Klare Worte beim Heer

Warum die Miliz trotz Sparkurs noch am Leben ist

Steiermark
27.04.2024 08:00

Mehr als 5300 Milizsoldaten gibt es in der Steiermark. Finanziell lange Zeit ausgehungert, gibt es für die Personalreserve des Bundesheeres nun wieder mehr Geld. Doch eine große Sorge bleibt. Ein scheidender Kommandant findet klare Worte.

Die vielzitierte „Zeitenwende“ hat beim österreichischen Bundesheer vor zwei Jahren begonnen. Seit Russland versucht, die Ukraine zu erobern, bekommt das heimische Militär plötzlich Milliarden Euro, um den Investitionsstau der vergangenen Jahrzehnte abzubauen. Vorbei sind die Zeiten, als beim Heer der Sparstift das schärfste Regiment führte – und auch die Miliz stark darunter litt.

Konstantin Pochmarski (50), zwölf Jahre lang Kommandant des Versorgungsbataillons in Gratkorn, kann sich noch gut daran erinnern. Mitte der 2010er-Jahre war die Budgetlage am dramatischsten. Es gab Beschränkungen, wie viele Kilometer mit Lkw man fahren durfte, Sprit und Munition waren stark rationiert, Übungen mussten verschoben werden. „Ein Transportzug besteht eigentlich aus 24 Lkw. Wenn nur sieben oder acht vorhanden sind, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit.“

Konstantin Pochmarski bei einer Milizübung des Versorgungsbataillons (Bild: Bundesheer/VR1)
Konstantin Pochmarski bei einer Milizübung des Versorgungsbataillons

Hoher Einsatz ließ Miliz überleben
„Die Miliz lebt noch, weil ein Großteil der Beteiligten bereit war und ist, über die Übungen hinaus viel Zeit zu investieren“, so Pochmarski. Unentgeltlich, versteht sich. „Sonst hätten wir einpacken können.“ Pochmarskis Versorgungsbataillon besteht aus exakt 666 Soldaten, fast alle gehören der Miliz an. Dabei handelt es sich um die Personalreserve des Heeres, die laufend ausgebildet werden muss, um im Ernstfall in den Einsatz geschickt zu werden. 

Ein solcher Ernstfall drohte im Frühjahr 2020, als die erste Corona-Welle das Land mit voller Wucht traf. Berufssoldaten und Grundwehrdiener aus Gratkorn (Versorgungsregiment 1) unterstützten bei der Verteilung von Medikamenten und Lebensmitteln. Es gab auch Vorbereitungen, um das Miliz-Bataillon zu mobilisieren. Die Lage hat sich dann aber noch rechtzeitig beruhigt. 

Zur Person

  • Konstantin Pochmarski wurde 1973 geboren. 1991 rückte er beim Versorgungsregiment ein, danach war er zur Finanzierung seines Jus-Studiums bis 1995 Zeitsoldat
  • Nach dem Abrüsten wurde der Grazer Milizoffizier im damaligen Transportbataillon, das 2007 im neu aufgestellten Versorgungsbataillon aufging. Dort war Pochmarksi zunächst stellvertretender Bataillonskommandant, ab 2010 dann Kommandant. 
  • Diese Aufgabe übte der Rechtsanwalt bis 2022 aus, die offizielle Übergabe erfolgte erst am 26. April 2024. 

Pochmarski, im Zivilberuf Rechtsanwalt, schwärmt von „seinem“ Bataillon. Alle zwei Jahre trifft es sich zu Übungen. Am wichtigsten dabei für ihn: „Kein Leerlauf! Die Ausbildungszeit muss möglichst intensiv und sinnvoll genutzt werden.“ Wer eine Woche lang von Job und Familie weg beim Heer ist, dessen Zeit darf nicht verschwendet werden.

„Der Personalmangel trifft alle“
Am Freitag übergab der Grazer Pochmarski das Kommando des Versorgungsbataillons an Patrick Schuster. Er nimmt also gerade Abschied, wenn beim Bundesheer wieder kräftig in Ausrüstung und Fahrzeuge investiert wird. Das sieht Pochmarski natürlich positiv. Ein Problem bleibt aber: der Personalmangel.

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Der Milizsoldat kann seinen Arbeitgeber verärgern oder sich für seine Milizübung Urlaub nehmen. Ich habe beides bei meinen Milizsoldaten erlebt. Beides ist aber unzumutbar

Konstantin Pochmarksi

Zu wenige Soldaten melden sich nach ihrer Grundausbildung freiwillig zur Miliz. Um die Lücken zu schließen, wird es nach Meinung Pochmarskis ohne Verpflichtungen (wie bis 2004) nicht gehen. Zugleich sieht er „die Möglichkeiten, um Anreize zu schaffen, keineswegs bereits erschöpft.“ Es brauche insbesondere Vorteile für Betriebe, die Mitarbeiter für eine Milizübung freistellen, etwa in der Steuer- und Sozialgesetzgebung. „Der Milizsoldat kann seinen Arbeitgeber verärgern oder sich für seine Milizübung Urlaub nehmen. Ich habe beides bei meinen Milizsoldaten erlebt. Beides ist aber unzumutbar.“

Das Versorgungsbataillon

  • Das in der Gratkorner Hackher-Kaserne stationierte Versorgungsbataillon besteht aus 666 Soldaten, die überwiegende Anzahl sind Milizsoldaten. Sie werden in wichtigen Schlüsselfunktionen durch Berufssoldaten unterstützt. 
  • Das Bataillon besteht aus fünf Kompanien: eine Stabskompanie zur Eigenversorgung, drei Nachschub-Transportkompanien, welche andere Einheiten mit Munition, Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten etc. versorgen, sowie einer Wach-Sicherungs-Kompanie, welche die Transporte schützt.

Nur 14 Prozent wollen Österreich verteidigen
Ein Hindernis für die Gewinnung von Milizsoldaten dürfte auch die geringe Bereitschaft der Österreicher sein, unser Land mit der Waffe zu verteidigen. Laut einer aktuellen Studie der Uni Innsbruck würden das nur 14 Prozent der Bevölkerung machen! Gleichzeitig erwarten mehr als 70 Prozent, dass ein anderes Land Österreich im Falle eines Angriffs verteidigen würde.

Militärischer Beistand von anderen Staaten zum Nulltarif? Für Pochmarski ist das „unrealistisches Wunschdenken“. Laut dem Grazer müsste die Politik der Bevölkerung eindeutig aufzeigen: „Entweder steht Österreich als neutraler Staat alleine und muss sich bei einem Angriff auch alleine wehren. Oder Österreich entschließt sich, Teil eines Militärbündnisses zu werden.“

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