Während in Österreich noch gestritten wurde, ging es in Luxemburg Schlag auf Schlag: Der Rat der EU-Umweltministerinnen und -minister segnete das umstrittene Renaturierungsgesetz ab – auch mit der Stimme von Leonore Gewessler (Grüne). Damit eskaliert die Koalitionskrise: Aus der ÖVP werden gleich zwei Klagen gegen sie eingebracht.
Wie der belgische Ratsvorsitz am Montag bekannt gab, wurde die „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ mit einer knappen Mehrheit im EU-Rat angenommen. Nachdem das EU-Parlament bereits für die Verordnung gestimmt hatte, kann das Renaturierungsgesetz nun in Kraft treten.
Gewessler: „Sieg für die Natur“
„Die heutige Entscheidung ist ein Sieg für die Natur“, sagte Gewessler in einer ersten schriftlichen Reaktion nach der Abstimmung. „Heute senden wir aus Luxemburg ein Signal – so dürfen wir nicht weitermachen. Unsere Natur hat sich unseren Schutz verdient.“
Bis zuletzt war unklar, ob die nötige qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der EU-Länder, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren) zustande kommt. Am Ende stimmten Italien, Ungarn, Polen, Finnland und Schweden dagegen. Belgien enthielt sich.
Nichtigkeitsklage fix
Zuvor hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einem Brief an den belgischen Ratsvorsitz erklärt, dass Gewessler nicht bevollmächtigt sei, Österreichs Stimmverhalten – bisher eine Enthaltung – zu ändern. Eine Zustimmung von Gewessler sei somit rechtswidrig. In dem Fall hatte Nehammer eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof angekündigt. Diese ist nach Gewesslers Alleingang nun fix, wie eine Sprecherin des Kanzlers am Montag bekannt gab.
Das Votum von Bundesministerin Gewessler entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen.
Aus dem Bundeskanzleramt
„Das Votum von Bundesministerin Gewessler entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden“, erklärte sie. Formal einbringen wird die Klage laut Kanzleramt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).
„Ist eine innerösterreichische Kontroverse“
Der belgische EU-Ratsvorsitz sah die Angelegenheit allerdings anders als Nehammer. „Auf unserer Seite wird vom anwesenden Minister im Raum abgestimmt, so läuft das ab“, sagte der zuständige belgische Minister Alain Maron (belgische Grüne) am Montag vor dem Treffen in Luxemburg. „Für den Rest ist das eine innerösterreichische Kontroverse, die mich nichts angeht.“ Man habe dies überprüfen lassen und die Abstimmung am Montag zum Renaturierungsgesetz sei legal.
Gewessler: „Gibt Bevollmächtigung nicht“
Einer „allfälligen“ Klage sehe sie gelassen entgegen, erklärte Österreichs Umweltministerin im Vorfeld des Ratstreffens. Auch zu Nehammers Brief gab sich Gewessler gelassen. „Es gibt die in diesem Brief angesprochene Bevollmächtigung weder im österreichischen Recht, noch im europäischen Recht. Ich werde daher vorgehen, wie vorgesehen“, sagte Gewessler vor der Abstimmung.
ÖVP zeigt Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an
Deswegen wird auch die Volkspartei eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Umweltministerin einbringen, wie Generalsekretär Christian Stocker am Montag ankündigte. Denn laut Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt sei die Ministerin gemäß der Verfassung an die Stellungnahme der Bundesländer gebunden.
„Es besteht der Verdacht, dass Leonore Gewessler mit ihrer Zustimmung zur Renaturierungsverordnung rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt – dies begründet Amtsmissbrauch“, führte Stocker in einer Aussendung aus. Die Gutachten, auf die Gewessler ihr Handeln stützt, sagen allerdings das Gegenteil. Mit derartigen „Privatgutachten“ dürfe sie sich aber nicht über den Verfassungsdienst hinwegsetzen und gesetzliche Bestimmungen missachten. Es sei daher eine gerichtliche Klärung notwendig.
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