„Schwarzer Tag“

EU-Parlament lehnte Reduktion von Pestiziden ab

Politik
22.11.2023 15:19

Seit Monaten wird auf EU-Ebene um eine Reduktion von giftigen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft gerungen. Eine Verordnung, die einen um 50 Prozent verminderten Einsatz von Pestiziden bis 2030 vorsah, wurde abgelehnt. Von SPÖ, Grünen und Umweltorganisationen kam Kritik.

299 EU-Parlamentarier stimmten in erster Lesung gegen den Text, der auch eine 65-prozentige Reduzierung von „gefährlichen Pestiziden“ vorsah. 207 stimmten dafür und 121 enthielten sich. Die Berichterstatterin der geplanten Pestizid-Verordnung (SUR), die österreichische Grünen-EU-Abgeordnete Sarah Wiener, sprach nach der Abstimmung in Straßburg von einem „schwarzen Tag für die Umwelt und die Gesellschaft“.

Jetzt ist der EU-Rat am Zug
Die Abgeordneten waren auch gegen eine von Wiener geforderte Zurückweisung in den zuständigen Ausschuss. Somit ist nun der Rat - also die EU-Mitgliedstaaten - am Zug, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, über den dann wiederum in zweiter Lesung im Parlament abgestimmt werden kann. Vor der finalen Abstimmung wurde noch über einen Reigen an Abänderungsanträgen abgestimmt.

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Das ist eine herbe Enttäuschung für die Gesundheit unserer Kinder.

EU-Abgeordnete Sarah Wiener

„Da ist viel drin, wo ich mir denke: So geht es nicht“, so Sarah Wiener bei der Pressekonferenz nach der Abstimmung. Der gesamte Entwurf sei vernichtet worden. Sie sprach von einer „herben Enttäuschung nicht nur für mich als Berichterstatterin, aber noch mehr für die Umwelt, die Ziele der Biodiversität und die Gesundheit unserer Kinder und Kindeskinder.“ Bei den vielen Änderungsanträgen sei „am Ende leider eine völlige Sinnlosigkeit von Reduktionszielen herausgekommen“.

Auch Grüne stimmten gegen „amputierten Entwurf“
Als Beispiele nannte sie die Streichung des Schutzes von sensiblen Gebieten um Kindergärten, Schulen oder Altenheime „weil wer braucht das schon“, so Wiener. Auch die in ihrem Entwurf vorgesehene finanziellen Kompensationen für Landwirte seien durch die Änderungsanträge gefallen. Die Europäische Volkspartei (EVP) wollte laut Wiener „Schwermetallsalze zu biologischen Pestiziden zählen“. Biologische Pflanzenschutzmittel und weniger riskante Pestizide wären ursprünglich erlaubt gewesen. Selbst die Grünen hätten dann gegen den „amputierten Entwurf“ gestimmt, wollten diesen aber an den zuständigen Parlamentsausschuss zurückweisen.

Sarah Wiener zeigte sich vom Abstimmungsergebnis enttäuscht. (Bild: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul)
Sarah Wiener zeigte sich vom Abstimmungsergebnis enttäuscht.

„Weiterhin giftige Pestizide auf unseren Tellern“
Enttäuscht zeigten sich in ersten Reaktionen auch die Umweltorganisationen Global 2000 und Greenpeace. „Anstatt Tiere wie Wildbienen und Vögel sowie unsere Gesundheit zu schützen, landen weiterhin giftige Pestizide auf unseren Feldern und Tellern“, sagte Melanie Ebner, Landwirtschaftssprecherin von Greenpeace Österreich. Global 2000 spricht von einem „Desaster für Umwelt, Demokratie und Ernährungssicherheit“.

Welche Abgeordnete wie abgestimmt haben, war zunächst noch nicht klar einsehbar. Der ÖVP-Europa-Mandatar Alexander Bernhuber zeigte sich aber nach der Abstimmung zufrieden, dass der ursprüngliche Parlamentsentwurf zur SUR (also ohne Abänderungsanträge) nicht durchgegangen sei. Es sei „bedauerlich“, dass „praktikable Lösungen“ keine Mehrheit gefunden hätten, so Bernhuber in einer Aussendung. Er hatte gefordert, dass den Staaten für eine 50-prozentige Reduktion bis 2035 Zeit gelassen wird. Wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten ganz verboten werde, würden die Länder abgestraft, die sich in der Vergangenheit stärker für die Schaffung solcher Schutzgebiete eingesetzt haben, argumentierte Bernhuber.

„Kniefall vor Agrarchemie-Konzernen“
Kritik an den vielen Abänderungsanträgen kam nach der Abstimmung von der SPÖ. „Eine Koalition aus Konservativen, Rechten und Liberalen hatte zuvor den eigentlich tragfähigen Kompromiss durchlöchert und schlussendlich sogar die Rückverweisung an den Ausschuss verhindert“, kritisiert SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl. „Das ist ein Kniefall vor den Interessen der großen Agrar- und Chemiekonzerne und lässt tief blicken, für wen die Europäische Volkspartei eigentlich Politik macht.“

Der FPÖ-EU-Abgeordnete Roman Haider befürwortet zwar grundsätzlich das Ziel, den Pestizid-Einsatz zu reduzieren. Er befürchtete im Vorfeld aber, dass die vorgelegte Verordnung zu einer Verringerung der landwirtschaftlichen Produktion führen werde. „Durch den Rückgang der Produktion werden wir immer abhängiger von Importen“, sagte Haider einen Tag vor der Abstimmung vor Journalisten in Straßburg. Zudem befürchte er, dass es vermehrt zum Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen kommt, die weniger anfällig für Schädlingsbefall sind.

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