Via Internet gefunden

Wienerin kann Sohn nach 50 Jahren in die Arme schließen

Österreich
28.08.2012 17:00
Große Aufregung am Flughafen Wien-Schwechat: Edeltraut Beer (72) wird gleich zum ersten Mal in ihrem Leben ihren Sohn Ken in die Arme schließen können. Aus Armut musste die ehemalige Auswanderin ihr Baby in Australien in die Hände von Fremden geben – und durfte erst 50 Jahre später einen Blick in die Adoptionsunterlagen werfen. Und nachdem sie ihn via Internet gefunden hatte, erklärte der heute 52-Jährige spontan: "Ich fliege zu dir nach Österreich."

Edeltraut Beer ist auffallend blass. Sie zittert und krallt ihre Hände in die Absperrungsstange vor sich. Angespannt blickt sie immer wieder auf den großen Monitor am Flughafen Wien-Schwechat. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es so weit: Das Flugzeug aus Sydney ist gelandet. In wenigen Minuten wird jener Augenblick eintreten, auf den sie seit 50 Jahren wartet. Sie kann endlich ihrem Sohn Ken in die Augen sehen. Per E-Mail hatte sie ihn vorsichtig gefragt, ob sie ihn beim Wiedersehen umarmen dürfte. Er schrieb zurück: "Of course. You are my mother."

"Musste Hühner stehlen, damit wir nicht verhungerten"
Wie kann es geschehen, dass eine Frau ein halbes Jahrhundert von ihrem Kind getrennt ist? Warum muss ein erwachsener Mann rund um den Globus reisen, um zum ersten Mal auf seine Familie zu treffen? Ein kurzer Rückblick: In den 60er-Jahren wandert die gebürtige Wienerin mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen nach Australien aus. Der Grund: In Österreich reicht das Geld kaum zum Leben und sie hoffen auf ein besseres Dasein auf dem fremden Kontinent. Doch als das Paar und seine Kinder nach einer beschwerlichen Schifffahrt in Sydney ankommen, ist die Enttäuschung groß. Es gibt für sie weder Arbeit noch das Anrecht auf einen festen Wohnsitz. 

Edeltraut Beer: "Wir waren so arm – ich musste Hühner stehlen, damit wir nicht verhungerten." Als die junge Frau bemerkt, dass sie schwanger ist, sieht sie in ihrer Not nur einen Ausweg: Sie muss das Baby zur Adoption freigeben. Eine Entscheidung, die sie ihr ganzes Leben bitter bereuen wird. Denn als sie sich kurz nach der Geburt nach dem Wohlergehen ihres Kindes erkundigen will, erfährt sie: Leibliche Eltern erhalten in Australien erst nach 50 Jahren Einblick in die Adoptionsunterlagen. Das war 1962.

"Dieser Moment wird mir immer unvergesslich sein"

Edeltraud Beer lebt nun schon seit vielen Jahren wieder in Österreich – und konnte vor wenigen Monaten ihren verlorenen Sohn via Internet ausfindig machen. Seine Reaktion: Er beschloss spontan, seine leibliche Mutter – der Vater ist bereits verstorben - zu besuchen. Als sich die Blicke der beiden treffen, erkennen sie sich auf Anhieb. Ohne nur einen Funken von Berührungsangst fallen sie sich in die Arme und weinen bitterlich vor Erleichterung. Dann streicht Edeltraut Beer ihrem verloren geglaubten Sohn eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sagt: "Dieser Moment wird mir immer unvergesslich sein."

Fremdheit? Unsicherheiten? Eine gehemmte Atmosphäre? Beim "Krone"-Lokalaugenschein im Haus von Edeltraut Beer im niederösterreichischen Ort Niederschrems ist davon nichts zu spüren. Im Gegenteil. Während die Mutter Kaffee aufbrüht, nimmt Ken ganz selbstverständlich die Tassen aus dem Schrank und deckt den Tisch. Er trägt ein Shirt mit der Aufschrift "I am from Austria" und erklärt: "Ich fühle mich hier geborgen und mich mit den Menschen verbunden." Daraufhin tätschelt Edeltraut Beer liebevoll seinen Unterarm und sagt: "Los wirst du uns jetzt sowieso nicht mehr."

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