Die Blockadehaltung der Bundesländer gegenüber dem EU-Renaturierungsgesetz bleibt vorerst aufrecht – trotz des Schwenks der beiden SPÖ-geführten Länder Wien und Kärnten. Dieser sei zu wenig, um die bestehende Bindung aufzuheben, heißt es von der Landeshauptleutekonferenz. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) reagierte am Dienstagabend verärgert.
Etwa eine Stunde, bevor Gewessler im „ZiB 2“-Studio Platz nahm, um über das umstrittene Renaturierungsgesetz zu sprechen, war ein brisantes Schreiben aus dem Amt der niederösterreichischen Landesregierung – Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) führt derzeit die Landeshauptleutekonferenz – bekannt geworden. Der Inhalt: Die einheitliche Haltung der Bundesländer, die es Gewessler untersagt, dem Gesetz beim EU-Rat am 17. Juni zuzustimmen, bleibt aufrecht – obwohl zwei Länder ausscherten.
Kritik an Ludwig
Als „wirklich zukunftsvergessen“ kritisierte die Ministerin diese Haltung. Sie nimmt weiterhin den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in die Pflicht: Er solle klarstellen, ob die einheitliche Länderstellungnahme für Wien weiter gelte. Generell sei seine Haltung „nicht sehr ehrlich“, tadelte Gewessler. Denn zuvor habe er die „Ablehnung einzementiert“, nun sage er, das „Schlamassel“ gehe ihn nichts an, so die Grünen-Politikerin.
Sie sieht sich jedenfalls weiter an die einheitliche Länderstellungnahme gebunden. Sollte diese aber aufgehoben werden, will Gewessler auch gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP im EU-Umweltrat für das Gesetz stimmen, bekräftigte sie. Ein derartiger Alleingang ist laut ÖVP bei dieser Materie nicht möglich, die Ministerin widersprach in der „ZiB 2“.
Rückzug von zwei Ländern „zu wenig“
Die einheitliche Haltung der Länder ist aber vorerst weiter aufrecht. Nach einem Vorstoß von Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hatte Mikl-Leitner als derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz angekündigt, Beratungen mit den Bundesländern aufzunehmen. Nach der Einholung neuerlicher Stellungnahmen blieben Wien und Kärnten alleine. Laut der nun brieflich geäußerten Auffassung ist der Rückzug dieser beiden Bundesländer von der bestehenden „einheitlichen Länderstellungnahme“ zu wenig, um die bestehende Bindung aufzuheben.
WWF: Veto bezieht sich auf veralteten Entwurf
Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte die „populistische und faktenwidrige Blockadehaltung“ der sieben Bundesländer. Nötig sei „ein politischer Schulterschluss“ von Wien, Kärnten und der Umweltministerin für eine Zustimmung Österreichs, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber krone.at. Insbesondere Wien müsse eine klare Position gegen das Länder-Veto beziehen, das auf einem „veralteten Entwurf“ beruhe.
Nicht einstimmige Aufhebung „absolutes Neuland“
Gemeinsame Bundesländerbeschlüsse binden in jenen Angelegenheiten, die – wie Umwelt- und Naturschutz – Ländersache sind, die österreichischen Ministerinnen und Minister im EU-Rat. Eine nicht einstimmige Aufhebung einer solchen „einheitliche Länderstellungnahme“ ist laut dem Verfassungs- und Verwaltungsjuristen Peter Bußjäger „absolutes Neuland“. Über die dafür notwendigen formalen Voraussetzungen herrscht unter Experten Uneinigkeit.
Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restauration Law) sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Nach langen Verhandlungen wurde es in einer abgeschwächten Form, die viele der früheren Kritikpunkte wie eine mögliche Gefährdung der Ernährungssicherheit berücksichtigte, im EU-Parlament beschlossen.
Österreich könnte Zünglein an der Waage sein
Ende März wurde es jedoch von der belgischen Ratspräsidentschaft beim Rat der EU-Umweltminister kurzfristig von der Agenda genommen, als sich vor der finalen Absegnung des Gesetzes keine qualifizierte Mehrheit (mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zudem mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union repräsentieren) abzeichnete. Österreich, das sich bisher enthielt, könnte daher eine entscheidende Rolle spielen – falls das Thema beim nächsten EU-Umweltrat am 17. Juni in Luxemburg von der belgischen Ratspräsidentschaft erneut auf die Agenda gesetzt wird.
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