Kritik an ÖVP-Plänen

Arbeitslosengeld kürzen? – „Unsoziale Schnapsidee“

Politik
14.02.2024 15:42

Eine türkis-grüne Reform des Arbeitslosengeldes ist vor mehr als einem Jahr gescheitert. Jetzt legt die ÖVP ein Modell mit härteren Einschnitten vor: Es sieht eine Kürzung auf unter 50 Prozent vor. In der Opposition und auch beim kleinen Koalitionspartner stößt der Plan auf Widerstand.

Mit Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung will die regierende Volkspartei die geplante Senkung der Lohnnebenkosten um jährlich 0,5 Prozentpunkte bis 2030 finanzieren - die „Krone“ berichtete.

Konkret soll das Arbeitslosengeld von aktuell 55 Prozent des letzten Netto-Einkommens nach einer gewissen Zeit auf unter 50 Prozent sinken. Bei welchem Wert die ÖVP starten will und in welchem Zeitraum die Senkung passieren soll, ist offen.

Kanzler Karl Nehammers Pläne stoßen vielfach auf Ablehnung. (Bild: APA/MAX SLOVENCIK)
Kanzler Karl Nehammers Pläne stoßen vielfach auf Ablehnung.

Im Reformvorhaben, das Ende 2022 scheiterte, wollte man mit einer erhöhten Nettoersatzrate von 70 Prozent beginnen, nach drei Monaten sollte sie 55 Prozent betragen. In den ersten sieben bis zehn Tagen ohne Beschäftigung hätte es dafür gar kein Geld gegeben - einer der Hauptgründe, warum die Grünen das Modell letztendlich ablehnten. Ein weiterer war, dass die Volkspartei Möglichkeiten des Zuverdienstes deutlich einschränken wollte.

Jetzt will die ÖVP die Möglichkeit einer geringfügigen Beschäftigung parallel zum Bezug des Arbeitslosengeldes komplett streichen, „damit jeder, der arbeiten kann, auch einer vollwertigen Arbeit nachgeht“, wie es in dem Papier heißt. Neben mehr Anreiz, eine Vollzeitstelle anzunehmen, erwarten sich die Konservativen durch die Maßnahmen mehr Einnahmen, um die Lohnnebenkostensenkung zu finanzieren.

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Die ÖVP will zum Abschied die Armut erhöhen, statt sie zu halbieren.

(Bild: APA/EVA MANHART)

SPÖ-Klubchef Kucher

Kritik von SPÖ, FPÖ und Grünen
SPÖ-Klubobmann Philip Kucher stellte in einer Aussendung fest, dass „die ÖVP zum Abschied noch die Armut erhöhen will, statt sie wie versprochen zu halbieren“. Das Arbeitslosengeld sei in Österreich im internationalen Vergleich bereits ausgesprochen niedrig, und die SPÖ sei dagegen, dass Menschen, die sich in der Regel nicht aussuchten, gekündigt zu werden, sofort in die Armut geschickt werden sollten.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz und -Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch meinten in einer Aussendung, von der ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer gehe „nur noch soziale Kälte“ aus: „Wir Freiheitliche haben diesen Vorschlag schon bei den Regierungsverhandlungen 2017 abgelehnt. Dass nun die Schwarzen ihre unsoziale Schnapsidee aus der ,Giftküche des ÖVP-Wirtschaftsbundes‘ wieder ausgraben, spricht Bände.“

Sozialminister warnt vor Armutsgefährdung
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) betonte am Rande des Ministerrats am Mittwoch die unterschiedlichen Zugänge der beiden Koalitionspartner. Mit den Grünen gehe es bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht, „dass wir in Regionen hineinkommen, wo eine Armutsgefährdung schlagend wird“. Ähnlich argumentierte Sozialsprecher Markus Koza, der warnte, dass der ÖVP-Plan der Gesellschaft als Ganzes auf den Kopf fallen würde.

Mehr statt weniger Arbeitslosengeld verlangte die Gewerkschaft. ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl forderte eine Erhöhung auf 70 Prozent, „statt Arme noch ärmer zu machen“. Schon jetzt lebten neun von zehn Arbeitslosen unter der Armutsgrenze, weil sie mit knapp der Hälfte ihres vorherigen Nettoeinkommens nicht auskämen. Noch weiter ging die KPÖ: Sie verlangte 80 Prozent Nettoersatzrate.

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Ich habe den Eindruck, die ÖVP richtet sich selber aus, was sie die letzten Jahre nicht gemacht hat.

(Bild: APA/TOBIAS STEINMAURER)

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger

NEOS: Forderung seit Jahren
Wenig Begeisterung für den Vorschlag brachten auch die NEOS auf, wenn auch aus anderen Gründen. „Nett, dass sie am Abend ihrer politischen Karriere darauf kommen, dass sie etwas tun müssen“, meinte der pinke Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger erinnerte daran, dass die NEOS dies „seit Jahren“ fordern würden. „Ich habe den Eindruck, die ÖVP richtet sich selber aus, was sie die letzten Jahre nicht gemacht hat.“ Die NEOS befürworten ein degressives Arbeitslosengeld, also am Anfang einen höheren Betrag, der dann sinkt. Das sei „heute international Standard“, so Loacker. Die derzeitige Diskussion ist ihm zu einseitig.

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