Bereits seit 2022 beschäftigt ein Prozess um einen brutalen Messer-Mord in Algerien das Grazer Straflandesgericht. Angeklagt ist ein 27-jähriger Algerier, der genau nach der Bluttat nach Österreich flüchtete. Am Mittwoch wurde er vom Mordvorwurf freigesprochen. Nach fünf Jahren U-Haft durfte er gehen.
Ein 16,5 Zentimeter (!) tiefer Messerstich in den Brustkorb bedeutete im Dezember 2019 für einen 22-jährigen Algerier den Tod – das Ende einer Rauferei unter rund zehn jungen Männern in Constantine, der drittgrößten Stadt des nordafrikanischen Landes.
Mit diesem Mord, der nun schon fünf Jahre her ist, befasst sich seit Anfang April 2022 in Graz ein Geschworenengericht. Am Mittwoch fand bereits der fünfte Prozesstag statt. Der 27-Jährige fühlte sich bis dato nicht schuldig, sondern gab an, sein Cousin sei der Täter gewesen. Belastend für den Algerier ist aber die Tatsache, dass er sofort nach der Bluttat mit einem Taxi nach Tunesien fuhr und ins Ausland flüchtete. Einige Monate später wurde er in der Steiermark aufgegriffen. Seither sitzt er in Graz in Untersuchungshaft.
„Es ist einfach Schicksal gewesen“
In seiner Heimat wurde der Tatverdächtige mittlerweile in Abwesenheit wegen Mordes verurteilt, daher kommt eine Auslieferung nicht infrage – ihm droht die Todesstrafe. Vor Gericht beteuerte der adrette junge Mann, dass er schon länger habe ausreisen wollen. Er soll tatsächlich schon ein Visum für die Türkei gehabt haben. Dass dann der Mord und seine Ausreise auf denselben Tag fielen, sei einfach „Schicksal“ gewesen.
Das einzige, das gegen ihn spricht ist, dass er nach der Tat das Land verlassen hat.
Der Verteidiger
„Reise lange geplant“
Das betonte auch sein Verteidiger: „Die Staatsanwaltschaft tut so, als gäbe es belastende Beweise“. Die angeführten Argumente seien aber großteils unrichtig. Als entlastend sah der Anwalt etwa die Tatsache, dass sich auf der Tatwaffe keine DNA-Spuren des Beschuldigten gefunden hatten. „Das einzige, das gegen ihn spricht ist, dass er nach der Tat das Land verlassen hat“, so der Anwalt. Die Reise sei lange vorher geplant worden, der Vorfall dürfte den Entschluss nur bestärkt haben.
Die verworrenen Ereignisse von damals zu rekonstruieren, war schwierig. Dem Messer-Mord im Zuge der Schlägerei unter rund zehn Personen dürfte eine lange Fehde zwischen rivalisierenden Gruppen junger Männer vorangegangen sein. Die beiden Cousins standen zwar auf derselben Seite, ihr Verhältnis dürfte aber auch von Streitigkeiten geprägt sein. Die Staatsanwaltschaft Graz war bei den Ermittlungen auf Kooperation mit algerischen Behörden angewiesen – und diese waren „sehr mühsam“.
Gibt Zeugen, der Bluttat gesehen hätte
Der Algerier erklärte an einem der vorangegangenen Verhandlungstage, dass er mit einem der Beteiligten gesprochen hätte, der gesehen haben will, wie der Cousin auf das Opfer eingestochen hatte. Er möchte aber nicht aussagen, „weil er Angst hat“.
Am Mittwoch dann die Entscheidung. Die Laienrichter glaubten dem Angeklagten, sprachen ihn vor Mordvorwurf frei und verurteilten ihn „nur“ wegen der Rauferei. Sechs Monate Haft, davon drei Monate Abzug wegen langer Verfahrensdauer. Der 27-Jährige wurde umgehend enthaftet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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