen Sie die ÖVP häufig in die Verantwortung. Die Kickl-FPÖ wird weniger kritisiert. Wenn Sie gegen die FPÖ gewinnen wollen, reicht diese Strategie wohl nicht aus …
Die FPÖ ist bisher konstant an der Spitze, würde ich sagen. Karl Nehammer ist aus dem Rennen. Das wird sich auch nicht mehr ändern, weil die Abgrenzung der ÖVP zur FPÖ schwer darstellbar ist. Ich habe in meiner Rede am Parteitag deutlich gemacht: Es geht um eine Richtungsentscheidung zwischen einer menschfreundlichen oder menschenfeindlichen Politik, zwischen einer Politik des Schreiens gegenüber einer Politik mit Zukunftsprogramm. Mir geht es darum, die unterschiedlichen Pole zwischen uns und der FPÖ zu zeigen. Die ÖVP ist definitiv kein Gegenpol zur FPÖ. Deswegen läuft das Match zur Nationalratswahl automatisch auf SPÖ gegen FPÖ hinaus.

FPÖ-Chef Herbert Kickl (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
FPÖ-Chef Herbert Kickl

In der Parteitagsrede haben Sie sich zum Migrationspapier von Doskozil und Kaiser bekannt. Da werden auch Asylverfahren an den EU-Außengrenzen verlangt. Damit haben Sie kein Problem?
Botschaftsasyl und Verfahren an den EU-Außengrenzen ist SPÖ-Beschlusslage. Auf 17 Seiten ist die Frage zusammengefasst, wer bekommt Asyl und wer nicht. Mir ist wurscht, wo das Verfahren stattfindet. Wichtig ist, es braucht ein geordnetes Verfahren nach EU-Standards. Ich kämpfe seit vielen Jahren dafür, dass es auch einen gerechten Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge in Europa gibt. Wenn es nach mir ginge, sollte es auch Strafzahlungen für Länder geben, die nicht mit einem gewissen Grundstandard Asylverfahren abwickeln.

Sie haben es in Ihrer Rede am Parteitag als „unmoralisch“ bezeichnet, dass die SPÖ nach der Finanzierung ihrer Modelle zur Teuerungsbekämpfung etc. gefragt wird. Warum soll diese Frage unmoralisch sein?
Weil es nicht um nur um die Finanzierungsfrage geht. Hätten wir beim Bildungssystem oder Gesundheitsvorsorge immer die Finanzierungsfrage gestellt, gebe es heute nichts davon. Wir müssten eine private Krankenversicherung oder eine private Pensionsverträge abschließen. Die SPÖ legt ganz klar dar, wer in Zukunft gerechterweise einen größeren Beitrag leisten könnte. Es ist bekannt, dass es in Österreich ein Ungleichgewicht bei der Vermögensbesteuerung gibt. Das ist keine SPÖ-Erzählungen, sondern das beweisen Studien der OECD. Die Körperschaftssteuer lag früher bei 34 Prozent. Hat sich mittlerweile auf 23 Prozent gesenkt. Das sind sieben Milliarden, die weg sind. Davon profitieren nur die superreichsten Konzerne. Bei Rene Benko ist das so schön sichtbar, was das ganz konkret heißt. Die ÖVP hat sich bei der Übernahme von Kika/Leiner noch gebrüstet, dass eine Arbeitsrettungsaktion. Es hat sich nun herausgestellt, dass er ein Steuerstundung von 150 Millionen Euro hat. Er hat sie Gustostückerl herausgeschnitten und 300 Millionen damit gemacht. Und dann hat er 1900 Arbeitsplätze vernichtet. Das ist nicht unser Verständnis von Wirtschaftskompetenz.

Im Video: Babler wurde am Bundesparteitag als SPÖ-Chef wiedergewählt

Apropos Benko: Da gab es viel Unterstützung von der Regierung, aber es gibt auch den Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, der hier mit an Bord ist ...
Die entscheidende Frage: Wer hat Rene Beko die Millionen zugeschossen? Das war die ÖVP. Wir kritisieren, dass man den Staat als Bankomat sieht. Das ist ein Raubüberfall an den Steuerzahlern. Benko hat sich eine Dividende von 100 Millionen Euro auszahlen lassen, zu einem Zeitpunkt, als das Konstrukt schon gekracht hat und bekommt dann noch Steuerstundungen. Diese Steuergelder hat nicht Gusenbauer ausgeschüttet.

Aber Gusenbauer hat in den all den Jahren alles abgenickt und nie gesagt, das Konstrukt ist ihm zu heikel, er steigt aus moralischen Gründen aus. Schmerzt Sie das Handeln von Gusenbauer?
Ich kann nicht über Schmerzen diskutieren. Ich kann nur sagen, mit mir als Kanzler würde es so ein Vorgehen nicht geben. Daran kann man mich messen.

Der ehemalige Bundeskanzler und SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer (li.) und Rene Benko (Bild: APA/Roland Schlager/Hans Klaus Techt, stock.adobe.com, Krone KREATIV)
Der ehemalige Bundeskanzler und SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer (li.) und Rene Benko

Nochmals zurück zur Vermögensbesteuerung: Es gibt aber auch die Studie des Wifo, die besagt, 80 Prozent der Österreicher von der Umverteilung profitieren und 20 Prozent sind die Nettozahler. Müssen Sie nicht so ehrlich sein und zugeben, dass das eine Schieflage ist …
Der Sozialstaat ist unser aller Vermögen. 80 % profitieren von ihm, 10 Prozent steigen bei null aus und nur 10 % der Topverdiener zahlen etwas mehr, profitieren aber vom gesellschaftlichen Frieden. Aber die Studie bezieht sich nur auf Steuern und Abgaben auf Einkommen. Da haben wir progressive Steuern und hohe Einkommen tragen mehr bei als niedrige. Mit der Vermögenssteuer gehen wir in eine ganz andere Liga: Da geht es nicht um den Oberarzt oder den Durchschnittsunternehmer, da geht es um die Benkos und Tojners, die mehr beitragen müssen, damit wir etwa Steuern auf Arbeit senken und die steigenden Kosten in der Pflege stemmen können.

Kommen wir nochmals zum Parteitag zurück: Auffallend war, dass kein ehemaliger Parteichef oder Ex-SPÖ-Kanzler erschienen ist und auch keine Video-Grußbotschaft geschickt hat. Vor allem Franz Vranitzky fehlte. Wie deuten Sie dieses Zeichen?
Ich habe einen guten und regelmäßigen Austausch mit Franz Vranitzky. Die ehemaligen Parteivorsitzenden waren alle eingeladen. Wenn der Parteitag in Wien ist, dann gibt es eine höhere Dichte. Aber andererseits gab es eine hohe Dichte an Ex-Ministern und ehemaligen Landesparteichefs bei diesem Parteitag. Das war gewaltig.

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