In der letzten Sitzung

Innsbrucker Gemeinderat kann auch friedlich sein

Tirol
01.05.2024 08:00

Viele Emotionen spielten bei der finalen Zusammenkunft des Innsbrucker Gemeinderats dieser Legislaturperiode eine Rolle, doch die waren ausnahmsweise nicht von Wut geprägt, sondern von Wehmut und Hoffnung auf die nächsten sechs Jahre.

Ein letztes Mal traf sich der Innsbrucker Gemeinderat im sechsten Stock des Innsbrucker Rathauses in dieser Konstitution. Ein letztes Mal auch für Georg Willi im Bürgermeistersessel. Der nächste Bürgermeister, Johannes Anzengruber, ihm gegenüber in der letzten Reihe, mitten unter den Mandatarinnen und Mandataren. Auch zum letzten Mal. Passend zur finalen Gemeinderatssitzung der vergangenen Periode das durch die SPÖ ausgewählte Thema für die Aktuelle Stunde: „Rückblick und Ausblick“.

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Manche Projekte, die ich geerbt habe waren schön, andere weniger. Ich möchte mich bei allen bedanken. 

Georg Willi

 Der Rückblick war gemischt, die unzähligen Streitigkeiten wurden nicht unter den Tisch fallen gelassen. Und gestritten wurde viel, wie Reinhold Falch, scheidender Seniorenbund-Mandatar, meinte: „Die Zusammenarbeit hat gefehlt. Wir brauchen die Rückkehr zu einer vernünftigen Sachpolitik.“

„Waren eh ganz freundlich miteinander – in Teilen“
Am Ende haben sie es doch geschafft: Respekt, Wertschätzung und Friede im Innsbrucker Gemeinderat. „Solche Sitzungen haben ein gewisses Flair“, stellte der Klubobmann der Innsbrucker VP, Christoph Appler, fest. Er wird nicht mehr im nächsten Gemeinderat vertreten sein. „Solange die Öffentlichkeit nicht dabei war, waren wir eh ganz freundlich miteinander – in weiten Teilen!“ Julia Seidls (Neos) Stimme zitterte ein bisschen – die Neos wurden hinausgewählt. „Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut wie ich es gerne möchte und ich mag die Hälfte von euch nicht so gern wie ihr es eigentlich verdient hättet“, zitierte Seidl aus „Herr der Ringe“ und sprach – den Gesichtern nach zu urteilen – vielen aus der Seele.

Julia Seidl (Neos) wird zukünftig nicht mehr im Gemeinderat sein (Bild: Birbaumer Johanna)
Julia Seidl (Neos) wird zukünftig nicht mehr im Gemeinderat sein

Mesut Onay (ALI) lobte die Sitzungsführung von Markus Lassenberger (FPÖ), wird die Caprese-Koalition (Anzengruber, Grün und Rot) Realität, ist es auch damit vorbei. Lassenberger selbst verzichtet auf das Nachkarten und plädiert auf das Miteinander, ohne dass Fraktionen ausgeschlossen werden.

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Wir haben uns oft komisch aufgeführt, wir sind nicht mit besten Beispiel für die Gesellschaft vorangegangen

Johannes Anzengruber

„Wir haben uns oft komisch aufgeführt“
Als Gerald Depaoli (Gerechtes Innsbruck) ans Mikrofon ging, waren alle gespannt. Wird es eine letzte Wutrede geben? Depaoli schluckte. Und überraschte: Er sei froh, dass das Ziel, einen neuen Bürgermeister zu bekommen, erreicht sei. Aber dann: „Ich entschuldige mich dafür, vielleicht manchmal überzeichnend gewesen zu sein, es ist eben meine Art.“ Schlussendlich bietet er Uschi Schwarzl (Grüne) – niemand anderer wurde wohl öfter Opfer seines Spottes – an, dass die beiden, da sie ja beide ihre Politpension antreten, zusammen auf Depaolis Tandem-Fahrrad einen Ausflug machen könnten. Schwarzl geht lachend darauf ein: „Aber am Steuer sitze ich!“

Der designierte Bürgermeister Johannes Anzengruber (Bild: Birbaumer Johanna)
Der designierte Bürgermeister Johannes Anzengruber

Der designierte Bürgermeister Hannes Anzengruber läutet in seiner Rede die neue Periode ein: „Bitte nehmt den Angelobungstext ernst, schauen wir auf das Miteinander. Wir haben uns oft komisch aufgeführt, wir sind nicht mit bestem Beispiel für die Gesellschaft vorangegangen und haben oft die Wertschätzung für dieses Haus verloren. Das möchte ich allen neuen Fraktionen mitgeben: Lasst Befindlichkeiten hinten, Emotionen ja, aber schauen wir, dass wir Disziplin bewahren.“

Man wird sehen, wie lange die friedliche Stimmung anhält...

„Krone“-Kommentar von Markus Gassler
Tiroler Volkspartei muss aufwachen!

Nach der schwersten Wahlniederlage aller Zeiten ist nun ein starker VP-Landesparteiobmann gefragt. Anton Mattle muss nun Führungsstärke zeigen. Dass er es kann, hat er als Unternehmer und Bürgermeister von Galtür mehrfach bewiesen. Er muss den Scherbenhaufen in Innsbruck rasch aufräumen, den ihm Christoph Appler und Christine Oppitz-Plörer – mit freundlicher Unterstützung der Landespartei und deren Berater – hinterlassen haben. Eigentlich wollte Florian Tursky – verständlicherweise – ja noch am Wahlabend zurücktreten, doch dann wäre Oppitz-Plörer schon wieder zum Zug gekommen. Daher musste Tursky in den sauren Apfel beißen und reumütig auf Johannes Anzengruber zugehen

Dabei hat die Volkspartei ganz genau gewusst, mit wem sie sich da einlässt. Oppitz-Plörer war seit 2008 bei jeder „Schweinerei“ dabei, wenn es gegen die ÖVP gegangen ist. 2008 sympathisierte sie mit Fritz Dinkhausers Liste, 2012 verhinderte sie erfolgreich die ÖVP-Hoffnung Christoph Platzgummer, 2013 trat sie selbst mit vorwärts Tirol – einer deklarierten Anti-VP-Liste – bei den Landtagswahlen an und vor der Wahl 2024 verhinderte sie Johannes Anzengruber als VP-Obmann.

Ich weiß nicht, was noch alles passieren muss, bis die Landespartei endlich aufwacht. Wenn sie nämlich so weiter macht, dann scheitert sie das nächste Mal in Innsbruck wirklich an der 4-Prozent-Hürde. Und nach dem Bundeskanzler im Herbst ist dann 2027 womöglich auch der Landeshauptmann dahin. Georg Dornauer (SPÖ) wäre jedenfalls startklar.

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