Rainer Nowak, Superressortleiter der „Krone“, analysiert die vorläufigen Trendprognosen für die EU-Wahl.
Willkommen am Wahlsonntag. Die folgenden Zeilen sind auf Grundlage der sogenannten Trendprognose verfasst, Details können sich noch ändern, eine echte Hochrechnung beziehungsweise ein Ergebnis wird es erst nach 23 Uhr geben. Zu diesem Zeitpunkt schließen die Wahllokale in Italien, und unsere südlichen Nachbarn gehen erst einmal verdient zum Apero über.
Für Österreich ist der heutige Wahlsonntag jedenfalls ein historischer und wird ein Ergebnis bringen, wie es die zweite Republik noch nie gesehen hat. (Die erste natürlich auch nicht.) Die Freiheitlichen liegen das erste Mal bei einer bundesweiten Wahl auf Platz eins. Die 30 Prozent haben sie nicht erreicht, wie manche Gegner schon prognostiziert hatten.
Erwartungshaltungsmanagement nennt man das: Am Wahlsonntag wird dann in der politischen Szene gestreut, dass die FPÖ auch nicht so abhebe wie befürchtet.
Oder anders gefragt: Was wäre eigentlich passiert, wenn Karo Edtstadler ihrem Parteichef Karl Nehammer doch zugesagt hätte und Spitzenkandidatin geworden wäre? Oder was wäre gewesen, wenn die SPÖ Wiens heißes Eisen Stadtrat Peter Hanke oder den leutseligen Klubchef Philip Kucher in den Ring geschickt hätte? (Die Grünen dürfen sich auch fragen: Warum hat Infrastrukturministerin Leonore Gewessler doch gleich für den Job abgesagt?) Die FPÖ wäre nun vielleicht doch nicht auf Platz eins.
Die Alarmglocken der SPÖ sollten wesentlich lauter klingen
Dieser Wahlsieg war abzusehen, die beiden Europaparteien ÖVP und SPÖ hatten sich mit dem FPÖ-Durchmarsch schon abgefunden, das riecht und bestraft der Wähler. Für beide Parteien sollten die Alarmglocken läuten, in nicht einmal vier Monaten geht es um die Nationalratswahlen und die künftige Regierung. Die der SPÖ sollten noch wesentlich lauter klingen, immerhin steht Andreas Babler vor einem veritablen Problem namens Bierpartei, die der SPÖ (und den Grünen) Stimmen kosten dürfte. Auch intern wird er weiter in der Kritik mehrerer Bundesländer wie dem Burgenland, Niederösterreich und Tirol stehen.
Ein halber Wahlsieger und ein echter
Karl Nehammer kann jedenfalls trotz Minus persönlich aufatmen, der Absturz auf die 20-Prozent-Marke wurde verhindert, damit ist ihm die Loyalität der Landeshauptleute sicher. Ihm ist es gelungen, die Partei nach Sebastian Kurz und den Korruptionsvorwürfen zu stabilisieren. Mit Platz zwei wäre er ein halber Wahlsieger, der sich freuen kann.
Zurück zum echten Wahlsieger: Herbert Kickl ist nun also der nächste Spitzenkandidat, der einen bundesweiten Sieg schaffen könnte und damit im Poker um die nächste Regierung dabei ist. Egal, wie viele schlaflose Nächte das Alexander Van der Bellen bereitet. In den kommenden Wochen und Monaten wird man Kickl daran messen, was er programmatisch vorlegt. Nur die Regierung anzugreifen, wird zu wenig sein.
Auf das Wirtschaftsprogramm der FPÖ warten wir schon recht lange. Immer wieder wird in politischen Kreisen debattiert, ob Kickl eventuell den Weg für eine blau-schwarze oder gar blau-rote Regierung frei machen würde und etwa erster Nationalratspräsident wird. Ich halte das für so gut wie ausgeschlossen, einen solchen Rückzieher wird Kickl nicht machen.
Ja, 1999 kandidierte nicht Susanne Riess, auch nicht Jörg Haider, sondern ein gewisser Thomas Prinzhorn auf Platz eins der FPÖ-Liste. Nach der Wahl wurde dann Wolfgang Schüssel Kanzler, Riess-Passer Vizekanzlerin, Haider ewiger Bärentaler. Aber die Situation ist nicht vergleichbar: Die FPÖ liegt im Herbst wohl ganz vorne. Kickl wird dies als seinen Verdienst sehen und niemand in der FPÖ wird das infrage stellen.
Dabei ist die Macht Kickl keineswegs so uneingeschränkt: Die großen Wiener, die mächtigen Oberösterreicher und die Salzburger (beide in Landesregierungen) gelten als Kickl-kritisch. Aber gegen ihn aufbegehren werden sie nicht. Warum? Wer Wahlen gewinnt, gewinnt auch die Partei. Und er gewinnt, wie heute bewiesen wurde.
Guten Restsonntag und schönen Wochenstart.
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