Die „rechte Murseite“ gilt in Graz traditionell als vernachlässigt, das beklagten zuletzt auch prominente Unternehmer wie Hotelier Florian Weitzer. Die KPÖ-geführte Grazer Koalition will sie nun in den Fokus rücken – und investieren, etwa im Bezirk Gries. Was sie sonst noch bis zur nächsten Wahl 2026 vorhat, legte sie zur Halbzeitbilanz offen.
Im September 2021 sorgte die Grazer Gemeinderatswahl für internationales Aufsehen: Die KPÖ schaffte mit 28,8 Prozent einen Sensationswahlsieg, ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl stürzte mit seiner Partei um 11,9 Prozentpunkte ab. Seit 17. November 2021 wird Graz nun von einer außergewöhnlichen Koalition aus KPÖ, Grüne und SPÖ regiert – wobei vor allem Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) weiter in Umfragen punktet. Vor diesem Hintergrund zog die Koalition am Freitag zur Halbzeit der Regierungsperiode Bilanz: „Wir haben weit mehr als die Hälfte unseres ambitionierten Programms abgearbeitet“, sagt Kahr.
In meiner Antrittsrede habe ich gesagt, dass es mein Ziel ist, Graz mit all seinen Menschen, jung und alt, hier geboren oder zugezogen, in seiner Vielfalt freundlicher, sozialer, ökologischer und demokratischer zu machen.
Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ)
Das bei der Antrittsrede erklärte Ziel lautete: „Graz sozialer, ökologischer und demokratischer zu machen“. So konnten 300 neue Gemeindewohnungen und ein niederschwelliger Kautionsfonds errichtet, das Angebot des Sozialamts und Stadtteilzentren ausgebaut werden. Auch Gehaltspakete für Pflegeangestellte wurden geschnürt, das Pionierprojekt Gesundheitsdrehscheibe wurde gestartet. Die grüne Vizebürgermeisterin Judith Schwentner ist auf über 1500 neue Bäume, das Projekt Neutorgasse und 15 neu bestellte Straßenbahnen stolz.
Kinder und Jugendliche als Zukunftsthema
Aber wie soll es in der zweiten Hälfte der Regierungsperiode weitergehen? „Wir wollen verstärkt 8020 aufwerten“, sagt Schwentner. Da geht es zum Beispiel um die Neugestaltung des Griesplatzes, des Rösselmühle-Areals (das Industriedenkmal brannte ja im Vorjahr ab) sowie der Josef-Huber-Gasse.
Passend zur traditionell sozial schwächeren „rechten Murseite“ sollen Kinder und Jugendliche aus solchen Milieus künftig stärker gefördert werden. „Es braucht Angebote, damit Kinder, egal welcher Herkunft, nicht abdriften“, betont Kahr. „Wir müssen ihnen Halt und Perspektive geben – es braucht Unterstützung statt Bootcamps.“ Sozial Schwächeren soll mit kostenlosen Mittagessen bei der Küche Graz und der neuen Bahnhofmission geholfen werden.
Im Mai werden neue Investitionen beschlossen
Um Kinder geht es auch bei dem Kinderrad-Bonus, der nun auf alle Drittklässler ausgeweitet wird. 250 Euro werden dafür pro Kind in die Hand genommen. Ein Fokus auf Schulen lässt sich aus dem neuen Investitionsplan herauslesen: Knapp 24 Millionen Euro werden noch im Mai beschlossen, die größte Summe geht mit 8,3 Millionen Euro in den Pflichtschulausbau. Mit der Markthalle am Hofbauerplatz in Eggenberg und der Sanierung des Jugendzentrums Login (Straßgang) werden weitere Millionen für Projekte auf der rechten Murseite in die Hand genommen.
Die Opposition sieht dennoch in Sachen Bildung Nachholbedarf: „Die Stadtregierung muss endlich massiv in Bildung investieren. Gerade auf der rechten Murseite braucht es jetzt einen Ausbauturbo für Kindergärten und Krippen“, sagt Neos-Fraktionsvorsitzender Philipp Pointner. Die Koalition mache eine „Politik von unten“ statt mit Überblick, kritisiert die Grazer ÖVP. „Baustellenchaos, verschlafener Öffi-Ausbau, das Sparen an der Zukunft unserer Kinder in Bildung und Betreuung und versäumte Investitionen in die Infrastruktur, nicht zuletzt im Sport“, zählt Parteiobmann und Stadtrat Kurt Hohensinner auf.
Auffallend bei der Präsentation am Freitag war, dass die Koalition weiterhin auf eine Politik der kleinen Schritte setzt. Große Visionen und Leuchtturmprojekte fehlen, auch die Stadionfrage ist weiter ungeklärt.
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