Der SPÖ-Politiker im Podcast der „Krone“ über das Superwahljahr, Kritik an Österreichs Israelpolitik, über seine Partei und die KPÖ.
Altbundespräsident Heinz Fischer spricht mit Ida Metzger und Rainer Nowak. Zum Superwahljahr 2024. Auszüge aus dem Gespräch über Koalitionen, die Rolle des Präsidenten, die SPÖ und den Kommunismus. Den ganzen Podcast können Sie hier nachhören.
„Krone“: Für viele im Land sind Sie eine große Autorität in diesem Land. Ihre Amtszeit war freilich weniger turbulent wie jene Ihres Nachfolgers Alexander van der Bellen. Hätten Sie auch gerne mehr Action gehabt?
Heinz Fischer: Man kann es sich nicht aussuchen. Ich würde beide Perioden akzeptieren. Man muss seine Rolle ausfüllen, egal in welcher Phase.
Es dürfte turbulent weitergehen. Wenn nach den Wahlen Herbert Kickls FPÖ auf Platz 1 landet. Soll er den Regierungsauftrag erhalten?
Die Verfassung muss eingehalten werden, es geht aber auch um politische Entscheidungen. Mit Sicherheit wird es mehrere Varianten geben. Der Präsident wird sich die beste Variante aussuchen. Dazu gehört auch jenes Ausmaß an Stabilität, das notwendig ist, damit es nicht ein Scheitern am Misstrauensvotum nach kurzer Zeit gibt. Die Regierung muss auf absehbare Zeit eine Mehrheit hinter sich haben. Ich muss eine stabile einer instabilen Regierung vorziehen. Und natürlich wird auch auf die Qualität des Personals zu achten sein.
Wenn Kickl erster wird und keine Regierung zusammenbringt, dann wird es eine Regierung mit den anderen geben?
Das hatten wir ja schon 1999. Wenn ein aussichtsreicher Kandidat keine Mehrheit zusammenbringt, dann wird der Bundespräsident wohl sagen, es muss ein anderer Kanzlerkandidat in Erwägung gezogen werden.
Kann eine Partei, die eine Mehrheit hat, abgelehnt werden?
Rechtlich ja, praktisch wird jemand, der eine parlamentarischer Mehrheit hinter sich hat, aber alternativlos sein. Andere Spielarten sind dann realitätsfern.
Realitätsfern war auch Ibiza und die Expertenregierung danach …
Das ist richtig, aber das wurde auch mittels Mehrheit ausverhandelt. Experten könnten auch in Zukunft wieder eine Rolle spielen.
Zu aktuellen Phänomenen zählen auch Parteien, die plötzlich auftauchen. Wie die KPÖ …
Ich hätte das nicht erwartet. Ich habe erlebt, wie die Kommunisten nach dem Krieg weggeschmolzen sind. Sie haben den Sowjets 1945 zugesagt, dass sie 25 Prozent erreichen würden. Aber die Sowjets waren sehr enttäuscht, dass sie dann nur 4 oder 5 Prozent bekamen. Nach der ungarischen Revolution wurden die Kommunisten aus dem Parlament hinausgewählt. Das dauerte bis jetzt an. Nun hat die KPÖ in Graz und Salzburg stark abgeschnitten hat. Das wird aber keine Renaissance des Kommunismus bedeuten. Es zeigt aber, dass vieles vergessen wurde, was der Kommunismus auch in Europa zu verantworten hat. Und es zeigt, dass es stark auf die Persönlichkeit und ein plausibles Programm ankommt. Die Kommunisten konzentrieren sich auf einen schmerzlichen Punkt in der Gesellschaft und haben ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit. Aber ich glaube, dass das für den KPÖ-Kandidaten in Salzburg für den ersten Platz nicht reichen wird.
Die Regierung muss auf absehbare Zeit eine Mehrheit hinter sich haben.
Ex-Bundespräsident Heinz Fischer im „Krone“-Podcast „Superwahljahr“
Gleich nach den Wahlen stehen wichtige Entscheidungen an. Wenn es nicht nach Einigungen aussieht, wäre dann nicht eine Expertenregierung wieder die beste Lösung vorübergehend?
Es wird einen gewissen Zeitdruck geben. Ein Budgetentwurf wird im Oktober vorzulegen sein und auch die Entscheidung zum EU-Kommissar steht an. Die Zeit drängt. Da könnte man auch über die Beteiligung von Experten nachdenken. Ich schätze die Verfassung von 1920 wegen ihrer Eleganz, sie wurde auch dutzende Male überarbeitet. Die Verfassung ist eine Mischung aus Festigkeit und Elastizität.
Ihnen wurde auch eine Nähe zum Kommunismus vorgeworfen, wie ist ihr Verhältnis heute?
Ich habe 1961 in einer SPÖ-Zeitschrift einen Artikel geschrieben unter dem Titel „Die Verbrechen Stalins“. Das hat für Aufsehen gesorgt. Ich bin persönlich nie am Kommunismus angestreift. 1970 wurden diplomatische Beziehungen zu China und Nordkorea aufgenommen. Das habe ich als vernünftig erachtet. Ich war einmal auf Besuch in Nordkorea als junger Abgeordneter, war nicht der Erste. Dann wurden Freundschaftsgesellschaften gegründet – ich war Mitglied, so wie übrigens auch ÖVP-Politiker. Im Bundespräsidentschaftswahlkampf wurde das ausgegraben und mir diese Nähe nachgesagt.
In Österreich wird recht wenig über Außenpolitik debattiert. Was auffällt, ist Österreichs klarer Haltung pro Israel. Klarer als Regierungen zuvor. Wie sehen Sie das?
Ich halte Kreiskys Politik hier für richtig. Man muss ein absolut scharfer Gegner jeglichen Antisemitismus sein. Ich bin absolut dafür, dass man das Existenzrecht Israels schützt und verteidigt. Es sollte aber nicht daran hindern, auch das Schicksal der Palästinenser ernst zu nehmen. Hier eine Lösung zustande zu bringen, wie das auch Kreisky versucht hat, halte ich für sinnvoll. Mir fällt die klare Haltung auf, seit Kurz und Strache die Koalition bildeten. Man ist da pro Israel abgegangen. Auch aktuell ist es so. Das Verbrechen der Hamas ist verdammenswert und schrecklich, aber dass nun Millionen Palästinenser betroffen sind und Zigtausende gestorben sind, dann muss man auch hier Position beziehen. Das machen immer mehr westliche Staaten. Wenn ich eine Resolution zusammenbringe, wo ein Waffenstillstand und Geiselfreilassung vorkommen, dann zu sagen, aber in der Resolution war die Verurteilung des Terrors nicht dabei, und nicht mitstimme, dann ist das eine Ausrede. Ich kann doch wegen dem einen Punkt nicht gegen die Freilassung der Geiseln stimmen. Das war falsch, meiner Meinung nach.
Kommen wir zu ihrer Partei, der SPÖ. Es wird intern noch immer gerungen um den inhaltlichen Kurs. Wo sehen Sie den richtigen Kurs?
Ich sehe ihn in der Mitte der Sozialdemokratie. Die SPÖ ist pluralistisch und will den sozial Schwachen helfen. Wir brauchen keinen Linksruck. Natürlich auch keinen Rechtsruck. Aber man muss eine klare Linie haben und dazu steht die Mehrheit der Sozialdemokraten.
Bedauern Sie den Abschied von Pamela Rendi-Wagner?
Ich bedauere, wie manche Pamela Rendi-Wagner behandelt haben. Meine Frau und ich haben sie menschlich sehr geschätzt. Sie hat viele Voraussetzungen für die Parteivorsitzende gehabt. Aber ich hatte auch vollstes Verständnis, dass sie gesagt hat, ‘ich habe gehofft, dass Vernunft einkehrt, aber das ist nicht so eingetreten, also trete ich nicht mehr an‘. Das war aus ihrer Sicht die richtige Entscheidung. Es war ein ehrenvoller Rückzug.
Ist ihnen Andreas Babler zu weit links? Er galt anfangs als Messias der SPÖ. In Umfragen schaut das nicht so aus …
Ich weiß nicht, wie die Wahlen ausgehen werden. Andi Babler ist guten Mutes und man wird überrascht sein, wie erfolgreich gearbeitet wird, er hat eine Chance, in einer schwierigen Zeit, gegen andere Kandidaten, die auch ihre Schwächen und Probleme haben.
Aber es gibt doch öffentliche Auseinandersetzungen und man hat nicht das Gefühl, dass alle in der Partei hinter Babler stehen …
Teile der öffentlichen Meinung tendieren dazu, aus Mücken Elefanten zu machen. Wenn heute manche darauf hoffen, dass es in der SPÖ tiefe Spaltung gibt, dann irren sie. Es gibt aber durchaus unterschiedliche Standpunkte. So wie man der SPÖ früher vorgeworfen hat, sie sei eine Kaderpartei, richtet man das Augenmerk auf die einzelnen Reaktionen der Funktionäre.
Sie sprechen viel mit Entscheidungsträgern. Sie umkreisen die SPÖ-Herde. Was sind sie jetzt? Mediator oder Vater?
Nichts davon. Ich bin am 12. Februar 1956 der Partei beigetreten. Ich wurde 1978 stellvertretender Parteivorsitzender. Habe von 1963 an bei allen Präsidiumssitzungen teilgenommen, bis ich Bundespräsident wurde. Ich kenne die Sozialdemokratie sehr gut. Aber ich bin 86 in Pension.
Also sind Sie Urgestein? Oder auch Klagemauer?
Klagemauer bin ich sicher nicht. Jeder hat seine Überzeugungen, dafür kann man eintreten. Ich glaube, Pluralismus, Rechtsstaat und Marktwirtschaft mit allen ihren Schwächen sind Bausteine meines Denkens. Dafür zahlt es sich aus, einzutreten und auch ein bisschen den Kopf hinhalten.
Online geht der Podcast „Superwahljahr“ wöchentlich auf krone.at und ist zudem auf allen Podcast-Plattformen zu abonnieren.
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