Mit dem Einzug ins EU-Parlament rechnet aufgrund der hinteren Listenplätze niemand. Doch keinen der fünf Kandidaten hat dies davon abgehalten, sich im Wahlkampf zu engagieren. Doch wie stehen sie zur Europäischen Union – und was wollen sie ändern?
Von 705 auf 720 Mandate wird die Zahl der EU-Abgeordneten nach der Wahl erhöht. Für Österreich bedeutet dies, dass künftig 20 Parlamentarier die rot-weiß-roten Interessen in Brüssel vertreten werden. Ein Vorarlberger wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unter ihnen befinden. Philipp Kreinbucher auf Platz sieben der SPÖ-Liste ist derjenige, der wohl die größten Chancen hat. Johannes Hartmann von den Grünen kandidiert auf Platz acht, Joachim Fritz von der FPÖ auf Platz sieben. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP) wurde an zehnter Stelle gereiht, NEOS-Kandidat Christoph Gruber auf Rang 14.
Im Wahlkampf waren dennoch alle engagiert – sei es, um den Bekanntheitsgrad für die Landtagswahl im Herbst zu steigern oder schlicht und einfach, um über die EU zu informieren oder sich für ein geeintes Europa einzusetzen.
Wie schwer es ist, ein EU-Mandat zu erringen, zeigt das Wahlergebnis des Urnengangs im Jahr 2019. Dort erhielt die ÖVP die größte Zustimmung (34,55 Prozent) und durfte sieben Abgeordnete entsenden. Die NEOS holten 2019 genau ein Mandat. Dieses fiel Spitzenkandidatin Claudia Gamon zu. Die einzige Vorarlbergerin im Parlament konzentriert sich nun auf die Landespolitik und tritt am Sonntag nicht mehr zur Wahl an.
Unerreichbar sind EU-Mandate für Vorarlberger aber nicht. Mit Hans-Peter Martin (zunächst über die Liste der SPÖ, dann als Spitzenkandidat der eigenen Partei) und Herbert Bösch hatten zwei Vorarlberger gleich für 15 beziehungsweise 14 Jahre einen Sitz im Europäischen Parlament inne. Hans-Peter Martin war von 1999 bis 2014 in Brüssel, Herbert Bösch von 1995 bis 2009.
Die fünf Kandidaten im Porträt
Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP): In Wirtschaftskreisen ist die 49-jährige Lustenauerin schon lange bekannt. 2019 wurde sie zur ersten Vizepräsidentin der Vorarlberger Industriellenvereinigung gewählt. 2020 übernahm sie das Bundesratsmandat von Magnus Brunner. Mit einem EU-Mandat rechnet sie nicht – auch wenn sie in den Wahlkampf mehr Zeit als geplant investiert und an allen Diskussionsrunden teilgenommen habe: „Dabei ist es mir vor allem um die Gespräche mit den Menschen gegangen. Ich habe mich bemüht, über die Arbeit und Vorzüge der EU zu informieren.“ Sicher laufe nicht alles rund in Brüssel, deshalb gehe es auch darum, Dinge zu verbessern. Etwa im Wirtschaftsbereich: „850 neue Regelungen hat es für Unternehmen in der vergangenen Periode gegeben, diese ersticken nun in Bürokratie.“ Könnte sie auf EU-Ebene etwas ändern, würde sie folglich den Bürokratieabbau in Angriff nehmen. „Wichtig wäre es aber auch, mehr Geld in die Entwicklungshilfe zu investieren, um die Landwirtschaft in stark wachsenden Ländern in Asien und Afrika zu stärken.“ Ein erster Schritt, damit sich Menschen, die Hunger leiden, nicht auf den Weg nach Europa machen.
Joachim Fritz (FPÖ): Seit 30 Jahren ist der Mittelberger als Polizeibeamter tätig. „Migration und Sicherheit – das sind auch die Themen, bei denen ich sattelfest bin. Im Bereich Wirtschaft bin ich nicht so der Experte“, gibt Joachim Fritz unumwunden zu. 2015, als die Flüchtlinge kamen, sei er am Grenzübergang Spielfeld gewesen: „Es waren keine Kontrollen möglich, der Staat wurde überrannt.“ Der Schutz der Außengrenzen funktioniere immer noch nicht – und daher sei dies eines seiner größten Anliegen. Zudem sollten sich die EU-Mandatare wieder mehr um die Themen Wohlstand, Freiheit und Frieden kümmern und alle Hebel in Bewegung setzen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Sich selbst bezeichnet der 49-Jährige übrigens als absoluten EU-Befürworter: „Ich bin im Kleinwalsertal geboren, das vor dem EU-Beitritt zum deutschen Wirtschaftsraum gehört hat. Somit bin ich schon früh in den Genuss länderübergreifender Zusammenarbeit gekommen.“ Die größte Errungenschaft der EU ist für ihn die Reisefreiheit: „Das habe ich als Musiker, der über 32 Jahre mit einer Partyband in ganz Europa aufgetreten ist, besonders genossen.“
Philipp Kreinbucher (SPÖ): Aufgewachsen mit Reisebeschränkungen und den vielen verschiedenen Währungen, sieht der gebürtige Steirer Philipp Kreinbucher (38) den freien Personen- und Warenverkehr sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit als größte Errungenschaften der Europäischen Union. „Wichtig ist, die EU wie sie ist zu erhalten und das Grundgerüst gegen rechtsextreme Parteien zu verteidigen.“ Auch er hat in einigen Bereichen klaren Verbesserungsbedarf geortet: „Mich stört ungemein, dass uns einzelne Staaten wie Ungarn am Gängelband durch die Manege ziehen und wir durch dieses Einstimmigkeitsprinzip erpressbar sind.“ Ebenfalls unnötig sei, dass das gesamte Parlament einmal im Jahr von Brüssel nach Straßburg zieht: „Das muss abgeschafft werden, die Übersiedelungsaktion kostet nur Geld und das kann man der Bevölkerung nicht mehr erklären!“ Um künftig wirtschaftlich bestehen zu können, sei es wichtig, Industriebetriebe in die EU zurückzuholen und die Abhängigkeit von anderen Staaten – etwa bei den Medikamenten – zu beenden. „Dafür muss dann auch die Infrastruktur, z. B. ein länderübergreifendes Schienennetz, funktionieren.“
Johannes Hartmann (Grüne): Der gelernte Gesundheits- und Krankenpfleger hat sich als Aktivposten bei „Fridays for Future“ einen Namen gemacht. Seit Jahren setzt sich Johannes Hartmann für Umwelt- und Klimaschutz ein. Die aktuellen politischen Entwicklungen – die fortschreitende Klimakrise und der Rechtsruck in Europa – haben den Schoppernauer zur Kandidatur bewogen. Was ihn an Brüssel fasziniert: „Man sieht, dass die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene funktionieren kann. Das gibt Hoffnung für den Klimaschutz.“ Sorgen macht ihm, dass die rechten Parteien auf dem Vormarsch sind. Eben jene Kräfte, welche die Errungenschaften der EU bei den Menschenrechten oder eben auch im Bereich Klimaschutz in Gefahr bringen würden. Neben dem Renaturierungsgesetz, das dringend umgesetzt werden sollte, wünscht sich der 28-Jährige weitere Maßnahmen beim „European Green Deal“, also jenem Paket politischer Initiativen, mit dem die EU den Natur- und Klimaschutz forcieren will. Zudem sollte die Demokratie gestärkt, die Jugendbeteiligung ausgebaut und über das Einstimmigkeitsprinzip diskutiert werden.
Christoph Gruber (NEOS): „In Europa verbindet uns mehr, als viele denken. Wir müssen begreifen, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen müssen, um Lösungen zu finden“, meint Christoph Gruber. Die großen Herausforderungen in Sachen Sicherheit, Klimaschutz und Infrastruktur ließen sich nur gemeinsam lösen – und genau darin läge auch der große Vorteil der EU. Verbesserungsbedarf sei vor allem bei der Entscheidungsfindung gegeben: „Durch das Einstimmigkeitsprinzip kann jemand wie Viktor Orbán die Fortschritte der gesamten Union alleine blockieren“, ärgert sich der 34-Jährige. Der zweifache Vater aus Zwischenwasser ist Gründungsmitglied der Pinken, war parlamentarischer Mitarbeiter von Matthias Strolz und verdient nun seine Brötchen als Controllingleiter in einem Vorarlberger Industrieunternehmen. Auch wenn mit Listenplatz 14 ein EU-Mandat illusorisch ist, hat er klare Vorstellungen davon, was sich in Brüssel ändern soll: „Ich wünsche mir eine echte EU-Regierung mit mehr Kompetenzen und eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten. Dann wird die EU die Handlungsfähigkeit erhalten, die sie braucht.“
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