Starb mit 85 Jahren

Günter Brus: Trauer um steirischen Weltkünstler

Kultur
11.02.2024 07:58

Bis an seine Grenzen und noch ein beachtliches Stück darüber hinaus - das war so etwas wie das Lebensmotto von Günter Brus. Der am 27. September 1938 in Ardning geborene steirische Künstler von Weltformat ist am Samstag im Alter von 85 Jahren gestorben. Und hat damit ein ganzes Kapitel Kunstgeschichte geschlossen.

Begonnen hat alles ganz klassisch. Günter Brus war ein talentierter Zeichner, was ihn an die Kunstgewerbeschule nach Graz brachte. Sein ausgezeichneter Abschluss befähigte ihn zum Besuch der Akademie für Angewandte Kunst in Wien. Dort sah er zum ersten Mal Werke des österreichischen Frühexpressionismus, die ihn stark beeindruckten. Und etwas auslösten: Den Wunsch, das klassische Tafelbild zu sprengen und Werke zu erschaffen, die schreien, stampfen und fauchen. Brus löste sich vom Gemälde, ging über zum Geschehen im Umfeld der Entstehung eines Bildes und begründete damit eine Körperkunst, die es in den folgenden Jahren in sich hatte.

Gemeinsam mit Gleichgesinnten formte er den Aktionismus zu einem Aufschrei gegen die immer noch von ehemaligen Nazis dominierte Gesellschaft. Und Brus war einer seiner radikalsten Vertreter. Am 7. Juni 1968 führt er im Hörsaal 1 der Wiener Universität im Rahmen der Veranstaltung „Kunst und Revolution“ eine seiner Körperanalysen durch.

Der berühmte „Wiener Spaziergang“ aus seiner aktionistischen Zeit. (Bild: Markus Tschepp)
Der berühmte „Wiener Spaziergang“ aus seiner aktionistischen Zeit.

Es kommt zum Skandal und der Künstler wird zur Höchststrafe von sechs Monaten „strengem Arrest“ verurteilt. Mit seiner Frau Anna und der erst zweijährigen Tochter Diana flüchtet er nach Berlin, wo schon einige Aktionisten eine Enklave gegründet haben. Dort gestaltet er 1970 seine letzte Aktion. Bei der „Zerreißprobe“ erreicht er ein Ausmaß an Selbstverletzung, dessen Steigerungsstufe nur noch der Tod sein konnte.

Nicht nur aus Liebe zu seiner Familie beendete Brus dieses selbstzerstörerische Treiben und wandte sich einer ganz anderen Form des Ausdrucks zu. In einer Kombination aus Zeichnungen und Texten erschuf er das Genre „Bild-Dichtung“, bei dem beide Komponenten gleichwertig sind. Tausende Blätter sind so entstanden, in Zyklen zusammengefasst, aber auch als Solitäre. Daneben fand er noch Zeit, Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen.

Arbeiten in Europa, Australien und den USA zu sehen
Seine Stärke war nicht nur seine überbordende Fantasie und sein nicht enden wollender Kampf-, und Widerspruchsgeist, sondern auch die Fähigkeit, mit anderen Künstlern zusammenarbeiten zu können. Seine Arbeiten waren auf unzähligen Ausstellungen in Europa, Australien und den USA zu sehen, darunter auch auf der Biennale in Venedig und gleich mehrmals auf der documenta im deutschen Kassel. Und natürlich in seinem Bruseum in der Grazer Neuen Galerie, dem 2011 eröffneten Museum, das ihm bereits zu Lebzeiten ein Denkmal setzte.

Und natürlich stellten sich beim einstmals Verfemten nach und nach die Auszeichnungen ein, darunter 1996 der Große Österreichische Staatspreis für Bildende Kunst, 2004 der Oskar-Kokoschka-Preis und 2013 das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern.

Trotz teilweise großer gesundheitlicher Probleme hat Brus bis zuletzt gearbeitet und sogar noch ein überraschendes Spätwerk geschaffen. Mit ihm ist nun ein Künstler gestorben, der die österreichische Kunstgeschichte maßgeblich mitgeschrieben hat. Ein Verlust, der eine immense Lücke hinterlässt.

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