Sechs Tage wandern fernab der Zivilisation in der Steinwüste des Toten Gebirges, sphärisch begleitet von vierzehn Hör- und Erfahrungsräumen. Die „Krone“ war bei der hochalpinen Durchquerung von Bad Ischl nach Hinterstoder dabei.
Auch als versierte Wanderin bin ich diesmal zeitweise an meine Grenzen gestoßen. Der Große Welt-Raum-Weg ist kein Spaziergang. Zu Fuß durch das größte Kalkkarst-Gebiet Mitteleuropas zu gehen, ist herausfordernd – körperlich ebenso wie mental.
An persönliche Grenzen gehen und über sich hinauswachsen
Hier werden der bequeme Alltag und die gewohnte Komfortzone zurückgelassen. Die Hütten zur Übernachtung bieten überwiegend Matratzenlager und der Wassermangel in der Steinwüste macht selbstverständliche Dinge aus dem „normalen Leben“ wie eine tägliche Dusche unmöglich. Der Weg selbst ist in der sommerlichen Hitze ohne Schatten ein ständiges schweißtreibendes Auf und Ab über Stein und Geröll. Umso erfrischender ist dann der Sprung in einen der kalten und klaren Bergseen am Weg.
Trotz aller Schwierigkeiten und Einschränkungen überwiegt am Ende der anspruchsvollen Tour das Glücksgefühl, es geschafft zu haben. Eine besondere Erfahrung, durch die ich wachsen durfte – auch über mich selbst hinaus!
Gemeinsam mit 37 Gleichgesinnten startete ich am 7. Juli die Erstbegehung des Großen Welt-Raum-Weges von Bad Ischl nach Hinterstoder. Die Route ist nicht neu. Das Audio-Erlebnis dazu schon. Die von Christoph Viscorsum und Andreas Hagerlücken als Hör-Kunstwerk im Rahmen von Europas Kulturhauptstadt Bad Ischl 2024 konzipierte Strecke führt in sechs Tagesetappen auf einem Teilstück des Welser Höhenweges aus dem Alltag hinaus.
Eine Geburt bei Sonnenaufgang
Sogenannte „Hör-Räume“ begleiten die Wanderer dabei. Über Kopfhörer konsumierte Audiodateien, die an speziellen Orten ihre besondere Wirkung entfalten. Prominente Sprecher wie der Musiker Hubert von Goisern, Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner oder Kulturwissenschafterin Aleida Assmann bereichern den Zuhörer mit ihren Gedanken: „I geh’ ganz langsam, ganz bewusst geh’ i bergwärts. Bin i immer nu’ die Gleiche wie vor fünf Schritten?“ Beim stetigen Aufstieg von der Rettenbachalm zur Ischlerhütte lausche ich den ersten Tracks, die mich nun sechs Tage lang stimmig durch die hochalpine Wanderung begleiten.
Am zweiten Tag brechen wir bereits kurz vor drei Uhr von der Ischlerhütte auf. Es ist stockdunkel und im Schein der Stirnlampen versuche ich die Müdigkeit auszublenden. Das Ziel ist der Sonnenaufgang unter dem Schönberg. Und während einzelne Nebelschleier mystisch durch die grüne Landschaft des Salzkammerguts unter uns ziehen, erste Lichtstrahlen die Tautropfen auf den Gräsern wie funkelnde Diamanten erstrahlen lassen, starten wir pünktlich mit dem Sonnenaufgang die Audiodatei, in der Hebamme Anne Tlach über Vorgänge bei einer Geburt spricht. Dies ist wohl eine der faszinierendsten und intensivsten Momente des Großen Welt-Raum-Weges.
Lebendiges Tierreich im Toten Gebirge
Ab dem Hochkogelhaus führt der Weg durch hochalpines Gelände. Felsen ragen hier wie kahle Knochen aus der Landschaft und vermitteln abschnittsweise einen leblosen Eindruck. Immer wieder halte ich inne, werde ein Teil der Natur. Das Gelände mit den Dolinen (trichterförmige Vertiefungen im Karst) gleicht einer bizarren Mondlandschaft.
Doch „tot“ ist diese Steinwüste keineswegs. Selbst in dieser kargen Umgebung schafft es die Natur, mit aller Kraft ihre Schönheit zu entfalten – wir sehen Gämse, Alpensalamander, Schlangen, Adler und wunderschöne Pflanzen wie den Kalk-Glocken-Enzian auf unserem Weg.
Von jeder Hütte führen Verbindungswege ins Tal. Das ist gut, wenn man nur ein Teilstück gehen möchte, und auch für jene Wanderer praktisch, falls diese die ganze Tour doch nicht auf einmal schaffen. Der Große Welt-Raum-Weg ist entstanden, um zu bleiben, und bietet als Naturerlebnis mit Hörerfahrungen unvergessliche Ausblicke, inspirierende Momente und anregende Gedanken. „Bin i nu die Gleiche?“
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