Neuer Vorstoß der ÖVP-Ministerien in Sachen Jugendkriminalität. Dort will man bei schweren Verbrechen die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre senken und auch Eltern stärker in die Pflicht nehmen – zur Untermauerung legt man das Ergebnis einer Arbeitsgruppe vor.
Seit den ersten Überlegungen von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Sachen Strafmündigkeit im März wird das Thema heiß diskutiert. Danach gab es auch bereits einen Antrag für eine ähnliche Gesetzesänderung der FPÖ im Nationalrat – die Volkspartei sprach sich aber gegen einen Schnellschuss aus, wollte erst einen Diskurs mit Experten.
Erst Belehrung, dann Bestrafung
Nun liegt ein erster Zwischenbericht der eingesetzten Expertenkommission („Arbeitsgruppe Jugendkriminalität“) vor. Ein Bündel an Maßnahmen wird demnach vorgeschlagen – die spektakulärste ist das Herabsetzen der Grenze für Haftstrafen bzw. Strafmündigkeit auf zwölf Jahre, sofern Kapitalverbrechen vorliegen.
Außerdem soll es – auch für Kinder unter zwölf Jahren – polizeiliche Belehrungen geben, an denen Kinder mit den Eltern teilnehmen müssen. Bei Missachtung könnte es hier Verwaltungsstrafen bis zu 4600 Euro setzen.
Jugendliche „früher reif“
Details zum aktuellen Plan wurden am Freitag einer Pressekonferenz erläutert, es informierten Innenminister Gerhard Karner und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP). Argumentiert wurde mit einer „früheren körperlichen und psychischen Reife“ von Jugendlichen in der heutigen Zeit. Außerdem würden junge Täter teils bewusst angestiftet, weil noch eine Strafunmündigkeit vorliegt. Karner nannte beispielhaft einen Fall, der sich ausgerechnet vor dem Bundeskriminalamt abspielte: Ein älterer Jugendlicher habe einem jüngeren ein Butterfly-Messer in die Hand gedrückt, damit dieser damit einen Raub begehen solle.
Es geht nicht darum, Kinder ins Gefängnis zu bekommen.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler
Es gehe aber ausdrücklich „nicht darum, Kinder ins Gefängnis zu stecken“, betonte die Verfassungsministerin. Jugendlichen und Kindern solle mehr Orientierung gegeben und sie auf den rechten Weg zurückgeführt werden. Das Strafrecht sei die „ultima ratio“.
Gewalt an und von Jugendlichen
Hintergrund der Debatte sind mehrere Fälle von Gewalt an Kindern, bei denen die mutmaßlichen Täter selbst minderjährig waren. Ins Gedächtnis vieler „Krone“-Leser brannte sich ein zwölfjähriges Mädchen ein, das in Wien Opfer einer Gruppenvergewaltigung geworden war. Es gab damals 17 Verdächtige.
Die Zahl der Tatverdächtigen zwischen zehn und 14 Jahren hat sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt. 2013 gab es 4821 Tatverdächtige, 2023 waren es bereits 9729.
Viele Gegenstimmen
Eine Senkung der Strafmündigkeit ist seit jeher heftig umstritten. Zuletzt hatten sich bereits zahlreiche Experten gegen eine Herabsetzung ausgesprochen – etwa das Netzwerk Kriminalpolitik, dem die Richtervereinigung, der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, der Bewährungshilfeverein Neustart und die Verbrechensopferhilfe Weißer Ring angehören. Vorwürfe der Anlassgesetzgebung wurden laut.
OGH-Präsident Georg Kodek erklärte im März: Das Gefängnis sei „kein Allheilmittel“. Die grüne Justizministerin Alma Zadić sprach sich ebenfalls gegen eine Änderung aus. Auch die SPÖ ist dagegen.
Strafverteidiger: Es braucht Prüfung des Reifegrads
Der bekannte Strafverteidiger Rudolf Mayer aktuell zur „Krone“: „Eine generelle Absenkung ist falsch. Richtig wäre eine Einschätzung des Reifegrads der Jugendlichen durch einen Psychiater.“ Jugendliche seien unterschiedlich entwickelt, manche Zwölfjährige seien reif wie 16-Jährige und umgekehrt, sagt Mayer. „Wer diese Reife hat, soll mit allen Konsequenzen bestraft werden. Und wer die noch nicht hat, soll intensiv betreut werden.“ Mayer verweist darauf, dass in den USA Kinder in U-Haft mit Erwachsenen gesteckt werden. Eine reine Absenkung der Strafmündigkeit wäre eine populistische Maßnahme, ein Kampf um Wählerstimmen.
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