Das grüne „Ja“ der Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zum EU-Renaturierungsgesetz brachte den Koalitionspartner ÖVP bekanntlich auf die Barrikaden. Im Kanzleramt kündigte man eine EuGH-Nichtigkeitsklage sowie eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Im Gespräch mit der „Krone“ legt der Kanzler jetzt höchst selbst nach.
„Krone“: Herr Bundeskanzler, war das nicht absehbar, dass Leonore Gewessler das macht, was sie eigentlich angekündigt hat?
Karl Nehammer: Nein, ich gehe als Bundeskanzler einer Regierung schon davon aus, dass sich die Ministerinnen an die Verfassung und an das Recht halten. Und nicht, dass man Ideologie und einen populistischen Aktionismus miteinander verknüpft und über die Verfassung stellt, ist aus meiner Sicht niemals zu erwarten, weil dann wäre das Regieren grundsätzlich unmöglich.
Die Anzeige wegen Amtsmissbrauch hat keine guten Chancen, weil er Vorsatz beinhaltet. Und den hat sie vermutlich mit ihren Gutachten aus dem Weg geräumt ...
Es gibt drei Ebenen aus meiner Sicht. Die erste Ebene ist der Rechtsbruch, der begangen worden ist. Es gibt eine Einigung unter den Landeshauptleuten, die ignoriert wurde. Es gibt hier klare Spielregeln, wie man als Minister in der Europäischen Union abstimmt, wenn das Thema mehrere Ministerien betrifft. Nun wurden mehrere Anzeigen angekündigt und darüber hinaus die Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof. Hier ist eine Ministerin mit einer Abstimmung in den Rat gegangen, die nicht wie laut Gesetz vorgesehen innerstaatlich akkordiert war. Daher war die Abstimmung nicht rechtmäßig.
Warum entlassen Sie sie nicht?
Meine Aufgabe als Bundeskanzler ist es, die Regierung geordnet bis zum 29. September anzuführen. Das habe ich den Menschen versprochen, und dieses Versprechen werde ich halten. Das Verhalten der Ministerin ist aus meiner Sicht dennoch nicht akzeptabel. Jetzt haben die Wähler am 29. September die Gelegenheit, abzustimmen und über ihr Verhalten zu urteilen. Was ich vermeiden will, ist Chaos, das wir schon öfter erlebt haben in Österreich. Im sogenannten Spiel der freien Kräfte können Wahlzuckerln beschlossen werden, die Milliarden kosten und die Menschen nachher für Jahrzehnte finanziell belasten – denn sie bezahlen dafür.
Bräuchte der Bundeskanzler eine Richtlinienkompetenz, wie es sie in Deutschland gibt?
Die Verfassung ist, glaube ich, gut aufgestellt. Was keine Rechtsordnung an sich verhindern kann, ist, wenn jemand das Recht bricht. Das kann vorkommen. Und das ist in dem Fall vorgekommen.
Werden Sie Gewessler für die Zukunft als Regierungsmitglied wie auch FPÖ-Chef Herbert Kickl ausschließen?
Am 29. September ist die Wahl. Die Frau Ministerin hat dem Ansehen Österreichs, aber vor allem auch der Glaubwürdigkeit innerhalb der Politik geschadet. Moralische Ansprüche sind offensichtlich irgendwo am Weg verloren gegangen, wenn man Verfassung und Recht bricht.
Wenn man als Kind eine rote Linie überschreitet und es gibt keine Sanktionen, wird man auch die nächste rote Linie überschreiten. Warum sollten die Grünen den Sideletter mit dem Kommissarsvorschlag der ÖVP einhalten?
Ich habe mit Werner Kogler bisher die Erfahrung gemacht, dass er das eingehalten hat, was wir vereinbart haben. Es gibt auch eine Unterschrift von Werner Kogler unter der Vereinbarung.
Sind Sie in Abstimmung mit Ländern, die ebenfalls weiterhin gegen die Renaturierungsvorschrift vorgehen?
Es war eine ganz knappe Entscheidung in diesem Rat. Wir haben natürlich Verbündete wie Schweden, Finnland und viele andere, die wie wir bereits einen starken Natur- und Umweltschutz leben, aber eben von dieser Überbürokratisierung und Überregulierung genauso betroffen sind.
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