Schon der erste Befragungstag im U-Ausschuss zu etwaigen Machtmissbrauch bei SPÖ und FPÖ artete in einer Farce aus. Peter Goldgruber, BMI-Generalsekretär unter Kickl, verweigerte jede Aussage. Abgeordnete sahen eine „Verhöhnung des Parlaments“. Der skurrile Auftritt führte auch zu Debatten über den Untersuchungsgegenstand an sich, über den schon im Vorfeld gestritten wurde.
Vorhang auf für Untersuchungsausschuss Nummer zwei, heißt es am Mittwoch um 10 Uhr im Erwin Schrödinger Lokal des Parlaments. Mit dem Ausschuss zu „Rot-Blauem Machtmissbrauch“ wird inoffiziell auch gleich der Wahlkampf eröffnet. Besonders schießt sich die ÖVP deshalb auch auf die derzeit in allen Umfragen führende FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl ein.
„Scheinheiligkeit und Günstlingswirtschaft“
Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger, schwarzer Fraktionsführer im U-Ausschuss, ortet bei den Blauen ein „Privilegienstadl schlechthin“. Kritik übt er vor allem an Kickls ehemaligen Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, der nach Wolfgang Peschorn und einer weiteren Person als dritte Auskunftsperson im Ausschuss befragt wird. Goldgruber habe sich im Generalsekretariat drei Mitarbeiter „gegönnt“, die noch dazu jeweils bis zu 15.000 Euro brutto im Monat verdient haben sollen.
Wirbel um Beratervertrag
Außerdem will die ÖVP - wie die „Krone“ bereits vorab berichtete - einen dubiosen Beratervertrag über 10.200 Euro brutto monatlich, thematisieren, der laut Volkspartei mutmaßlich rechtswidrig zustande kam, im Endeffekt laut der FPÖ aber gar nicht erst gültig war.
Kontakte zu Marsalek
All das wurde in einem Revisionsbericht von 2020 festgehalten, Auskunft zu den Vorgängen soll dazu am Mittwoch der Leiter der Internen Revision im Innenministerium als dritte Auskunftsperson geben. Ebenfalls am Mittwoch angesprochen werden soll die berüchtigte Razzia im BVT im Jahr 2018 sowie enge Kontakte des mutmaßlichen russischen Spions Jan Marsalek zum Innenministerium. Als Reaktion auf diesen Vorwurf verweist die FPÖ auf ein Abendessen im Mai 2017, bei dem der damalige Innenminister und jetziger Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ebenfalls mit Marsalek zusammentraf.
Auch „klassischen blauen Postenschacher“ wirft die ÖVP den Freiheitlichen aber vor – und schießt sogar gegen Politiker aus Niederösterreich, wo man bekanntlich zusammen regiert. So soll Christoph Luisser, jetzt Asyl-Landesrat in Niederösterreich und damals Abteilungsleiter unter Generalsekretär Goldgruber im BMI geworden sein, obwohl er nicht der beste Kandidat war. Goldgruber soll selbst interveniert haben und dazu im Ausschuss Auskunft geben.
Der Dienstwagen, der keiner ist
Wie die „Krone“ bereits vorab berichtete, interessiert sich die ÖVP aber auch für Dienstautos – im Speziellen auch jenes von Reinhard Teufel, damals blauer Kabinettschef im Innenministerium, heute Klubobmann in Niederösterreich und Kickls engster Vertrauter. „Kabinettschefs haben eigentlich keinen Anspruch auf ein Dienstauto“, erklärt Hanger und verweist gleichsam aber darauf, dass diese auf einen Fuhrpark, sogenannte „Poolautos“ zurückgreifen können. Binnen 18 Monaten soll Teufel 95.000 Kilometer gesammelt haben, allerdings „darf er das Auto nicht für seine anderen Funktionen verwenden.“ Während sich die ÖVP die Fahrtenbücher anschauen will, verweist die FPÖ auf das damalige Staatssekretariat unter der heutigen ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler. „Bei den Fahrten hat es sich zum Beispiel um Besuche von Polizeiinspektionen gehandelt, welche die Frau Staatssekretärin nicht wahrnehmen wollte. Der Kabinettschef hat diese dann stellvertretend besucht“, heißt es aus der FPÖ-Zentrale.
Ausschuss verfassungswidrig?
Obwohl es im U-Ausschuss laut offiziellem Titel um Aufklärung geht, ob öffentliche Gelder „im Bereich der Vollziehung des Bundes“ zweckwidrig verwendet wurden, will die Volkspartei weiterhin auch den Finanzskandal der FPÖ Steiermark thematisieren, wo mutmaßlich Steuergelder in private Taschen flossen. Wie die „Krone“ erfuhr, sollen FPÖ-Chef Kickl, der steirische Landesparteichef Mario Kunasek und drei weitere mit dem Finanzskandal in Verbindung stehende Personen für die Ausschusstermine im Mai vorgeladen werden.
Für die Opposition ist deswegen der gesamte Untersuchungsausschuss verfassungswidrig, ein entsprechender Antrag beim Verfassungsgerichtshof scheiterte aber. Die NEOS sehen den am Mittwoch startenden U-Ausschuss als Retourkutsche der ÖVP für den COFAG-Ausschuss, gegen den die Pinken auch waren. Sie wollen dennoch beide für ernsthafte Aufklärung nutzen und am Mittwoch ebenfalls Postenbesetzungen durch Peter Goldgruber ansprechen, der „Postenschacher von oben herab abgeordnet habe“, so NEOS-Abgeordneter Yannick Shetty. Außerdem sollen Anschaffungen thematisiert werden: etwa teure Kugelschreiber, Uniformen oder die berüchtigten Polizeipferde. Die erste Auskunftsperson am Mittwoch, wieder Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn, soll zu Inseratenausgaben während der Regierung Bierlein befragt werden – die niedriger waren als unter vorherigen Regierungen.
Ging es an den ersten Befragungstagen trotz vereinzeltem Hickhack noch gerecht gesittet zu, wird beim zweiten U-Ausschuss die reine Schlammschlacht befürchtet. Die NEOS befürchten, dass das Instrument des Untersuchungsausschusses in Misskredit gerät.
Die Grünen haben beim U-Ausschuss die frühere FPÖ-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein im Fokus. Laut Fraktionsführerin Meri Disoski hat die Krankenkassenfusion unter Türkis-Blau, statt die versprochene Patientenmilliarde zu bringen, 215 Mio. Euro Mehrkosten verursacht. Das sei von Vertuschungsversuchen im Gesundheitsministerium begleitet worden.
Sobotka ist verhindert
Wie bei den ersten COFAG-Befragungen fehlt auch diese Woche Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) der eigentlich in beiden Ausschüssen den Vorsitz führt. Er wird vom ÖVP-Abgeordneten Wolfgang Gerstl vertreten. Wo Sobotka steckt, ist unbekannt. Er sei wegen „Terminen“ verhindert, heißt es knapp aus seinem Büro. Nähere Angaben wollte man nicht machen. Termine des Parlaments sind es laut einem Sprecher der Parlamentsdirektion jedenfalls nicht.
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