In der Regierung herrscht nach dem Eklat um das EU-Renaturierungsgesetz tiefe Abneigung. Der Ministerrat in Präsenz wurde abgesagt. Die ÖVP zeigt Klimaministerin Leonore Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an. Ihre Parteifreundin, Justizministerin Alma Zadic, will sich dazu bemerkenswerterweise nicht äußern.
Wie tief die Gräben sind, zeigten die Wortmeldungen am Tag nach der großen Krise. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) warf Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) „blindwütigen Aktionismus“ vor und nannte sie eine „Klimakleberin“. Ein grüner Abgeordneter kontert im Gespräch mit der „Krone“: „Die Türkisen rennen wie Klimaleugner herum und erzählen Schauermärchen über das Renaturierungsgesetz.“
„Kein Weinbau mehr in der Wachau“
So wird etwa von der ÖVP behauptet, dass die Verordnung dafür sorgen werde, dass in der Wachau kein Wein mehr angebaut und Landwirtschaftsflächen um 20 Prozent schrumpfen würden. Das wolle man mit der Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Verordnung verhindern.
Vorbereitet wird auch die Anzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauchs. Die Klima-Ministerin hätte Einvernehmen mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) herstellen müssen und habe sich über den Bundesländerbeschluss gegen die Verordnung hinweggesetzt.
Die „Krone“ fragte auch bei der grünen Justizministerin Zadic zu möglichen rechtlichen Konsequenzen für ihre Kollegin nach. Zumal Zadic jegliche (ÖVP-)Attacken gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft offensiv verteidigt und sich als Hüterin der Justiz in Szene setzt. Nun aber will sie zur innenpolitischen Causa prima keine Stellung beziehen.
Das Büro der Ministerin verweist auf Anfrage auf die Statements des grünen Vizekanzlers Werner Kogler.
Laut „Krone“-Infos hat sich Gewessler im Vorfeld vier Stellungnahmen angeblich externer Juristen eingeholt, auf die sie ihre Entscheidung für ihr Vorgehen beim Renaturierungsgesetz stützt. Zumindest einer von ihnen, ein Linzer Uni-Professor, steht den Grünen nahe: Er war 2019 Mitglied im grünen Verhandlungsteam unter Zadic. Experten halten es für fragwürdig, ob Gewessler mit diesen „Gutachten“ das Thema „Vorsätzlichkeit“ beim Vorwurf des Amtsmissbrauchs so locker vom Tisch wischen kann.
Die Grünen wiederum erinnern im Gegenzug unter anderem daran, dass ÖVP-Minister schon öfter in Brüssel im Alleingang gestimmt haben. So hat Innenminister Karner den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien gegen den Willen der Grünen blockiert – und das bis heute.
Mehr als 50 gemeinsame Vorlagen im Parlament
Die ÖVP betont trotz alledem, dass sie die Koalition aus Staatsverantwortung nicht aufkündigen will und sogar alle Vorhaben, die bereits ausverhandelt sind, im Parlament gemeinsam beschließen will. In der letzten Plenarsitzung wurden mehr als 50 Vorlagen eingebracht, diese sollen noch im Juli bzw. September abgestimmt werden.
Darunter sind wichtige Punkte:
Dutzende Gesetzesvorhaben kommen nicht mehr
Das alles soll noch beschlossen werden, mehr wird aber nicht mehr kommen. Es schaut schlecht aus vor allem für Materien aus dem Ressort von Gewessler wie ...
Opposition von Regierung entsetzt
Die Opposition zeigt sich vom Streit in der Regierung entsetzt. Die Absage des Ministerrats am Mittwoch sei „eine Selbstaufgabe und absolute Bankrotterklärung für eine Koalition“, sagt SPÖ-Klubobmann Philip Kucher. „Wenn sich alle Menschen in Österreich so verhalten würden wie Kanzler Nehammer und sein Regierungsteam, dann würde in Österreich kein Zug fahren, keine Operation stattfinden und in wenigen Tagen würde der Strom im ganzen Land ausfallen.“
Arbeitsverweigerung erkennen auch die NEOS. „Das ist ein unwürdiges Schauspiel für die Republik und auch das Ansehen Österreichs wurde damit international beschädigt“, meinte Generalsekretär Douglas Hoyos bei krone.tv (siehe Video oben). Einen monatelangen Stillstand bis zur Bildung einer neuen Regierung könne sich Österreich nicht leisten.
Auch aus der Kanzlei des Staatsoberhauptes gab es eine Meldung auf Anfrage der „Krone“: „Der Bundespräsident verfolgt die Diskussion genau und ist in gutem Austausch mit der Bundesregierung. Beruhigung auf beiden Seiten sollte jetzt das Ziel sein.“
Alexander Van der Bellen sagte aber auch, dass er mit Stichtag 9. Juli keine Ernennungen für Spitzenposten in Ministerien bestätigen werde. Immerhin hat der Postenschacher vorerst ein Ende.
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