Der erste Plenartag des Parlamentskehraus war über weite Strecken vom Thema Europa dominiert worden. Mit einer Einwendung gegen die Tagesordnung wollten Freiheitliche und BZÖ ESM und Fiskalpakt gleich ganz von der Agenda streichen lassen. Bundeskanzler Werner Faymann wiederum wollte mit einer eigens angesetzten Erklärung zum letzten EU-Gipfel den Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen.
So dauerte es bis in den Nachmittag hinein, bis überhaupt direkt über Stabilitätsmechanismus und Fiskalpakt debattiert und abgestimmt werden konnte. Ersterer hat zur Aufgabe, Euro-Krisenstaaten wie Griechenland vor einem Kollaps durch unbezahlbar hohe Anleihezinsen zu schützen. Auf Österreich entfällt eine Beteiligung von knapp 19,5 Milliarden Euro, davon 2,2 Milliarden in bar. Der Fiskalpakt wiederum sieht im Wesentlichen vor, dass die Teilnehmerländer - alle EU-Staaten außer Großbritannien und Tschechien - ihr strukturelles Defizit auf maximal 0,5 Prozent einbremsen müssen.
Rechtsparteien orten "Sadomaso-Teufelswerk"
Vor allem Freiheitliche und BZÖ liefen gegen die Vorhaben Sturm. Ein "Sadomaso-Vertrag" sei der ESM, klagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Es handle sich um "nichts anderes als einen Verfassungsputsch bzw. einen kalten Staatsstreich, der de facto die Abschaffung der Zweiten Republik darstellt" und ein Aufgehen in einer zentralistischen Diktatur. Nicht undramatischer stellte es Bündnischef Josef Bucher dar, der im Stabilitätsmechanismus ein "Teufelswerk" erkannte. Mit den Beschlüssen würden die nächsten Generationen verpfändet.
Angesichts dieser heftigen Vorwürfe nicht überraschend wurde der Regierung von den Rechtsparteien das Misstrauen ausgesprochen. Die FPÖ beantragte gleich den Abgang der ganzen Bundesregierung, das BZÖ begnügte sich mit einem Antrag gegen Kanzler Faymann. Beide Ersuchen blieben in der Minderheit, SPÖ-Klubchef Josef Cap bedauerte vielmehr, dass es keine Möglichkeit des Misstrauensantrags gegen Freiheitliche und BZÖ gebe.
Kanzler tadelt "Apokalypse-Fans"
Kanzler Faymann tadelte dann auch die Rechtsparteien ziemlich für ihr Verhalten. "Wer nur Spaß an der Apokalypse hat, trägt nichts Konstruktives in dem Land bei", sprach der SPÖ-Chef Freiheitlichen und Bündnis ins Gewissen. Vizekanzler Michael Spindelegger rechnete vor, dass ein Scheitern des ESM in Österreich jeden zehnten Arbeitsplatz kosten und viele Betriebe in den Konkurs schicken würde.
Was den ESM anging, sprangen die Grünen der Koalition zur Seite. Der Stabilitätsmechanismus sei zwar "durch und durch ambivalent", räumte Parteivize Werner Kogler ein, aber richtig angewendet könne er eine "Waffe gegen Spekulation werden". Bundessprecherin Eva Glawischnig, die von den anderen Oppositionsfraktionen Beschimpfungen und Geplärre erntete, meinte, bei FPÖ und BZÖ bedenke man nicht einmal, was es für Österreich bedeuten würde, wenn mit Italien einer der wichtigsten Außenhandelspartner in immer stärkere Probleme gerate.
Fiskalpakt sprengt rot-schwarz-grüne Harmonie
Beim Fiskalpakt war es mit der rot-schwarz-grünen Harmonie dann vorbei. Der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen glaubt nämlich nicht nur, dass es für einen Beschluss eine Zweidrittelmehrheit gebraucht hätte (deswegen die Verfassungsklage), sondern auch, dass die strengen Defizitregeln ökonomisch kontraproduktiv seien: "Wenn die ganze Euro-Zone simultan das gleiche Programm fährt, muss es zu einer Verschärfung der Rezession kommen, sorry." FPÖ und BZÖ sind ohnehin überzeugt, dass die Defizitregeln nicht eingehalten werden, und lehnten auch den Fiskalpakt ab.
Mit einem blauen Auge kam die SPÖ davon. Klubchef Cap konnte letztlich den allergrößten Teil der Skeptiker in seiner Fraktion doch noch überzeugen, dass in Verbindung mit den zuletzt beschlossenen Wachstumsmaßnahmen auf europäischer Ebene der Fiskalpakt Sinn macht. Einzig die für ihre Alleingänge bekannte oberösterreichische Abgeordnete Sonja Ablinger stimmte mit der Opposition.
EU-Beitritt Kroatiens abgesegnet
Am späten Abend wurde dann auch noch Kroatiens Beitritt zur EU mit großer Mehrheit abgesegnet. Überraschend verweigerten aber sieben Freiheitliche ihre Zustimmung - weil es bisher keine entsprechenden Restitutionsmaßnahmen für Alt-Österreicher durch Zagreb gegeben habe und diese offenbar auch nicht konkret geplant seien. Parteichef Strache nahm an der Abstimmung nicht teil.
Außenminister Spindelegger stellte die Kroaten mit ihren Reformmaßnahmen in Richtung EU als Vorbild für die gesamte Region dar - sehr zum Wohlwollen des Parlamentspräsidenten Kroatiens, Josip Leko, der die Debatte auf der Besuchergalerie verfolgte. Der kroatische EU-Beitritt soll im Juli 2013 erfolgen. Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik wird das 28. Mitglied der Europäischen Union.
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