Statt „Sidelettern“

EU-Kommissar: SPÖ & NEOS für öffentliches Hearing

Politik
12.07.2024 06:00

Ungewohnt einig zeigen sich SPÖ und NEOS. Sie wollen ein öffentliches Hearing für den nächsten EU-Kommissar. Zuvor sprangen bereits die Grünen den NEOS bei ihrer Forderung, Othmar Karas zum Kommissar zu machen, zur Seite. Andere prominente Namen für den Posten scheinen bereits aus dem Rennen zu sein. Fest steht: Die Zeit drängt.

„Hätten wir nur die Regierung gesprengt, doch Neuwahlen ausgerufen und bereits im Juni gewählt“, denkt sich dieser Tage womöglich manch ein Stratege in der ÖVP. Nachdem sich die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler bekanntlich schon beim Renaturierungsgesetz über die Bundesländer und den Willen der ÖVP hinweggesetzt hat, fühlt man sich beim grünen Koalitionspartner wie aus heiterem Himmel jetzt auch nicht mehr an den Regierungssideletter gebunden, in dem klar festgehalten ist, dass die ÖVP den EU-Kommissar bestimmen dürfe.

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Wir wollen keine Sideletter und Hinterzimmer-Deals mehr akzeptieren, wir fordern Transparenz. Ein öffentliches Hearing ist gelebte Demokratie!

Andreas Babler

Dem nicht genug, unterstützten die Grünen auch die Idee, den in der ÖVP umstrittenen Othmar Karas zu empfehlen. Zuvor schlug bereits NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger Karas (ihren ehemaligen Chef) für den Posten vor. Jetzt erhöht auch die SPÖ den Druck. „Es ist kein Naturgesetz, dass die ÖVP den EU-Kommissar stellt. Wir fordern eine transparente Auswahl. In einem öffentlichen Hearing von zwei bis drei Personen soll die Mehrheit des Hauptausschusses eine Wahl treffen, wer die europapolitisch kompetenteste und am besten geeignete Person ist“, so SPÖ-Chef Andreas Babler.

Beate Meinl-Reisinger und Andreas Babler (Bild: APA, Krone KREATIV)
Beate Meinl-Reisinger und Andreas Babler

Bürger sollen sich ein Bild machen können
SPÖ und NEOS fordern vor einer Abstimmung im Hauptausschuss ein öffentliches Hearing der potenziellen Kandidaten im österreichischen Parlament. Dort sollen diese ihre Vorstellungen, wie sie das Amt anlegen wollen, präsentieren sowie ihre Expertise unter Beweis stellen. Die Abgeordneten, die die Entscheidung über die Nominierung final treffen, müssten Gelegenheit bekommen, Fragen zu stellen. Durch die Öffentlichkeit des Hearings sollen sich auch die Bürger ein Bild machen können.

EU-Kommission kein Thema für „Sideletter“
SPÖ und NEOS erneuern damit einen Vorschlag, den sie auch schon 2019 der damaligen Regierung unterbreitet hatten. Denn während im Europäischen Parlament die Anhörung der nominierten Kommissare öffentlich stattfindet und Kandidaten immer wieder auch abgelehnt werden, ist die Auswahl in Österreich weiterhin ein Deal der Regierungsparteien. Im aktuellen Fall wollten ÖVP und Grüne diese gewichtige Entscheidung sogar per „Sideletter“ regeln.

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Ein verlässlicher, kompetenter, proeuropäischer Kurs des österreichischen Mitglieds der neuen Kommission ist im Interesse aller Parteien und des gesamten Landes.

Beate Meinl-Reisinger

„Die Zeiten, in denen die Regierungsparteien Postenvergaben hinter verschlossenen Türen ausdealen und dem Parlament nur noch zum Abnicken vorlegen, müssen vorbei sein“, sagt NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. „Die Besetzung eines derart wichtigen Amts muss transparent und mit einer breiten öffentlichen Debatte stattfinden. Die Chance, eine überparteilich angesehene, integre Person, die die Vision von einer starken Union verfolgt, gemeinsam auszuwählen, muss endlich genutzt werden.“

Umgesetzt wollen die beiden Oppositionsparteien ihren Vorschlag „so schnell wie möglich“ sehen. Nach der Wahl der Kommissionspräsidentin werden alle Länder relativ rasch ihre Vorschläge an Ursula von der Leyen übermitteln. Damit beginnen auch die Gespräche über künftige Ressortzuständigkeiten. Es müsse jedenfalls verhindert werden, dass das „aktuelle gegenseitige Blockieren von ÖVP und Grünen Österreich zu einem Nachzügler und das neue Mitglied der Kommission so zu einem Lückenbüßer für die dann noch offenen, weniger relevanten Zuständigkeiten macht“.

Wer es werden könnte
Als möglicher EU-Kommissar wird immer wieder Finanzminister Magnus Brunner ins Spiel gebracht. Fix ist das aber nicht, denn auch eine unabhängige Kommissarin oder ein unabhängiger Kommissar sind eine mögliche Option für Bundeskanzler Karl Nehammer. Mit Sicherheit kommt aus Sicht der ÖVP als Unabhängiger nicht Othmar Karas infrage. Zu oft hat Karas in den vergangenen Monaten mit der Politik der ÖVP abgerechnet.

Der EU-Kommissar ist ein Teil eines ganzen Personalpakets: Für die Nachfolge von OeNB-Direktor Robert Holzman soll Wirtschaftsminister Martin Kocher fix sein. Auch die Grünen sollen einen OeNB-Topjob bekommen: Es gilt als ausgemacht, dass Josef Meichenitsch vom Abteilungsleiter zum Direktor aufsteigt. Meichenitsch ist ein enger Vertrauter von Parteichef Werner Kogler und hat maßgeblich den Koalitionsvertrag zwischen Grünen und ÖVP 2019 mitverhandelt. Die ÖVP würde Meichenitsch akzeptieren, jedoch gehen die Grünen beim EU-Kommissar nicht mit.

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