Manuel Scherscher, einst enger Mitarbeiter von Wolfgang Sobotka im Innenministerium, kandidierte 2019 für die ÖVP unter Sebastian Kurz für den Nationalrat. Nun soll er die Ermittlungen gegen Finanzjongleur René Benko vorantreiben, der mit Sobotka und Kurz ein Naheverhältnis pflegte.
Manuel Scherscher ist ein Fan von Sebastian Kurz. Er hat sich 2019 eine türkise „Wir für Kurz“-Jacke übergezogen und gemeinsam mit dem ÖVP-Parlamentarier Andreas Hanger im Wahlkampf Werbung gemacht für den damaligen Frontmann. Er hat nicht nur mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger posiert, sondern auch mit Wolfgang Sobotka, seinem ehemaligen Chef im Innenministerium.
Sobotka stammt wie Scherscher aus dem Mostviertel. Der heutige Nationalratspräsident führte damals die niederösterreichische Landesliste an. Auf der ÖVP-Liste des Mostviertels für die Nationalratswahl 2019 fand sich Scherscher an fünfter Stelle. Ein Foto auf seinem Facebook-Profil zeigt ihn auch mit Sebastian Kurz.
Dieser Einsatz für Kurz und die Volkspartei wäre grundsätzlich vollkommen in Ordnung und nicht der Rede wert. Warum sollte ein engagierter Ortsvorsteher und stellvertretender Ortsparteiobmann der ÖVP Amstetten nicht für seine politischen Positionen einstehen? Doch bei Scherscher verhält sich die Sache ein wenig delikater: Denn, der 45-Jährige ist seit 2017 in einer exponierten Position tätig.
Anschein der Befangenheit?
Scherscher leitet die Abteilung Wirtschaftskriminalität im österreichischen Bundeskriminalamt. In dieser Funktion ist der Kriminalist, der zwischenzeitlich sogar stellvertretender Direktor dieser Behörde war, auch Chef der Anfang März 2024 eingerichteten SOKO Signa, die die Ermittlungen gegen Finanzjongleur René Benko rund um die größte Pleite der Zweiten Republik vorantreiben soll.
Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka sind offensichtlich Benko-Vertraute. Könnte hier nicht schon aufgrund der jüngeren politischen Vergangenheit des SOKO-Leiters der Anschein einer Befangenheit entstehen? Noch dazu, wo in der Öffentlichkeit mittlerweile der Eindruck entsteht, als würden die kriminalistischen Untersuchungen gegen Bankrotteur Benko und Co. eher schleppend voranschreiten?
Bei Benko am Gardasee
Kurz zu den Fakten: Sebastian Kurz ist mit René Benko seit Jahren eng verbunden. Als Kanzler öffnete er dem Tiroler erste Türen im Nahen Osten, als Unternehmer entwickelte er ab 2022 eine rege Geschäftstätigkeit für die Signa-Gruppe. Im Juni 2023 half Kurz dem Immobilienspekulanten Benko, eine 100-Millionen-Finanzierung aus Abu Dhabi an Land zu ziehen. In Summe stellte er rund 2,5 Millionen Euro an Honorar in Rechnung, sollte aufgrund des einsetzenden Signa-Konkurs-Reigens jedoch nur mehr eine Million erhalten.
Im Sommer 2017, kurz vor dem ersten Sprung ins Kanzleramt, war Kurz - damals Außenminister - Festredner bei Benkos exklusivem Sommerfest in der Villa Ansaldi am Gardasee gewesen. Der zweite ÖVP-Spitzenpolitiker, der zu dieser 650.000-Euro-Sause geladen war: Wolfgang Sobotka, damals Innenminister, in dessen Kabinett Scherscher werkte.
Sobotka-Flug im Benko-Privatjet
Sobotka wird von politischen Gegnern seit Jahren ein Naheverhältnis zum Immobilienspekulanten nachgesagt. Recherchen von „Krone“ und „News“ zeigen, dass die Bande zu Benko noch enger ist als bisher bekannt. Folgende geplante Treffen, vornehmlich an Randzeiten, sind in offiziellen Signa-Terminkalendern dokumentiert:
26. September 2016, Kurz und Sobotka, 22.30 Uhr
22. November 2016, Park Hyatt, Abendessen Minister Sobotka, 20 Uhr
29. März 2017, Abendessen im Schindler, Innsbruck, 20 Uhr
8. Mai 2017, Signa Büro Wien, 21 bis 22.30 Uhr
19. Juni 2017, Signa Büro Wien, 21 Uhr bis 23 Uhr
2. Mai 2018
17. Mai 2018 (mit Vorbehalt)
29. Mai 2018
5. Juni 2018, 21.30 Uhr
6. Februar 2019, Signa Büro Wien, 21.30 Uhr
16. Juli 2019, Park Hyatt, 22 Uhr
22. Jänner 2020, 20 Uhr
23. September 2020, 7.30 Uhr
27. Jänner 2021, 20.30 Uhr
20. April 2021, 21.30 Uhr
5. Juli 2023, 21 Uhr
Dazu kommt, dass Sobotka Ende Jänner 2017, als Innenminister, mit Benko in dessen Privatjet von Innsbruck nach Wien geflogen ist. Nationalratspräsident Sobotka wollte sich weder zum Flug bzw. dessen Bezahlung noch zum Grund für die zahlreichen Treffen mit Benko äußern.
Auch das Bundeskriminalamt ließ Fragen zum Anschein einer Befangenheit und zu potenziellen Interessenkonflikten seines SOKO-Signa-Chefs Scherscher unbeantwortet. Offen blieb auch, ob es eine Regelung für leitende Ermittler gibt, die für eine Partei auf der bundespolitischen Bühne aktiv werden wollen.
„Für die Abstimmung zwischen den Behörden verantwortlich“
Die Stellungnahme fiel grundsätzlich aus: „Die behördliche Leitung der SOKO-Signa liegt beim Bundeskriminalamt, nicht ad personam bei Manuel Scherscher. Scherscher ist Leiter der Abteilung für Wirtschaftskriminalität, aufgrund dieser Position und der Geschäftseinteilung fällt es in seine Zuständigkeit, die Aufgaben der behördlichen Leitung der SOKO-Signa wahrzunehmen.“ Somit vertrete er „die SOKO nach außen“ und sei „für die Abstimmung zwischen den Behörden“ (beispielsweise Bundeskriminalamt und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) verantwortlich.
Von dieser „behördlichen Leitung“ sei „die operative SOKO-Leitung“ zu unterscheiden. „Die Erteilung der Ermittlungsaufträge erfolgt durch die Staatsanwaltschaft an die operative SOKO-Leitung. Die operative SOKO-Leitung ist für die Durchführung der Ermittlungsaufträge verantwortlich und berichtet der WKStA im Sinne der Strafprozessordnung.“
Derzeit habe man dem Kernteam in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität 16 weitere Ermittlerinnen und Ermittler zur Verfügung gestellt.
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