„Corona gibt es nicht“

Tannenhof-Prozess: Eine Strafe, vier Freisprüche

Steiermark
26.06.2024 17:41

14 Monate, 29 Verhandlungstage: Nach dieser langen Zeit sind am Mittwoch endlich die Urteile gegen fünf Verantwortliche des Pflegeheims Tannenhof gefallen.

Tatsächlich ist der Prozess rund um das von Corona schwer geplagte Pflegeheim Tannenheut in St. Lorenzen im Mürztal am Mittwoch am Landesgericht Leoben (Stmk.) zu Ende gegangen. Laut Strafantrag hätten die vielen Infektionen und Todesfälle – 18 Bewohner starben im Zuge einer Infektion, elf davon in direktem Zusammenhang mit der Erkrankung – mit einem dementsprechenden Hygienekonzept verhindert werden können. Laut Staatsanwaltschaft fehlten sämtliche Präventionskonzepte, es gab keine Zusammenarbeit mit der vom Land Steiermark entsandten Hygiene-Fachkraft, einschlägige Mitarbeiter-Schulungen blieben aus.

Schwurbel-Anwalt mit politischer Rede
Während der Verhandlung sorgte allerdings ein Verteidiger für Aufsehen im Gerichtssaal. Etliche Beweisanträge, die er vorbrachte, waren seinem Mandanten nicht gerade dienlich, arteten sie doch zu einer persönlichen politischen Rede gegen die österreichischen Medien, die Regierung und einzelne Politiker aus. Sein Mandant wirkte auch wenig einverstanden mit den Ausführungen des Rechtsvertreters. 

Der Tenor des Juristen: Corona gibt es nicht. Die Pandemie hat es auch nie gegeben. Die Politik hat alle angelogen. Und PCR-Tests sagen nichts über eine Infektion aus. Woran seiner Meinung nach die Bewohner dann gestorben sind? „Das lag an der behördlich unrechtmäßigen Absonderung der Bewohner.“ Die psychischen Folgen seien ursächlich für deren Tod gewesen.

„Ivermectin zur Vorbeugung“
Im Übrigen stellte er die Frage an die Sachverständigen, ob man den Bewohnern Ivermectin (ein umstrittenes Mittel, das gegen Parasiten bei Tieren angewendet wird, Anm.) zur Vorbeugung der Erkrankung gereicht hätte. Murren in den Reihen, die Richterin ließ die Frage dann nicht zu. Doch er hatte noch mehr auf Lager: Er beantragte jenen Arzt als Zeugen, der etlichen Patienten Maskenbefreiungs-Atteste ausstellte und deswegen auch bereits strafrechtlich verurteilt wurde.

Dutzende Seiten Schriftsatz las er vor sich hin, selbst die Richterin kommentierte seine Ausführungen als äußerst langatmig. Doch auch ihr blieb nichts Anderes über, seinen Ausführungen aufmerksam zu lauschen und zu protokollieren. 

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Das ist keine Hexenjagd. Die Medien spielen keine Rolle, ob jemand angeklagt wird oder nicht. Wer das meint, der verkennt die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Polizei klar.

Staatsanwältin Viktoria Steinecker

Schlussendlich war es doch so weit, Staatsanwältin Viktoria Steinecker konnte mit ihrem Schlussplädoyer starten. Sie sprach von einem emotionalen Geschehen für sämtliche Beteiligten. Klarstellen wollte sie allerdings: „Das ist keine Hexenjagd. Die Medien spielen keine Rolle, ob jemand angeklagt wird oder nicht. Wer das meint, der verkennt die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Polizei klar.“ Laut ihr war es eigenartig, dass Aussagen vor der Polizei sich plötzlich sehr von den Aussagen vor Gericht unterschieden haben, sogar auf die Gutachten treffe das teilweise zu.

Verteidiger ortet Kapitalverbrechen
„Nach 14 Monaten Verhandlungen wächst man zusammen, manchmal haben wir uns vielleicht was über die Medien ausrichten lassen“, übernimmt der Verteidiger des Geschäftsführers und dessen Sohn das Plädoyer. Er ist von einem nicht lege artis angefertigten Gutachten überzeugt, kritisierte wiederholt die Ausführungen der beiden Expertinnen, die immer wieder Widersprüche aufkommen ließen. Die Pflegeheim-Verantwortlichen seien von den Behörden im Stich gelassen worden. Dennoch gibt er den Medien die Schuld für die Anklage, die den Bundesheer-Einsatz im Pflegeheim seiner Meinung nach skandalisierten. Auch die Polizei bekam ihr Fett ab: Das was im Zuge der Ermittlungen passiert sei, ähnle einem Kapitalverbrechen. Seine Mandanten seien freizusprechen.

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Viele multi-morbide Patienten waren da, das Heim wurde vorbildlich, familiär geführt.

Anwältin Karin Prutsch

Anwältin Karin Prutsch-Lang vertrat die Pflegedienstleitung: „Das Pflegeheim war bis zur Covid-Zeit sehr beliebt. Viele multi-morbide Patienten waren da, das Heim wurde vorbildlich, familiär geführt.“ Selbst zu Corona-Zeiten hätten die Mitarbeiter, von denen es viel zu wenig gab, alles für die Bewohner getan. Ihrer Mandantin seien die Hände gebunden gewesen, ihr könne man nichts anlasten.

Vier Freisprüche, eine Verurteilung
Kurz nach 17 Uhr ist es tatsächlich soweit, Richterin Astrid Rauchenwald verkündet: Ein ehemaliger Pflegedienstleiter wird zu einer Geldstrafe von 12.300 Euro verurteilt. Der Grund: Er wies an, dass das gesamte Pflegeheim als infiziert gelte und nicht mehr zwischen erkrankten Bewohnern unterschieden werden solle, Schutzanzüge müsse man nicht mehr wechseln. Für Frau Rat verheerend: „Das geht einfach nicht! Sie waren Teil des Krisenstabs und wussten, was Sie tun.“ Die anderen wurden von den Vorwürfen freigesprochen. Nicht rechtskräftig!

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