Das prunkvolle Bernsteinzimmer gilt als „achtes Weltwunder“ und ist seit 1945 verschollen. Eine Künstlerin aus der Steiermark baut den legendären Raum nun originalgetreu nach – und braucht dafür Nerven aus Stahl.
Die Nachricht ließ den Puls bei vielen Geschichte-Fans höher schlagen: Ein Wrack wurde am Boden der Nordsee gefunden, es handelte sich um das letzte deutsche Schiff, das 1945 vor Einmarsch der Russen Königsberg (heute: Kaliningrad) verlassen hat. War das legendäre Bernsteinzimmer an Bord?
Die Spekulationen überschlugen sich im Herbst 2020. Ein Jahr später stand nach mehreren Tauchgängen fest: wieder nix. Das Bernsteinzimmer bleibt verschollen. Sein Mythos ist aber auch fast 80 Jahre später äußerst lebendig. Von den Nazis 1941 aus dem Zarenpalast in St. Petersburg geraubt, verliert sich die Spur der einzigartigen Prunkvertäfelung mit Kriegsende.
Vor allem in Polen fasziniert das Thema nach wie vor. Diesem Umstand verdankt Mariya Tauschitz nun ihren „bisher größten und herausforderndsten Auftrag“: Die Künstlerin aus dem steirischen Waldstein (Deutschfeistritz) baut derzeit das gut 100 Quadratmeter große Bernsteinzimmer nach – originalgetreu.
„Die Belastung ist groß“
Es ist eine Arbeit, die wohl mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Der Detailreichtum der Wandtafeln verlangt Tauschitz, nach Eigendefinition eine „Perfektionistin“, alles ab. „Die nervliche Belastung ist groß.“
Auf die Spur des Prunkzimmers kam die gebürtige Bulgarin, die seit 20 Jahren in der Steiermark lebt, schon 2010. Damals fertigte sie einen Teil des Bernsteinzimmers als Bühnenbild für die Mörbisch-Operette „Der Zarewitsch“ und sorgte erstmals für Schlagzeilen. Auch in Polen wurde man auf Tauschitz‘ Kunstfertigkeit aufmerksam, Teile der damaligen Installation wanderten später dorthin. Unter anderem nach Mamerki, hart an der Grenze zu Russland, wo ein Bunkerkomplex der Nazis heute eine Touristenattraktion ist.
Bernsteinzimmer für ein Privatmuseum
Und genau in diesem Ort will nun ein Pole ein Privatmuseum errichten, in dem auch ein Nachbau des Bernsteinzimmers Platz findet. Die Wände werden aus der Steiermark angeliefert, werden aber naturgemäß nicht aus Bernstein und Gold wie das verschollene Original bestehen: Tauschitz arbeitet in ihrer überschaubaren Werkstatt („wir müssen ständig improvisieren“) mit Epoxidharz. Sie wird auch für die Nachbildung des Deckengemäldes zuständig sein und dafür die Werkstatt des Grazer Opernhauses nutzen können. Einzig der prächtige Intarsienboden wird direkt in Polen angefertigt.
Bei den feinen Modellierarbeiten werden Tauschitz auch Kameras über die Schultern blicken: Ein polnisches TV-Team hat sich bereits angekündigt. Und wer weiß: Wenn in nächster Zeit wieder ein vielversprechendes Wrack am Boden der Nordsee gefunden wird, könnte das Bernsteinzimmer erneut für elektrisierende Schlagzeilen sorgen.
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